Rheinische Post Ratingen

Ärzte rechnen auf neuem Album mit dem Punk ab

- VON SEBASTIAN LATZEL

BERLIN Mitte der 90er-Jahre kamen die Sex Pistols auf die hirnrissig­e Idee, noch einmal auf Tour zu gehen. Schließlic­h ließ sich mitten in der Punkzeit in den 70er-Jahren kaum Geld verdienen. Das wollte die Band nachholen. Den Punks selbst gefielen die Dollarzeic­hen in den Augen ihrer einstigen Helden weniger. Beim Konzert in Ochtrup bewarfen sie die Band mit Obst und Bierflasch­en. Für sie war die Tour ein Verrat an der Punkidee.

Gut 25 Jahre später haben die Ärzte offenbar denselben Eindruck. Der Punk an sich ist tot, ist die deutliche Botschaft von „Morgens Pauken“, der Single aus dem neuen Album der Band. „Du betrügst bei Blinde Kuh, und du likest die CDU, hast ’nen Pelzmantel im Schrank – Du bist Punk!“, heißt es im Song. „Du bist Punk, alles ist Punk“, sind sich die Ärzte sicher.

Wenn heute ohnehin alles Subkultur ist und niemand mehr seine Eltern mit Musik erschrecke­n kann, ist auch Punk im Mainstream angekommen. Wer wüsste das besser als die Ärzte selbst, die als selbst ernannte „Beste Band der Welt“mit Schrammelg­itarren-Songs in den Charts landeten. Hier werden sie sich auch mit ihrem neuen Album wiederfind­en; dem ersten nach einer langen Pause.

2013 war die Band zum letzten Mal auf großer Tour. Viele dachten schon, dass sich die Combo aufgelöst habe. Vergessen waren die Ärzte nie. Inmitten der Flüchtling­sbewegung 2015 stieg der Anti-Nazi-Song „Schrei nach Liebe“ aus den 90er-Jahren auf Platz eins. Das rettete vielleicht die Band. Die nämlich lag sich nach den Riesentour­en in den Haaren. Erst der Song „Schrei nach Liebe“habe sie 2016 wieder gemeinsam auf die Bühne gebracht, berichtete die Band kürzlich in einem Interview. Insofern ist das neue Album „Hell“schon fast ein Comeback. Ein Comeback, bei dem sich die Ärzte-Fans bestens versorgt fühlen dürfen. Es gibt die Schrammelg­itarren, harte Rockriffs, Streicherr­omantik und mit „Woodburger“ein klares Statement gegen

Rechtspopu­listen. Vor allem der AfD dürfte der Song übel aufstoßen. Mit „Das letzte Lied des Sommers“ist auch ein Gute-Laune-Lied für alle Fans von „Westerland“dabei.

Vor allem bei „True Romance“ist der Spaß mit Händen zu greifen, den die Band gehabt haben muss, als die Musiker Reime auf „Alexa“suchten. So viel Spaß überträgt sich auf andere. Der Video-Zusammensc­hnitt „We Are The Romance“vereint die Toten Hosen, Fettes Brot und Kraftklub mit H.P. Baxxter und Roland Kaiser. Wenn das kein Punk ist.

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FOTO: DPA Die Ärzte sind mit ihrem neuen Album „Hell“zurück.

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