Die Geisterspiele sind zurück in NRW
Die Landesregierung kassiert die Handhabe von Gesundheitsämtern an den Bundesliga-Standorten. Dort sollen bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 35 nun keine Fans mehr ins Stadion. Bei den Klubs regt sich Widerstand.
DÜSSELDORF Die NRW-Vereine der Deutschen Fußball-Liga (DFL) müssen bei Heimspielen wieder komplett auf Fans im Stadion verzichten, wenn an ihrem Standort die Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Infektionen die Zahl von 35 überschreitet. Das war am Freitag an allen Standorten außer Paderborn der Fall. Das NRW-Gesundheitsministerium teilte auf Anfrage mit, man habe eine Unklarheit in der Corona-Schutzverordnung mit Wirkung zum 17. Oktober geklärt. Die Bezirksregierungen sollen die Einhaltung sicherstellen, teilte das Ministerium dem „Westfalen-Blatt“mit. Die Regelung gilt auch für NRW-Klubs in anderen bundesweiten Teamwettbewerben wie der Handball-Bundesliga oder der am 6. November startenden Basketball-Bundesliga.
In der Praxis hatten die Gesundheitsämter in Mönchengladbach, Köln und Schalke zuletzt auch bei einem Inzidenzwert über 35 im Stadion Fans zugelassen. Borussia Dortmund hatte noch am Dienstag seine Fanclubs informiert, dass beim Derby gegen Schalke 04 an diesem Samstag wie auch beim Champions-League-Spiel am Mittwoch gegen Sankt Petersburg wahrscheinlich 300 Zuschauer erlaubt sind.
Die Fußball-Bundesliga hatte die vergangene Saison zwischen Mitte Mai und Ende Juni mit Geisterspielen zu Ende bringen müssen. Mit Beginn dieser Spielzeit am 18. September und noch bis Ende des Monats dürfen die Vereine in einer Testphase bis zu 20 Prozent der Stadionplätze besetzen – allerdings nur, solange ein Wert von 35 nicht überschritten ist.
Die Klubs reagierten mit Unverständnis auf neuerliche Geisterspiele. „Was die Ankündigungen der
Landesregierung angeht, sind wir der Meinung, dass man hier übers Ziel hinausschießt“, sagte Borussia Mönchengladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers unserer Redaktion. Wer gesehen habe, wie viel Abstand 300 oder auch 1000 Fans in einem Fußballstadion voneinander hätten und wie verantwortungsbewusst und kooperativ sich die Fans in den letzten Wochen verhalten hatten, der könne dies nicht ernsthaft als eine sinnvolle Maßnahme erachten. Borussia spielt am Dienstag in der Champions League gegen Real Madrid. „Wir werden dafür kämpfen, dass wir das, was gut funktioniert hat, auch weiter machen dürfen“, sagte Schippers.
Am Freitagabend verschickte der Verein eine E-Mail an die Ticketbesitzer. Darin heißt es, das Spiel gegen Real Madrid könne statt wie ursprünglich geplant vor 10.000 jetzt nur noch vor 300 Fans ausgetragen werden. Inwieweit diese Entscheidung
nun mit der aktualisierten Corona-Schutzverordnung von NRW vereinbar ist, blieb zunächst unklar.
Fortuna Düsseldorfs Vorstandsvorsitzender Thomas Röttgermann krisierte ebenfalls die Klarstellung der Landesregierung: „Aus unserer Sicht wäre eine solche Entscheidung unlogisch.“Dass Klubs im Rahmen vergleichbarer Rahmenbedingungen, also entsprechender Inzidenzwerte, auch gleich behandelt werden, sei völlig richtig.
„Grundsätzlich sollte bei der Festlegung der maximalen Zuschauerzahl aber doch entscheidend sein, ob die im Rahmen der DFL-Richtlinien von den Vereinen erarbeiteten Hygienekonzepte funktionieren, also keine Gefährdungen auslösen. Wenn belegt ist, dass die Konzepte greifen, macht ein Komplett-Verbot von Zuschauern keinen Sinn.”
Eine bundeseinheitliche Regelung gibt es bislang nicht. So waren Stand Freitagabend bei Fortunas Spiel an diesem Samstag in Hannover 9800 Fans erlaubt. Das stößt auch bei der Bundesregierung auf Kritik. Was angesichts der gestiegenen Corona-Infektionszahlen im konkreten Fall sinnvoll sei, sei zwar Sache der örtlichen Gesundheitsämter, betonte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Die Bundesregierung appelliere aber an die Verantwortlichen, „hier zu einem einheitlichen Verfahren zu kommen“.
Noch bedrohlicher als für den Fußball stellen sich Geisterspiele für die Vereine der Handball-Bundesliga (HBL) dar, die am 1. Oktober in die Saison gestartet ist und viel mehr als der Fußball mit seinen lukrativen Fernseherlösen maßgeblich auf Einnahmen aus Ticketverkauf und Marketing angewiesen ist. „Sollte es darauf hinauslaufen, dass auch unsere Bundesliga bundesweit vor leeren Rängen spielen muss, verstärkt dies unsere Krisenlage substanziell“, sagte ein Liga-Sprecher.
Die Politik hatte auch der HBL eine sechswöchige Testphase mit maximal 20 Prozent der möglichen Fans in den Hallen erlaubt. Das Zugeständnis von Politik und Behörden habe bisher dazu geführt, dass die Verluste geringer ausfielen, sagte der Ligasprecher weiter.
Der Deutsche Olympische Sportbund setzte sich am Freitag für eine Verlängerung des Testbetriebes für Zuschauer in Mannschaftssportarten ein.