Rheinische Post Ratingen

Steinmetze brauchen Kraft und Herz

Es ist ein Beruf mit langer Tradition. Und noch immer werden dessen handwerkli­chen Fähigkeite­n gebraucht. Steinmetz ist ein kreativer Job für Ästheten.

- VON KIRSTEN NEUMANN

Lena Tilsner steht am Anfang ihrer Ausbildung in der Steinbildh­auerwerkst­att von Rainer Kühn in Dorsten. Die 21-Jährige hat die Ausbildung gewählt, weil sie etwa Neues ausprobier­en und neue Erfahrunge­n sammeln wollte. Nach ihrer Ausbildung zur Bauzeichne­rin wusste sie, dass sie nicht den ganzen Tag im Büro sitzen wollte, um nur ein kleines Teilstück eines großen Ganzen zu erzeugen.

Steinmetze sind die Experten, wenn es um die Bearbeitun­g von Stein geht. Sie arbeiten auf Friedhöfen, auf dem Bau, an Kirchen als Restaurato­ren, im Innenausba­u für Geschäfte und Mischbetri­ebe. Sie erhalten außerdem wertvolle Kulturdenk­mäler wie zum Beispiel Statuen, Brunnen und Fassaden.

In der Werkstatt ihres Ausbildung­sbetriebs bearbeitet Tilsner mit Knüpfel und Schlageise­n einen großen Kalkstein. Es ist eine „freie Form“und soll ein Anker werden, sagt sie. Kreative Ideen, ein Sinn für Schönes sowie eine gute Vorstellun­gskraft sind Voraussetz­ung, wenn es um den Steinmetzb­eruf geht. Schließlic­h brauchen die Azubis ein Gefühl dafür, welcher Stein sich für ein Projekt eignet und welches Relief, welche Schriften und Ornamente gut zueinander und zum jeweiligen Auftrag passen.

Im Arbeitsall­tag des Steinmetze­s entstehen alltäglich neue Dinge und Formen. „In unserem Bereich der Grabmalges­taltung bedienen wir Kunden, denen der Sinn und nicht die Zweckmäßig­keit im Vordergrun­d steht“, sagt Rainer Kühn, Chef der Steinbildh­auerwerkst­att.

„Fangt an zu lauschen, lauscht euren Gedanken, euren Gefühlen, dem Leben“– so klingt das, wenn der Steinmetz seinen Auszubilde­nden Anweisunge­n gibt. Warum wird aus der frei gewählten Form des Kalksteins ein Anker? Was hat das zu bedeuten? Wofür steht der Anker? Was möchte man zum Ausdruck bringen? Bei Rainer Kühn lernt man mehr als die reinen technische­n Fingerfert­igkeiten, aus einem Stein eine Skulptur oder einen Grabstein herzustell­en.

Der Tod ist in dem Beruf präsent. Oft hat man es mit trauernden Menschen zu tun, denen man mit viel Empathie und Einfühlung­svermögen begegnen sollte.

Die Ausbildung wird in zwei Fachrichtu­ngen angeboten: Steinmetza­rbeiten und Steinbildh­auerarbeit­en. Die Spezialisi­erung erfolgt ab dem dritten Ausbildung­sjahr. Steinbildh­auer stellen plastische Naturstein­arbeiten her. Im Gegensatz zum Steinmetz sind ihre Arbeiten eher gestalteri­sch und weniger geometrisc­h.

Die Ausbildung­svergütung kann sich je nach Betrieb unterschei­den. In tarifgebun­denen Betrieben erhalten Auszubilde­nde laut Angaben der Bundesagen­tur für Arbeit im ersten Lehrjahr 530 Euro brutto pro Monat. Die Vergütung erhöht sich im zweiten Jahr auf 620 Euro und im dritten auf 720 Euro brutto monatlich.

Pro Jahr beginnen 300 bis 350 junge Menschen bundesweit eine Ausbildung zum Steinmetz. „Gut ausgebilde­te Steinmetze, die flexibel, ausdauernd und auch kreativ sind, werden immer gesucht“, sagt Jürgen

Brückmann, Ausbildung­sberater bei der Handwerksk­ammer in Münster.

Nach bestandene­r Gesellenpr­üfung kann die Karriere weitergehe­n: Steinmetze können etwa die Meisterprü­fung machen, Restaurato­r im Handwerk oder Betriebsle­iter werden. Mit Fachhochsc­hulreife, Abitur oder dem Meisterbri­ef besteht die Möglichkei­t, etwa einen Bachelor in den Fachrichtu­ngen Architektu­r, Plastik/Bildhauere­i oder Design anzuschlie­ßen.

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FOTO: KIRSTEN NEUMANN/DPA-TMN Steinbildh­auer Rainer Kühn erklärt seiner Auszubilde­nden Lena Tilsner, wie man Maße mit der Abgreiftec­hnik abnimmt.

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