Schon mehr als ein Hauch von Abschied
GREVENBROICH Als Schiedsrichter David Schuch mit seinem letzten Pfiff Spieler, Trainer und Betreuer in die Kabinen schickte und die wenigen Zuschauer in den kühler werdenden Oktober-Abend entließ, klang das wie ein Fanal, das voller Wehmut vom unmittelbar bevorstehenden Ende kündete. Die besondere Bedeutung dieses Augenblicks blieb keinem der Anwesenden verborgen. In seiner ruhigen, bedachten Art sprach der Holzheimer Trainer Hamid Derakhshan leise aus, was alle dachten: „Ich denke, in diesem Jahr werden wir nicht mehr ans Spielen kommen.“
Natürlich, offiziell ist die Saison wegen der mit Macht auch über Deutschland hereingebrochenen zweiten Corona-Welle nur bis Ende November ausgesetzt, doch mit Blick auf den Spielplan der Landesliga erklärte Holzheims Sportlicher Leiter Ingo Zimmermann nüchtern, was das bedeutet: „Selbst wenn wir am 1. Dezember wieder ins Training einsteigen könnten, bräuchten wir zwei Wochen der Vorbereitung. Dann hätten wir, laut Spielplan, vor der Winterpause noch ein Spiel – und zwar am 13. Dezember. Das macht irgendwie keinen Sinn.“Trotzdem steht er hinter dem von Kanzlerin Angela Merkel und ihren Ministerpräsidenten beschlossenen Shutdown. „Seien wir ehrlich. Er ist traurig, aber nötig.“
Dabei trifft der Abbruch die HSG zur absoluten Unzeit. Denn auch, wenn das Ergebnis deutlich sei, sah sich Derakhshan mit dem Auftritt gegen starke Ratinger in seiner Arbeit
bestätigt. „Ich bin zufrieden mit der Entwicklung der Mannschaft.“Was ihm fehlte, war die Durchschlagskraft im Angriff. „Die Ansätze waren während des ganzen Spiels da. Wir waren oft vor dem Tor des Gegners, aber dann fehlte der letzte Pass, die entscheidende Aktion, um wirklich gefährlich zu werden.“Ein Manko, das der Coach auch auf die angespannte personelle Situation zurückführte. „Uns fehlen im Moment sechs in der Offensive eingesetzte Spieler.“Gegen Ratingen mussten die Hausherren in Maurice
Girke (7 Treffer) nicht nur auf ihren erfolgreichsten Torjäger, sondern in Yannick Joosten auch auf einen ihrer besten Assistgeber verzichten.
Dazu bestrafte der klassenhöhere Oberligist die vor allem im Zentrum gemachten Fehler gnadenlos. Fast mühelos traf Moses Lamidi, der als Profi für Borussia Mönchengladbach, RW Oberhausen, den Karlsruher SC, FSV Frankfurt, KFC Uerdingen und Vejle BK (Dänemark) gekickt hat, auf Vorarbeit des flinken Pascal Gurk zum 1:0 (13. Minute). Nach Gurks Tor zum 2:0 (17.) bat Derakhshan Kapitän Calli Schneider, Gianluca Cammarosano, Damian Kaluza und Maurice Wiewiora zum Rapport an die Trainerbank, erinnerte sich noch einmal nachdrücklich an ihre Pflichten im Mittelfeldverbund. Prompt kam die HSG zur ersten Torchance: In der 23. Minute entschärfte Ratingens kaum geprüfter Keeper Justin Möllering einen Freistoß von Tom Nilgen.
Bis zur zweiten Holzheimer Einschusschance vergingen zehn Minuten. Zeit, die die Gäste nutzten, um durch einen strittigen Foulelfmeter
von Ali Can Ilbay und den schließlich dreimal erfolgreichen Yassin Merzagua auf 4:0 zu erhöhen. Dann erst tauchte Mohammad Hossein Ellahi wieder in günstiger Position vor dem gegnerischen Gehäuse auf, drosch die Kugel aber übers Gestänge. Kurz darauf wurden die Bemühungen des nimmermüden Außenseiters, bei dem sich Schlussmann Tobias Schriddels mit einigen spektakulären Paraden die Bestnote verdiente, indes belohnt: Der klug freigespielte Calli Schneider behielt alleine vor Möllering kühlen Kopf und verkürzte auf 1:4.
Dass Merzaguas Treffer zum 5:1 (45.) ein Foul Lamidis voranging, sorgte in der Folge ebenso wie die weiteren Tore von Merzagua (51.), Lamidi (58.) und Ilbay (70.) nicht mehr für erhöhten Pulsschlag auf und neben dem Spielfeld. Derakhshan beschäftigte bereits, wie er seine Jungs in den spiel- und trainingsfreien Wochen bis Weihnachten bei Laune zu halten gedenkt. „Vielleicht mit virtuellen Pokerabenden und solchen Sachen“, verriet er, versprach aber: „Sollte es doch noch weitergehen, werden wir bereit sein.“