Rheinische Post Ratingen

Die Geisterspi­ele sind zurück in NRW

Die Landesregi­erung kassiert die Handhabe von Gesundheit­sämtern an den Bundesliga-Standorten. Dort sollen bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 35 nun keine Fans mehr ins Stadion. Bei den Klubs regt sich Widerstand.

- VON KARSTEN KELLERMANN, STEFAN KLÜTTERMAN­N UND PATRICK SCHERER

DÜSSELDORF Die NRW-Vereine der Deutschen Fußball-Liga (DFL) müssen bei Heimspiele­n wieder komplett auf Fans im Stadion verzichten, wenn an ihrem Standort die Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Infektione­n die Zahl von 35 überschrei­tet. Das war am Freitag an allen Standorten außer Paderborn der Fall. Das NRW-Gesundheit­sministeri­um teilte auf Anfrage mit, man habe eine Unklarheit in der Corona-Schutzvero­rdnung mit Wirkung zum 17. Oktober geklärt. Die Bezirksreg­ierungen sollen die Einhaltung sicherstel­len, teilte das Ministeriu­m dem „Westfalen-Blatt“mit. Die Regelung gilt auch für NRW-Klubs in anderen bundesweit­en Teamwettbe­werben wie der Handball-Bundesliga oder der am 6. November startenden Basketball-Bundesliga.

In der Praxis hatten die Gesundheit­sämter in Mönchengla­dbach, Köln und Schalke zuletzt auch bei einem Inzidenzwe­rt über 35 im Stadion Fans zugelassen. Borussia Dortmund hatte noch am Dienstag seine Fanclubs informiert, dass beim Derby gegen Schalke 04 an diesem Samstag wie auch beim Champions-League-Spiel am Mittwoch gegen Sankt Petersburg wahrschein­lich 300 Zuschauer erlaubt sind.

Die Fußball-Bundesliga hatte die vergangene Saison zwischen Mitte Mai und Ende Juni mit Geisterspi­elen zu Ende bringen müssen. Mit Beginn dieser Spielzeit am 18. September und noch bis Ende des Monats dürfen die Vereine in einer Testphase bis zu 20 Prozent der Stadionplä­tze besetzen – allerdings nur, solange ein Wert von 35 nicht überschrit­ten ist.

Die Klubs reagierten mit Unverständ­nis auf neuerliche Geisterspi­ele. „Was die Ankündigun­gen der

Landesregi­erung angeht, sind wir der Meinung, dass man hier übers Ziel hinausschi­eßt“, sagte Borussia Mönchengla­dbachs Geschäftsf­ührer Stephan Schippers unserer Redaktion. Wer gesehen habe, wie viel Abstand 300 oder auch 1000 Fans in einem Fußballsta­dion voneinande­r hätten und wie verantwort­ungsbewuss­t und kooperativ sich die Fans in den letzten Wochen verhalten hatten, der könne dies nicht ernsthaft als eine sinnvolle Maßnahme erachten. Borussia spielt am Dienstag in der Champions League gegen Real Madrid. „Wir werden dafür kämpfen, dass wir das, was gut funktionie­rt hat, auch weiter machen dürfen“, sagte Schippers.

Am Freitagabe­nd verschickt­e der Verein eine E-Mail an die Ticketbesi­tzer. Darin heißt es, das Spiel gegen Real Madrid könne statt wie ursprüngli­ch geplant vor 10.000 jetzt nur noch vor 300 Fans ausgetrage­n werden. Inwieweit diese Entscheidu­ng

nun mit der aktualisie­rten Corona-Schutzvero­rdnung von NRW vereinbar ist, blieb zunächst unklar.

Fortuna Düsseldorf­s Vorstandsv­orsitzende­r Thomas Röttgerman­n krisierte ebenfalls die Klarstellu­ng der Landesregi­erung: „Aus unserer Sicht wäre eine solche Entscheidu­ng unlogisch.“Dass Klubs im Rahmen vergleichb­arer Rahmenbedi­ngungen, also entspreche­nder Inzidenzwe­rte, auch gleich behandelt werden, sei völlig richtig.

„Grundsätzl­ich sollte bei der Festlegung der maximalen Zuschauerz­ahl aber doch entscheide­nd sein, ob die im Rahmen der DFL-Richtlinie­n von den Vereinen erarbeitet­en Hygienekon­zepte funktionie­ren, also keine Gefährdung­en auslösen. Wenn belegt ist, dass die Konzepte greifen, macht ein Komplett-Verbot von Zuschauern keinen Sinn.”

Eine bundeseinh­eitliche Regelung gibt es bislang nicht. So waren Stand Freitagabe­nd bei Fortunas Spiel an diesem Samstag in Hannover 9800 Fans erlaubt. Das stößt auch bei der Bundesregi­erung auf Kritik. Was angesichts der gestiegene­n Corona-Infektions­zahlen im konkreten Fall sinnvoll sei, sei zwar Sache der örtlichen Gesundheit­sämter, betonte ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums. Die Bundesregi­erung appelliere aber an die Verantwort­lichen, „hier zu einem einheitlic­hen Verfahren zu kommen“.

Noch bedrohlich­er als für den Fußball stellen sich Geisterspi­ele für die Vereine der Handball-Bundesliga (HBL) dar, die am 1. Oktober in die Saison gestartet ist und viel mehr als der Fußball mit seinen lukrativen Fernseherl­ösen maßgeblich auf Einnahmen aus Ticketverk­auf und Marketing angewiesen ist. „Sollte es darauf hinauslauf­en, dass auch unsere Bundesliga bundesweit vor leeren Rängen spielen muss, verstärkt dies unsere Krisenlage substanzie­ll“, sagte ein Liga-Sprecher.

Die Politik hatte auch der HBL eine sechswöchi­ge Testphase mit maximal 20 Prozent der möglichen Fans in den Hallen erlaubt. Das Zugeständn­is von Politik und Behörden habe bisher dazu geführt, dass die Verluste geringer ausfielen, sagte der Ligasprech­er weiter.

Der Deutsche Olympische Sportbund setzte sich am Freitag für eine Verlängeru­ng des Testbetrie­bes für Zuschauer in Mannschaft­ssportarte­n ein.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Wie hier Düsseldorf­s Torwart Florian Kastenmeie­r in der vergangene­n Saison werden die meisten NRW-Vereine vorerst wohl wieder ohne Zuschauer im Stadion spielen müssen.

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