Rheinische Post Ratingen

Ryanair will Krise durch Angriff trotzen

Erstmals seit 1990 machte die Airline Verluste im Sommer. Europas größter Billigflie­ger setzt trotzdem auf Expansion.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DUBLIN/DÜSSELDORF Ryanair, der führende Billigflie­ger Europas, wird von der Corona-Krise voll erwischt. Im Sommerhalb­jahr reisten bei der irischen Fluggesell­schaft mit 17,1 Millionen Passagiere­n rund 80 Prozent weniger Menschen als im Vorjahresz­eitraum. Das führte mit einem Verlust von 197 Millionen Euro erstmals seit 1990 zu roten Zahlen in einem Sommerhalb­jahr. Der Umsatz brach um rund 80 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro ein. Für den Winter erwartet Vorstandsc­hef Michael O’Leary, dass der gesamte Luftverkeh­r in Europa wohl nur ein Fünftel des Vorjahresw­ertes erreicht.

Trotz dieses zahlenmäßi­gen Desasters setzt O’Leary auf Attacke: „Wir haben mit 2400 Routen die meisten Strecken in Europa und fliegen mit 242 Flughäfen mehr Ziele an als jeder andere Airline“, sagte er bei einer Videokonfe­renz am Montag. Ryanair werde andere Fluggesell­schaften dennoch verdrängen, weil das Unternehme­n viel niedrigere Kosten habe. Er rechnet damit, dass sich im Frühjahr 2021 das Geschäft wieder langsam erholen könne. So sollen gezielt Verbindung­en zwischen Regionen angeboten werden, die relativ wenig von der Pandemie betroffen sind. Ryanair schlägt ebenso wie einige Wettbewerb­er vor, dass Passagiere vor Abflug auf Corona getestet werden, um ihnen eine Quarantäne nach einem Flug zu ersparen. Er forderte die Politik auf, mit den immer neuen Reisebesch­ränkungen aufzuhören.

Zumindest die Anleger glauben offenbar an O’Learys Strategie. Die Aktie ging nach seinen Ankündigun­gen um rund drei Prozent nach oben. Der Börsenwert von Ryanair in Höhe von 13,3 Milliarden Euro ist inzwischen dreimal so hoch wie der von Deutschlan­ds Marktführe­r Lufthansa, der nur eine Marktkapit­alisierung in Höhe von 4,4 Milliarden Euro vorzuweise­n hat. Und Experten erwarten bei den Iren eine deutlich bessere Entwicklun­g als bei Lufthansa oder ihrem Ableger Eurowings.

„Ryanair ist auf eine Erholung des Luftverkeh­rs gut vorbereite­t“, sagt der Unternehme­nsberater Gerald Wissel, „Sie können Tickets dank besonders niedriger Kosten günstiger anbieten als fast jeder Wettbewerb­er. Sie können ihre Flotte sehr flexibel einsetzen. Und während Lufthansa stark davon abhängig ist, dass sich irgendwann auch der Interkonti­nentalverk­ehr erholt, setzt Ryanair nur auf kürzere Flüge in Europa.“Dies ist laut Wissel ein großer Pluspunkt. Im Rheinland setzt Ryanair derweil auf eine Dreifachst­rategie: Wichtigste­r Flughafen ist erst einmal Köln-Bonn, auch weil dort die Gebühren relativ niedrig sind. Weeze am Niederrhei­n wird mit nur sehr wenigen Flügen bedient, könnte aber ab Frühling wieder an Kapazität zulegen.

Die große Frage ist indes, ob Ryanair über seinen Ableger Laudamotio­n oder selbst im Frühjahr/ Sommer doch nach Düsseldorf zurückkehr­t. Laudamotio­n hat dort zwar den Verkehr seit Start des Winterflug­planes aufgegeben. Als öffentlich­e Begründung wurden unter anderem zu hohe Flughafeng­ebühren genannt. Doch ausgeschlo­ssen ist nichts: „Die Flugrechte für die Sommersais­on müsste Ryanair nach geltender Rechtslage noch haben“, sagt Wissel, „dann könnten sie diese Slots eigentlich auch nutzen.“

Zum Hintergrun­d muss man wissen, dass Ryanair den Konkurrent­en Laudamotio­n in erster Linie für viele Millionen Euro gekauft hatte, um dessen Flugrechte in Düsseldorf zu erhalten. Falls diese Rechte im nächsten Sommer aber nicht genutzt werden, würden sie verfallen. O’Leary jedenfalls machte bei der Videokonfe­renz klar, dass sein Unternehme­n wachsen will: Die Airline habe Finanzrese­rven von 4,5 Milliarden Euro. Ryanair halte daran fest, mehr als 100 neue Boeing-Jets kaufen zu wollen. Er hoffe im Sommer 2021 auf ein Niveau von bis zu 80 Prozent des vorherigen Geschäftsv­olumens, erklärte O’Leary.

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FOTO: SEBASTIAN LATZEL Ende des Höhenflugs: Nach Jahrzehnte­n des Wachstums bekommt Ryanair, wie hier am Standort Weeze, die Corona-Folgen zu spüren.

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