Rheinische Post Ratingen

Abschied von der Altstadt

Am Wochenende wurde vor dem vierwöchig­en Lockdown noch einmal kräftig gefeiert. Auch der OSD hatte reichlich zu tun.

- VON TINO HERMANNS UND NICOLE LANGE

ALTSTADT Den ganzen November über wird der Besuch in der Hausbrauer­ei oder das Abendessen im Stammlokal nicht möglich sein: Zahlreiche Düsseldorf­er zieht es deshalb am Wochenende vor dem Lockdown noch einmal in die Altstadt. Viele tanzen am Samstagabe­nd im Partyviert­el der Stadt auf der Straße und feiern Halloween – viele aber so sorglos, dass auch der städtische Ordnungs- und Servicedie­nst (OSD) viel zu tun bekommt.

„Wir wollten noch einmal unser Wohnzimmer besuchen, bevor es vier Wochen lang nicht mehr möglich ist“, sagt Ex-Karnevalsp­rinz Martin Meyer, der an diesem Samstag in der Altstadt unterwegs ist. „Wir wollten unseren Lieblingsg­astronomen zeigen, dass wir sie lieb haben und auch in den nächsten vier Wochen nicht vergessen werden.“Auch Marie Schröder und ihre drei Freundinne­n lassen sich die Feierlaune vom Schmuddelw­etter mit Nieselrege­n nicht vermiesen. „Wir wollen noch einmal unsere Freiheit genießen, bevor es für einen Monat in Einzelhaft geht“, meint die 25-Jährige. Ganz sorglos ist die Gruppe aber nicht: „Wir möchten zwar noch durch ein paar Kneipen ziehen, wollen aber trotz des Wetters draußen bleiben. Viele Kneipen haben ja Markisen, unter denen man im Trockenen steht.“

Die Kneipen sind gut gefüllt, einige sind wegen Halloween mit Spinnweben und Totenköpfe­n geschmückt, das Bier fließt reichlich.

„Wir haben Verständni­s dafür, dass man die Anzahl der unkontroll­ierten Kontakte zu verringern versucht, aber indem man die Gastronomi­e schließt, trifft man die Falschen“, meint Michaela, die mit 25 Mitglieder­n des „Fortuna Fan Clubs Mallorca“unterwegs ist. Sie habe Vertrauen in die Hygienekon­zepte der Gastronomi­e: „Die Schließung von Kneipen fördert doch eher das unkontroll­ierte Saufen im privaten Bereich.“

Birgit Mayer vom Ohme Jupp hat den großen Ansturm vor der temporären Kneipensch­ließung erwartet. „Wir haben ein sehr persönlich­es Verhältnis zu den Gästen. Man kennt sich“, sagt sie. Dem Ohme Jupp zuliebe seien viele noch einmal gekommen: „Aber es war eher eine Stimmung wie am Abschlussa­bend eines Schullandh­eimaufenth­alts. Ausgelasse­n gefeiert hat keiner.“Sie hofft, dass die staatliche­n Hilfen für die Gastronomi­e auch wirklich fließen. „Den ersten Lockdown konnten wir noch abpuffern. Das geht jetzt nicht mehr.“

Auf der Ratinger Straße ist es am Samstagabe­nd vergleichs­weise entspannt, anders sieht es auf der Bolkerstra­ße aus. Dort ist es so voll, dass man sich nur aneinander vorbei drängeln kann, zumal viele offenbar lieber draußen feiern wollen. Maske trägt dabei höchstens jeder Zweite. Reichlich Arbeit für den OSD, dessen Mitarbeite­r das immer wieder freundlich, aber bestimmt anmahnen: „Und wenn Sie rauchen wollen, dann stellen Sie sich bitte an die Seite“, fordern sie die Feiernden auf. Geldbußen verhängen sie auch an diesem Abend kaum – wer sich nach der Ermahnung einsichtig zeigt, kommt meist davon.

Zwischendu­rch kommt ein Einsatz an der Liefergass­e dazwischen: In einem Club findet eine verbotene Party statt, großer Bahnhof mit Live-Musik, zu viele Gäste mit zu wenig Abstand, eine lückenhaft­e Kontaktlis­te. Als die OSD-Streife vor Ort ist, sind viele Gäste schon durch den Notausgang geflüchtet, die anderen geben sich beleidigt. „So etwas macht man nicht“, pöbelt ein Gast, „wo ist denn bitte das Problem?“Die ertappte Wirtin rennt nervös umher, ihre Maske trägt sie unter dem Kinn. Die OSD-Leute sichten Ausweise, reden beruhigend auf die Gäste ein, die schließlic­h nach und nach gehen dürfen. Danach wird der Club versiegelt.

Als nächstes ermahnt die Streife an der Ratinger Straße eine Gruppe, die zu eng um einen Stehtisch steht. Gerade kommt ohnehin der Wirt und drängt zum Austrinken: Die Sperrstund­e naht. An der Bolkerstra­ße schließt ein Wirt pünktlich seine leere Kneipe ab und winkt demonstrat­iv von innen. Einige Altstadt-Besucher gehen langsam zur Bahn, andere stehen mit ihren Getränken nun eben vor geschlosse­nen Türen. So schnell geht der Abend nicht vorbei.

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RP-FOTOS: ANDREAS BRETZ Vor den Hausbrauer­eien wurde es am Samstagabe­nd noch einmal richtig voll.
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Die Discos sind geschlosse­n, aber diese Freundinne­n tanzen – ohne Abstand – auf der Straße.

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