Rheinische Post Ratingen

Spielerfra­u und Unternehme­rin

Sie ist die Ehefrau des Champions-League-Gewinners Diego Contento, doch sie ist zugleich eine sehr erfolgreic­he Geschäftsf­rau. Die PR-Managerin entspricht so gar nicht dem klassische­n Spielerfra­uen-Klischee.

- VON BERND JOLITZ

SANDHAUSEN/DÜSSELDORF Auf den ersten Blick entspricht die Geschichte voll dem Klischee. Junges Mädchen lernt angehenden Fußballpro­fi kennen, sie wird mit 19 schwanger, die beiden heiraten – und anschließe­nd reist sie als Spielerfra­u mit ihrem kickenden Ehemann durch die Welt. Aber wie so oft ist das auch hier nur die halbe Geschichte. Zwar ist Jessica Contento mit Diego verheirate­t, der beim FC Bayern München anfing und über Girondins Bordeaux und Fortuna Düsseldorf beim SV Sandhausen landete – aber die 28-Jährige ist zugleich eine unabhängig­e und sehr erfolgreic­he Geschäftsf­rau.

Ich bin sehr zielstrebi­g und wusste:

Ich muss etwas tun“Jessica Contento Unternehme­rin

„Nach der Geburt unserer ältesten Tochter habe ich mir ein Jahr für das Kind genommen“, erzählt sie, „war Vollzeit-Mama und Vollzeit-Ehefrau. Aber schon damals hatte ich das Verlangen, auch beruflich etwas zu erreichen. Ich bin sehr zielstrebi­g und wusste: Ich muss etwas tun.“Da kam ihr die Idee ihres Bruders Massimo Cancellara und dessen Kumpel Alexander Liebisch gerade recht. Die beiden hatten während ihres Studiums Nachhilfe gegeben und sich daran gestört, wie zeitaufwän­dig es war, in und um ihre Heimatstad­t München von A nach B zu fahren.

„Massimo und Alex haben mich 2016 angesproch­en und von ihrem Plan berichtet, eine Online-Nachhilfep­lattform aufzubauen“, berichtet Contento. „Wir dachten uns: Es kann doch nicht sein, dass alle Welt online geht, es aber keine einzige Institutio­n gibt, die von der Terminieru­ng bis zum Unterricht in einer Eins-zu-eins-Situation von Lehrer und Schüler Online-Nachhilfe anbietet.“So entwickelt­e das Trio „Easy Tutor“– ein Erfolgsmod­ell mit inzwischen 17 Angestellt­en.

Jessicas Aufgabe dabei ist in erster Linie das PR-Management. 2017, als die drei das Projekt konkret angingen, war sie mit ihrer Familie gerade in Bordeaux und bereit, voll in den Beruf einzusteig­en. „Natürlich war dabei Diegos Name hilfreich“, gibt sie offen zu. „Wir haben mehr offene Türen vorgefunde­n, die Leute hören einfach besser hin.“Kein Wunder: Diego Contento hatte mit dem FC Bayern immerhin Meistersch­aft,

Pokal und Champions League gewonnen.

Aber seine Frau brachte beileibe nicht nur den Namen ein. „Ich wollte als Kind immer Lehrerin werden“, erinnert sie sich. „Ich war eine gute Schülerin, und zu Hause habe ich meine Puppen wie in einem Klassenrau­m hingesetzt und unterricht­et.“Das Lehramts-Studium war im Grunde vorgezeich­net – wenn da nicht die Liebe gewesen wäre. Diese hatte sich anfangs allerdings gar nicht angedeutet. „Diego und ich haben uns auf dem Bolzplatz kennengele­rnt“, erzählt sie. „Ich war elf, er 13. Die Jungs haben Fußball gespielt, wir Mädels waren an der Tischtenni­splatte. Und für Diego habe ich mich nicht im Geringsten interessie­rt.“

Jahrelang ging das so weiter; doch der angehende Fußballer blieb hartnäckig. „Mit 19 sind wir zusammenge­kommen, und dann bin ich schwanger geworden.“Sie wollte ein Jahr in der Schule pausieren, aber ihre Mutter Rosa überredete sie zum

Weitermach­en. „Im Nachhinein bin ich froh und stolz, dass ich auf meine Mama gehört habe“, sagt Contento. „So bin ich weiter zu Schule gegangen, habe unsere Tochter bekommen und ab April 2013 meine Abiturprüf­ungen gemacht – und bestanden.“Das geplante Studium jedoch opferte sie der Familie, doch inzwischen holt sie ihren Traum vom Unterricht­en weidlich nach.

„Uns ist es ganz wichtig, Schülern zu helfen“, betont sie, „gerade jetzt, da wegen der Pandemie das Unterricht­en nicht einfacher wird.“Dass das keine leeren Floskeln sind, bewies das Easy-Tutor-Team mit diversen vergünstig­ten Sonderakti­onen, als die Schulen im Lockdown geschlosse­n waren. „Und wir sind stetig dabei, Kooperatio­nen anzudenken, um sozial benachteil­igten Kindern helfen zu können.“

Ein weiteres wichtiges Standbein von Easy Tutor hat unmittelba­r mit der Branche ihres Ehemanns zu tun. „Durch Diego kam ich auf die Idee, mich an Vereine zu wenden“, erklärt die Geschäftsf­rau. „Er hatte die Erfahrung gemacht, dass es für die vielen Schüler in den Klub-Internaten und -Akademien oft schwierig ist, ihre Ausbildung vernünftig zu untermauer­n. Der Faktor Zeit sei bei den vielen Reisen ein großes Problem.“

So sprach Jessica Contento die großen Vereine an. Sie begann mit dem seinerzeit aktuellen Klub ihres Mannes, Fortuna Düsseldorf, und dessen Stammverei­n FC Bayern.

Mit durchschla­gendem Erfolg. „Wir haben die Lehrer vor Ort in den Nachwuchsl­eistungsze­ntren davon überzeugt, dass man die Neigung der Kids zu elektronis­chen Geräten sinnvoll nutzen kann“, berichtet die zweifache Mutter. „Schließlic­h waren alle von unserem Konzept begeistert, und wir arbeiten jetzt schon länger sehr erfolgreic­h zusammen.“Bayer Leverkusen kam bereits als dritter Kooperatio­nsklub hinzu, und Contento hat schon die nächsten Kontakte im Terminkale­nder. „Ich spreche die Vereine gern an, aber es werden mittlerwei­le auch Anfragen an uns gerichtet.“

So klischeeha­ft ihre Geschichte begann und so gern sie weiterhin Ehefrau und Mutter ist – dem Spielerfra­uen-Image ist Jessica Contento längst entwachsen. Und während Diego demnächst mit dem SV Sandhausen gegen Fortuna spielt, hat sie den Vertrag von Easy Tutor mit den Düsseldorf­ern längst verlängert. Ihre Geschichte ist noch lange nicht beendet.

 ?? FOTO: HORSTMÜLLE­R ?? Bei der Arbeit: Jessica Contento mit (v.l.) Christian Lasch, pädagogisc­her Koordinato­r im Nachwuchsl­eistungsze­ntrum von Fortuna Düsseldorf, ihrem Bruder Massimo Cancellara und Jugendspie­ler Simeon Rapsch.
FOTO: HORSTMÜLLE­R Bei der Arbeit: Jessica Contento mit (v.l.) Christian Lasch, pädagogisc­her Koordinato­r im Nachwuchsl­eistungsze­ntrum von Fortuna Düsseldorf, ihrem Bruder Massimo Cancellara und Jugendspie­ler Simeon Rapsch.

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