Die einzig richtige Entscheidung
Die Saisons der Amateurhandballer am Niederrhein sind von der Regionalliga bis zur Kreisklasse bis mindestens 15. November aufgrund der hohen Infektionszahlen in der Corona-Pandemie unterbrochen. Die Sportart bietet ein Risiko, für das Arbeitgeber wenig V
NIEDERRHEIN Am Donnerstagabend folgte der Handball-Verband Niederrhein (HVN) seinem Nachbarn vom Mittelrhein (HVM) und schickte den Spielbetrieb in eine Corona-Zwangspause, die zunächst bis einschließlich 15. November dauern soll. Wenig später zog auch der Handball-Verband Nordrhein nach und legte die Regionalliga auf Eis. Damit sind alle Ligen unterhalb derjenigen des Deutschen Handball-Bundes (DHB) im Ruhemodus.
Angesichts der drastisch gestiegenen Infektionszahlen bundesweit und immer mehr Spielen, die verlegt werden mussten, weil nahezu überall Corona-Fälle in Vereinen auftauchten, ist das die einzig richtige Entscheidung. Kontakte sollen möglichst auf ein Minimum beschränkt werden, aber dann trifft man sich mit 30 Handballern in einer Halle und sucht schweratmend ständigen Körperkontakt? Auch wenn einige Vereinsverantwortliche meinen, die Spiele seien weiterhin unter Einhaltung der eigens entwickelten Hygienekonzepte möglich und sich fragen, wann denn die Saisons tatsächlich beendet sein sollen – eine Kontakt- und Hallensportart bleibt ein doppeltes Risiko. Und wie will man beispielsweise dem OSC Rheinhausen erklären, dass die Spielzeit in der Regionalliga weitergeht, wenn die Stadt Duisburg bereits am Dienstag den Kontaktsport in der Halle verboten hat? Die erste Idee, der OSC könne ja immerhin auswärts antreten, ist schlichtweg lächerlich, wenn er keine Möglichkeit hat, sich auf Spiele vorzubereiten.
Es geht nicht um die Frage, ob Handballspiele Super-Spreader-Ereignisse sein können, bei denen sich Spieler und Zuschauer massenhaft mit dem Coronavirus infizieren könnten. Es geht vielmehr um die Verhältnismäßigkeit, ein Hobby in einer Pandemie ausüben zu können. Von sich aus haben etliche Spieler in den Amateurligen schon das Handballspielen eingestellt, weil sie beispielsweise Vorerkrankungen haben oder selbstständig sind und es sich nicht leisten können, bei einem Fall im eigenen Verein oder bei einer gegnerischen Mannschaft in Quarantäne geschickt zu werden.
Und auch die Arbeitgeber – und davon gibt es im Amateurbereich unterhalb des DHB ja nun einige, weil es hier eben keine Berufssportler sind – haben nur begrenzt Verständnis dafür, wenn Arbeitnehmer möglicherweise 14 Tage fehlen, weil sie als Kontaktperson 1 zu einem coronapositiv bestätigten Spieler gezählt werden. Auch da gibt es bereits jetzt, acht Wochen nach dem Start der Verbandsliga Gruppe 2, die Ende August als erste wieder in den Spielbetrieb ging, etliche Beispiele von Handballern, die von ihren Arbeitgebern deutlich verwarnt wurden, dass sie ihren Job gefährden, wenn sie noch einmal in Quarantäne sollten. Unabhängig davon, ob das arbeitsrechtlich haltbar wäre, und unabhängig davon, dass man sich natürlich auch außerhalb einer Sporthalle infizieren kann und so nur wenig Einfluss darauf hat, eine (erneute) Quarantäne zu verhindern – hier geht es um die Abschätzung eines Risikos. Und da ist klar, dass dieses in einer Halle beim Kontaktsport höher ist als bei einem Spaziergang im Wald.
Der HVN betont in seiner Mitteilung zur Saison-Unterbrechung, dass seine Entscheidung vor rund acht Wochen, wie geplant in die neuen Spielzeiten zu starten, richtig gewesen sei, immerhin habe man bisher 95 Prozent der angesetzten Spiele auch absolvieren können. Damit unterschlägt der Verband, dass die Zahl der corona-bedingten Verlegungen stetig zunahm und die Herbstpause gerade zur rechten Zeit kam – wo keine Spiele angesetzt waren, konnten auch keine verlegt werden, so kann der Verband die hohe Prozentzahl halten. Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Mit Beteiligung von Ratinger Herren-Mannschaften hätten an diesem Wochenende eigentlich fünf Spiele stattfinden sollen, vier wurden aber schon vor der offiziellen Unterbrechung wegen Infektionsfällen verlegt: das der SG Ratingen in der Regionalliga sowie die Verbandsliga-Partien der SG-Reserve und der beiden Lintorfer Teams.
Real sind trotz der genannten „95 Prozent“auch schiefe Tabellen: In der Regionalliga hat der HC Weiden nur die Hälfte der vier Spieltage absolvieren können, ebenso ergeht es in der Oberliga dem VfB Homberg bei drei Partien von sechs Spieltagen. Und auch in den beiden Verbandsligen hängen Mannschaften zwei bis drei Spiele hinterher. Es bedarf nicht viel Phantasie, dass die Kluft ohne offizielle Unterbrechung noch größer geworden wäre. Auch deshalb ist sie die einzig richtige Entscheidung. Und wann es weitergeht, ob Mitte November oder erst später, muss vom Verlauf der Infektionszahlen abhängen und nicht vom Willen getrieben sein, Amateur-Saisons auf Biegen und Brechen zu beenden. Die Verbände sollten sich schon jetzt mit Alternativ-Szenarien beschäftigen.