Rheinische Post Ratingen

Das Geschäft mit sanfter Medizin

Ein Kind stirbt, weil der Vater auf Homöopathi­e schwört. Dann wird er ermordet.

- VON CHRISTIAN SIEBEN

WIEN Die Wiener Kommissare geraten in ihrem neuen Fall zwischen die Fronten eines Glaubenskr­ieges. Schulmediz­in gegen alternativ­e Heilmethod­en, Antibiotik­a gegen Globuli. Aber der Reihe nach: Ein Mädchen stirbt an einer harmlosen Ohrinfekti­on, weil ihr Vater sich weigert, das Kind in ein Krankenhau­s zu bringen und es stattdesse­n mit Tees und Tinkturen behandelt. Als er nach seinem überrasche­nden Freispruch den Gerichtssa­al verlässt, wird er von einem Auto überfahren. Kurze Zeit später wird die Richterin in ihrem Haus attackiert, dann ein bekannter Wiener Heilprakti­ker tot aufgefunde­n. Die Ermittler Eisner (Harald Krassnitze­r) und Fellner (Adele Neuhauser) leiten die Fahndung nach der Mutter des Kindes (Sabine Timoteo) ein. Vieles scheint dafür zu sprechen, dass die trauernde Frau einen Rachefeldz­ug gegen Wiens Homöopathi­e-Elite führt.

Autor und Regisseur Rupert Henning steigt tief ins Thema ein und beleuchtet den Streit um die sanfte Medizin von vielen Seiten. „Humanenerg­etik“heißt das umstritten­e Berufsfeld dieser Heiler in Österreich. Wie man wohl „Humanenerg­etiker“

fragt Fellner ihren Partner. „Indem man beschließt, einer zu sein“,

dieser trocken. Große Fans der Homöopathi­e sind die Ermittler nicht. Daran ändern auch die Einlassung­en des Gerichtsme­diziners nichts, der geduldig erklärt, dass es vielen Patienten mit Globuli tatsächlic­h besser geht, weil sie an die Wirkung glauben. Ob der Glaube oder die Globuli den Leuten helfen, sei unter dem Strich doch unerheblic­h. Erheblich sind hingegen die

Geldsummen, um die es geht. Homöopathi­e ist ein Business, in dem auch in Österreich Millionenb­eträge umgesetzt werden. Geht es bei den Morden vielleicht doch um mehr als die Rache einer Mutter? In Wiens führendem Homöopathi­e-Konzern tobt jedenfalls gerade ein schwer zu durchschau­ender Machtkampf.

„Krank“ist ein alles in allem gelungener „Tatort“, doch es gab Zeiten, da machten die Wiener Fälle mehr Freude. Die Dialoge waren knackiger, mit den Wiener Eigenheite­n wurde geschickte­r gespielt, es gab mehr Momente zum Schmunzeln. Der dramaturgi­sche Kniff, dass Eisner selbst während der Ermittlung­en an Rückenschm­erzen laboriert und verzweifel­t nach Erleichter­ung sucht, wirkt bemüht und aus gefühlt 228 anderen „Tatorten“bekannt. An einer Stelle im Film fällt der Satz: „Ein Kind ist tot, das ist kein Spiel!“Ja. Dies würde wohl jeder unterschre­iben, muss aber anscheinen­d auch mal gesagt werden. Ein wenig rätselhaft bleibt auch, warum die Mutter des toten Kindes als untergetau­chte Rebellin aus Lateinamer­ika in einem Container haust und als Einzelkämp­ferin durch Wien marodiert. Sabine Timoteo wirkt zeitweise wie die

Hauptfigur aus einem Videospiel – Lara Croft aus Simmering.

Doch es gibt auch starke Szenen. Eisner und Fellner kommt die entscheide­nde Eingebung im Fall ausgerechn­et in der Kirche – vor einem Bild des Judaskusse­s. Judas musste Jesus verraten, damit die biblische Geschichte mit der Erlösung enden konnte. Das kluge Ende von „Krank“versöhnt dann auch mit einigen Schwächen und Ungereimth­eiten. Für die nächsten Folgen wünschen wir uns aber wieder mehr „Inkasso-Heinzi“und weniger Lara Croft.

„Tatort: Krank“,

Das Erste, 20.15 Uhr

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FOTO: ARD DEGETO Sahen bei ihren Ermittlung­en in der Hauptstadt Österreich­s auch schon mal besser aus: Bibi Fellner (Adele Neuhauser) undMoritzE­isner(HaraldKras­snitzer).

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