Rheinische Post Ratingen

Viele von uns Eltern sind bequem

- VON JUTTA LÖCHNER

Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnte­n hören und lesen wir über die Misere der Schulen in Deutschlan­d und besonders in Nordrhein-Westfalen. Und was hat sich zum Besseren entwickelt? Wenig, manchmal nichts – wie die an vielen Stellen kläglichen Versuche zeigen, Bildungsan­gebote in der Zeit der Corona-Pandemie angemessen aufrechtzu­erhalten. Da stellt sich die Frage nach der Verantwort­ung für die Erfolglosi­gkeit in der Bildungspo­litik, für die vielen „Reförmchen“, die das System mittlerwei­le so verkantet haben, dass wenig wirkt und spürbare Verbesseru­ngen nahezu unmöglich werden. Wie immer ist die Antwort leider komplizier­t: • eine Verwaltung, die behäbig geworden ist mit einem Beamtenrec­ht, das Leistung nicht honoriert und nur wenige gute Köpfe anzieht; • eine Politik, die nicht langfristi­g und wissenscha­ftlich basiert agiert, sondern nach Klientelau­srichtung Schwerpunk­te setzt und wieder umsteuert oder am beharrende­n Beamtenapp­arat scheitert;

• Behörden wie Bezirksreg­ierungen, die nicht rechenscha­ftspflicht­ig sind und kritische Lehrer und Schulleitu­ngen „beruhigen“;

• eine Lehrerscha­ft, die in den Schulen schon so viel auffangen muss, dass sich die Engagierte­n nicht mehr um systemisch­e Ursachenbe­kämpfung bemühen können und sich viel zu wenig für die Bildungsqu­alität und die erfolgreic­he Arbeit mit den Kindern einsetzen; • Schulträge­r, die weder über die Kompetenz noch über die Mittel verfügen, für angemessen­e Lernumgebu­ng und -mittel zu sorgen.

Wir Eltern erwarten mit Recht von der Schule, dass sie bestmöglic­he Bildung und Förderung ermöglicht und Anregungen bietet, die wir selbst nicht erbringen können – eine sinnvolle Arbeitstei­lung, die zum Ziel hat, dass unsere Kinder zu selbstbewu­ssten und verantwort­ungsvollen Persönlich­keiten heranreife­n und sich ein selbstbest­immtes Leben leisten können.

Kritik geht nicht ohne Selbstkrit­ik. Manche von uns vergessen, dass eine Arbeitstei­lung auch eigenen Einsatz wie Erziehung zu Leistungsb­ereitschaf­t und Disziplin und vieles mehr bedeutet. Viele von uns sehen nicht, dass wir gerade jetzt für die Unterstütz­ung und Kontrolle der anderen Seite auch als Eltern Verantwort­ung tragen. Wenn der Apparat nicht mehr zu bewegen ist, sollten wir Eltern viel mehr Engagement zeigen. Derzeit sind viele von uns eher bequem und lau. Wenn es nicht ganz schlecht läuft, ist nur wichtig, dass die Abschlüsse mit passablen oder guten Noten erreicht werden. Was unsere Kinder tatsächlic­h lernen und was sie an Rüstzeug für ein gelingende­s Leben in der Schule erwerben: Naja, wir nehmen, wenn auch mit Murren, was geboten wird. Ein Zusammensc­hluss mit anderen Eltern ist immer noch Ausnahme und leider keine Regel.

Wir decken oft nicht die Unzulängli­chkeiten auf und erarbeiten viel zu selten mit Schulleitu­ngen und Lehrern Konzepte, um eine ganzheitli­che Bildung, die den Anforderun­gen unserer Zeit gerecht wird, aufzubauen. Wir versäumen, unsere Politiker und Verwalter gemeinsam verantwort­lich zu machen für gute Lösungen. Wir müssen für unsere Kinder wach werden und gemeinsam handeln, vor Ort, von unten nach oben – und jetzt!

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FOTO: DPA Jutta Löchner ist seit 2018 Vorsitzend­e der Landeselte­rnschaft der Gymnasien NRW.

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