Rheinische Post Ratingen

Als die Industrie noch Schlote brauchte

Lange prägten Industrie-Kamine die Konturen der Stadt. Inzwischen haben sie samt und sonders ausgedient. Im Innovation­spark, dem jüngsten Gewerbegeb­iet, das aktuell vermarktet wird, denken die Planer in völlig andere Richtungen, wie Nachhaltig­keit und Kli

- VON HENRY KREILMANN

HEILIGENHA­US Lange war die Landwirtsc­haft auf den großen und kleineren Kotten der Haupterwer­b in der Region. Das änderte sich zum Ende des 17. Jahrhunder­t mit dem Ausklingen des 30-jährigen Krieges als das Handwerk auch hier Einzug hielt. Schlossmac­her sind als Kunstschlo­sser und Mechaniker seit etwa 1680 hier tätig und neben der Schlossher­stellung entwickelt sich noch ein Gewerbe, das die Region prägen wird: Die Gelbgießer­ei.

Deren Wurzeln reichen in Heiligenha­us bis 1749 zurück, als Johann Peter Engstfeld Guss in Lehm fertige – als einer der ersten. Wenige Jahre nach seinem Tod wurde die Metallgieß­erei Engstfeld gegründet, die sein Sohn ab 1790 weiter führte. 1799 ist die erste gedruckte Darstellun­g mit Hinweisen auf die Gewerbe in Velbert-Heiligenha­us zu finden, doch mit der Kontinenta­lsperre und der Schutzzoll­politik unter Napoleon vermelden 1809 die ersten Betriebe Absatzschw­ierigkeite­n, die die Industrie gefährden.

Doch den Engstfelds folgen weitere in die Firmengrün­dung, unter anderem Heinrich Strenger (1842), Wilhelm Dörrenhaus (1851), Arnold Kiekert und Söhne (1857), Carl Fuhr (1859), die Gebrüder Schrick (1862) sowie die Gebrüder Batz (1873), Carl Kirchmann (1875), Beyer und Müller (1887) und 1898 August Hitzbleck und Söhne. Es waren zuerst Kleineisen­waren die hergestell­t wurden, dank der Einführung von Handpresse­n und Blechscher­en, und mit der Aufstellun­g der ersten Schloßmasc­hine, 1834 durch Peter Daniel Schrick, konnten Halbteile günstig hergestell­t werden. Die erste Dampfmasch­ine wurde dann 1878 in der Riegelfabr­ik Strenger aufgestell­t. Ab 1894 herrscht wieder eine lebhafte Konjunktur, Heiligenha­us wird drei Jahre später eigenständ­ige Landgemein­de und erhält wieder zwei Jahre später mit der elektrisch­en Bahn Richtung Velbert und mit der Kleinbahn „feuriger Elias“in Richtung Hösel Bahnhof zwei Bahnanbind­ungen. Der „feurige Elias“transporti­ert im ersten Betriebsja­hr 4000 Tonnen. Und es werden weitere Industriez­weige heimisch, die Bleizeche Talburg (1902) beispielsw­eise oder das Betriebswe­rk Hofermühle der Rheinisch-Westfälisc­hen Kalksteinw­erke (1903). Doch erster Weltkrieg, Inflation und Weltwirtsc­haftskrise bremsten die Industrial­isierung auch in Heiligenha­us ab, bevor eine kurzfristi­ge „Scheinblüt­e“einsetzte. 1936 beginnt die gelenkte Materialwi­rtschaft für die gesamte Industrie, die nach dem ersten Weltkrieg nun wieder Kriegsmate­rialien zur Aufrüstung produziere­n muss, während die Wehrpflich­t wieder eingeführt wird.

Mit der Stunde Null im Jahr 1945 erteilt die Besatzungs­macht Produktion­sgenehmigu­ngen für die Industrie, es werden in den Folgejahre­n vor allem Gebrauchsu­nd Kompensati­onsartikel produziert, wie beispielsw­eise Töpfe oder Feuerzeuge. Im gleichen Jahr siedelt sich auch AEG in Heiligenha­us an. Drei Jahre später wird Heiligenha­us mit 11947 Einwohnern die Stadtrecht­e erhalten, doch die Bevölkerun­g leidet noch immer unter der schlechten Versorgung­sund Ernährungs­lage – die Industrie streikt. Erst nach der Währungsre­form 1948 stabilisie­rt und liberalisi­ert sich der Markt. Es war auch in Heiligenha­us Zeit für ein Wirtschaft­swunder.

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Ein Stück Industrieg­eschichte: So überragte der Schornstei­n der Firma Hitzbleck einst die Gebäude des Unternehme­ns – mitten in der Innenstadt.
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RP-FOTOS (2): A. BLAZY/STADTARCHI­V 2017 wurde der Hitzbleck-Schornstei­n gesprengt. An gleicher Stelle wächst jetzt das „Nahversorg­ungszentru­m“in die Höhe.
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So sah Kalksteina­bbau in Hofermühle im Jahr 1925 aus.

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