CDU hybrid
Die Christdemokraten wollen ihren Parteitag im Dezember retten, um endlich einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Dafür müssen sie womöglich einen Riesenschritt in die digitale Wirklichkeit gehen.
BERLIN Was haben sie nicht alles geplant im Konrad-Adenauer-Haus: Mit einem ausgeklügelten Hygiene-Konzept sollte der CDU-Bundesparteitag für die Vorstandswahl im Dezember in der Stuttgarter Messe möglich gemacht werden. Weiter Abstand zwischen den Tischen, geregelte Einlasszeiten und Alarmsignale bei Distanzunterschreitung.
Die Corona-Pandemie hatte schon im April alle Pläne für einen Sonderparteitag durchkreuzt, die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer zu regeln, die im Februar ihren Rückzug angekündigt hatte. Nun sollte es ganz turnusgemäß zur Vorstandswahl kommen. Aber die drastisch steigenden Zahlen der Corona-Neuinfektionen machen ein Treffen in dieser Größenordnung wahrscheinlich erneut zunichte.
Der Landkreis Esslingen, in dem die Messe Stuttgart liegt, war der erste, der im Südwesten über die kritische 50er-Marke sprang: Aktuell gibt es 95 Infizierte pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Die Politik könne sich nicht gegen Fußballspiele vor Publikum und gegen Weihnachtsmärkte aussprechen und dann einen Kongress mit 1001 Delegierten veranstalten, heißt es in der CDU-Spitze.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zwar weder für den Vorsitz noch für die nächste Kanzlerkandidatur zur Verfügung steht, gehört zu den entschiedensten Gegnern von Großveranstaltungen. Undenkbar, dass die CDU zusammenkommt und Merkel fehlt – schließlich bringt sie ihrer Partei derzeit immer noch Bestwerte in den Umfragen. Das dürfte auch mit dem Vertrauen der Bürger in ihr Corona-Krisenmanagement zu tun haben.
Annegret Kramp-Karrenbauer ist seit knapp zwei Jahren CDU-Bundesvorsitzende. Ihr Nachfolger als Ministerpräsident im Saarland, Tobias Hans, spricht das Problem offen an: Würde der Parteitag stattfinden, wäre das „ein verheerendes Signal – auch mit Blick auf die Einschränkungen, die wir unseren Bürgerinnen und Bürgern coronabedingt im Alltag zumuten“, sagte er unserer Redaktion.
An diesem Montag will die CDU-Spitze über Alternativen entscheiden. Diskutiert wird über neun Varianten – darunter die Verlegung in ein Sportstadion, eine Briefwahl oder eine Urnenwahl an verschiedenen Standorten in Deutschland. Die Idee ist, den Parteitag in Präsenz und digital gleichzeitig zu organisieren, also hybrid. Die drei Kandidaten – NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Außenexperte Norbert Röttgen – könnten auf einer Bühne auftreten und in ihren Reden sozusagen livehaftig um den Sieg kämpfen, die Delegierten aber wären auf verschiedene Städte verteilt. Das Ganze müsste per Videokonferenz vernetzt werden.
Eine zunächst erwogene Verlegung
des Präsenzparteitags an einen anderen Ort gilt inzwischen als kaum mehr realisierbar. Die Infektionszahlen steigen überall, und das Signal bliebe dasselbe: Die Bürger müssen ihre Kontakte beschränken, und die CDU macht Party.
Auch die Schwesterpartei CSU lässt keinen Zweifel daran, für wie abwegig sie einen Präsenzparteitag hält. CSU-Chef Markus Söder hat zwar gesagt, das entscheide die CDU allein – aber hinzugefügt: „Wir haben für uns entschieden, ganz eindeutig, dass wir eine Zusammenkunft von 1000 Leuten im Moment nicht für vertretbar halten.“Söder, der Macher, der Corona-Bekämpfer. Der mögliche Kanzlerkandidat, ohne dass er je eine Kandidatur angemeldet hätte. Die Umfragewerte für ihn sind weiterhin bestens in dieser Hinsicht.
Hans wirbt eindringlich: „Ich bin dafür, dass wir den Parteitag Anfang Dezember als hybriden Parteitag mit virtuellen Elementen und Präsenzveranstaltungen im kleinen Stil dezentral durchführen.“Das Bedürfnis sei groß, im Dezember den Vorsitz zu klären. Es gebe nur wenig
Zustimmung dafür, den Parteitag ins Frühjahr zu verlegen – „zumal wir auch nicht wissen, wie die Pandemie sich entwickelt“. Hans betont: „Es sind alle leid, dass die Führungsfrage in der CDU weiter offen ist.“Und wer die Partei im Jahr 2021 führen wolle, müsse mit einem hybriden Format klarkommen. Die CDU als staatstragende Partei müsse ein Vorbild in dieser Pandemie sein.
Auch Merz will den Parteitag auf jeden Fall stattfinden lassen. Möglicherweise eben mit einer „dezentralen, in jedem Fall aber coronagerechten Lösung“. Vergleiche mit Volksfesten, dem Oktoberfest und Fußballspielen findet er falsch. Parteitage, Wahlen in politischen Parteien seien Voraussetzung dafür, dass die Demokratie funktioniere.
Grundsätzlich muss der Vorstand der CDU alle zwei Jahre neu bestimmt werden. In Krisenzeiten darf es aber Ausnahmen geben. So lange bliebe Annegret Kramp-Karrenbauer eben geschäftsführend im Amt. Auch eine Online-Wahl des Vorsitzenden gilt nicht als gänzlich ausgeschlossen. Eine Voraussetzung für ein solches Verfahren müsste aber wohl sein, dass eine Notlage amtlich festgestellt wird und dass zusätzlich die Partei ohne digitalen Parteitag handlungsunfähig würde.
So weit ist es allerdings bei der CDU doch noch nicht.