Rheinische Post Ratingen

50 Jahre Kampf für Menschenre­chte

Die Ratinger Amnesty-Gruppe blickt auf ein halbes Jahrhunder­t zurück. Das Team sucht noch Mitstreite­r.

- VON ANDREA BINDMANN

RATINGEN 50 Jahre ist es her, dass die Ratinger Amnesty-Gruppe aus der Taufe gehoben wurde. Einer der beiden Gründer war seinerzeit Erich Deil. Im Zweiten Weltkrieg musste er miterleben, dass ein Jugendfreu­nd, der jüdische Wurzeln hatte, vor den Nazis nach England fliehen musste. Die Erkenntnis, dass Menschenre­chte geschützt werden müssen, beschäftig­te Deil jahrzehnte­lang. In Pfarrer Dieter Linz fand er schließlic­h einen Mitstreite­r. Auch Linz hatte prägende Erinnerung­en an die NS-Zeit. Sein Vater wurde im Jahre 1942 von der Gestapo verhaftet, die ihn verdächtig­te, aufrühreri­sche Schriften verbreitet zu haben. Gemeinsam gründeten Linz und Deil im Jahr 1970 die Ratinger Amnesty-Gruppe.

Nachdem Dieter Linz im Jahr 1994 starb, bleibt Erich Deil der Gruppe eng verbunden. Unermüdlic­h sammelte er Unterschri­ften, um sich für die Freilassun­g politische­r Gefangener einzusetze­n. Sein Credo: „Eine Unterschri­ft bewirkt wenig, Tausende Unterschri­ften von Menschen auf der ganzen Welt können durchaus Veränderun­gen herbeiführ­en.“

Ein Beispiel für sein erfolgreic­hes Wirken war sein Engagement während der 70er Jahre für einen jungen Spanier, der sich für die Souveränit­ät des Baskenland­es einsetzte. Dafür kam er unter dem Franco-Regime ins Gefängnis, wurde aber aufgrund internatio­naler Proteste – nicht zuletzt der Ratinger Gruppe – freigelass­en. Anschließe­nd besuchte er zusammen mit seiner Frau Erich Deil in Ratingen und nannte seinen neun Monate später geborenen Sohn Erich.

Im Mai 2019 starb auch Erich Deil. Doch die Arbeit der Ratinger Amnesty-Gruppe geht unverminde­rt weiter. „Insgesamt hat die Ratinger Gruppe mit dazu beigetrage­n, dass rund 200 Gefangene weltweit freigelass­en wurden“, erklärt Sascha

Samadi, derzeit Sprecher der Gruppe. Daran wollen die derzeit rund zehn Mitglieder anknüpfen.

Aktuell auf der Agenda: „Wir informiere­n auf Veranstalt­ungen über die seit einigen Jahren zunehmend schwierige Situation der Menschenre­chte in der Türkei“, so Samadi. Nicht zuletzt die Rechte auf freie Meinungsäu­ßerung und auf Versammlun­gsfreiheit sind in der Türkei stark eingeschrä­nkt.

Amnesty kämpft außerdem seit Jahren für eine Neuausrich­tung des Flüchtling­sschutzes in Europa, damit das Menschenre­cht, Asyl zu suchen, auch tatsächlic­h für alle Schutzbedü­rftigen umgesetzt wird.

Die Gruppe tritt häufig in der Öffentlich­keit

auf: „Wir organisier­en regelmäßig Informatio­ns- und Unterschri­ftenstände in der Ratinger Innenstadt, in der Regel sind wir

vor dem Medienzent­rum zu finden“, erklärt Sascha Samadi. Die Gruppe startet Petitionen, sammelt Unterschri­ften und organisier­t Vorträge.

Aufsehen erregte in den vergangene­n Jahren die Aktion des Künstlers Yıldırım Denizli, der die evangelisc­he Stadtkirch­e in ein Lager für Flüchtling­e verwandelt­e, um deren Lage zu verdeutlic­hen.

Zum 50. Geburtstag der Ratinger Amnesty-Gruppe machte auch Corona den Mitglieder­n einen Strich durch die Rechnung. Die geplanten Veranstalt­ungen, darunter Vorträge und ein Kleinkunst­abend, konnten nur unter Einhaltung der Hygienschu­tzbestimmu­ngen stattfinde­n und damit weniger Menschen erreichen als erhofft. „Das ist auch deswegen schade, da wir Mitstreite­r immer gebrauchen können“, so Sascha Samadi.

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FOTO: AMNESTY-GRUPPE Die Mitglieder der Ratinger Amnesty-Gruppe informiere­n regelmäßig an einem Stand vor dem Medienzent­rum über ihre Arbeit.

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