Falsche Arznei gegen Konsumdepressionen
Mit der steigenden Zahl an Corona-Infektionen wächst überall der Handlungsdruck. Seit Langem ist klar, dass im Winter die Belüftung der Klassen eine Herausforderung wird. Warum hat Schulministerin Gebauer eigentlich die Zeit nicht genutzt, um mit den für die Gebäude verantwortlichen Kommunen ein Konzept zur Belüftung und Anschaffung von Geräten auf den Weg zu bringen? Stattdessen wird über Vorquarantänen zu Weihnachten diskutiert. Lasst die Kinder in den Schulen! Gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten gehen sonst verloren.
In der Wirtschaftspolitik muss dagegen Übereifer gestoppt werden. Der Handelsverband HDE fordert, dass der Staat die Senkung der Mehrwertsteuer über das Jahresende hinaus verlängern soll. In der Tat hat der Lockdown im Frühjahr den Einzelhandel nachhaltig getroffen. Doch eine dauerhafte MehrwertsteuerSenkung ist die falsche Arznei gegen Konsumdepressionen. Zum einen, weil die Streuverluste hoch sind: Nicht nur der Jeansladen um die Ecke profitiert, sondern auch die Amazons der Welt, die ohnehin zu den Gewinnern der Pandemie gehören. Zum anderen, weil die Senkung zu gering ist, um einen Kaufrausch auszulösen, wie der Handel selbst bereits feststellen konnte. Den Kauf eines Möbelstücks haben Verbraucher vielleicht vorgezogen, doch mehr T-Shirts werden sie nicht kaufen. Der Einsatz von 20 Milliarden Euro, die dem Fiskus schon jetzt entgehen, verpufft einfach.
Darum ist die Forderung des HDE auch reichlich einfallslos. Kurzfristig wäre den Händlern viel mehr geholfen, wenn der Staat bei den Verlustvorträgen großzügiger ist und so die direkte Steuerlast der Betriebe senkt. Mittelfristig müssen Handel und Politik sich ohnehin etwas für die Innenstädte überlegen. Deren Niedergang halten auch 20 Milliarden Euro nicht auf.
BERICHT STREIT UM MEHRWERTSTEUERSENKUNG. TITELSEITE