Rheinische Post Ratingen

US-Wissenscha­ftler weisen langfristi­ge Immunität nach

In einer großen New Yorker Studie entdeckten Forscher bei früheren Covid-19-Infizierte­n knapp ein halbes Jahr später noch erstaunlic­h viele Antikörper im Blutplasma.

- VON WOLFRAM GOERTZ

NEW YORK Neben den vielen anderen Problemen, die wir mit diesem noch längst nicht restlos verstanden­en Virus haben, erleben viele Menschen auch ein Wechselbad der Informatio­nen. Anfangs hieß es, wer einmal mit Sars-CoV-2 infiziert sei, sei langfristi­g immun. Dann meldete sich eine Studie aus England, die berichtete, dass der durch Antikörper vermittelt­e Immunschut­z doch relativ schnell sinke; schon nach kurzer Zeit seien bei einigen Probanden überhaupt keine Antikörper mehr feststellb­ar gewesen.

Nun haben US-Mediziner im Fachjourna­l „Science“eine deutlich optimistis­chere Einschätzu­ng abgegeben. Die Mehrzahl der knapp 30.000 Covid-19-Patienten, die sie untersucht­en, hatte eine „robuste Immunantwo­rt“mit sogenannte­n neutralisi­erenden Antikörper­n, die auch nach fünf Monaten noch nachweisba­r waren. Das dürfte in der aktuellen Situation für viel Hoffnung sorgen, auch bei der Entwicklun­g eines Impfstoffs. Doch was ist der Unterschie­d zwischen beiden Studien?

Beide Studien zielten, kurz gesagt, auf unterschie­dliche Antikörper. In London wurde nur ermittelt, welcher Anteil der Bevölkerun­g bereits Kontakt zum neuen Coronaviru­s hatte. Dies waren in London im Sommer immerhin 13 Prozent gewesen, was aber von einer sogenannte­n Herdenimmu­nität weit entfernt war. Die wäre sowieso nicht gelungen, denn der Londoner „Lateral flow“-Test fand eben keine Hinweise auf längere Immunität.

In New York, am berühmten Krankenhau­snetzwerk Mount Sinai Health System, wurde genauer geforscht. Dort kam ein sehr fein gestrickte­r Test nach dem sogenannte­n Elisa-Verfahren zum Einsatz: Dieser suchte punktgenau nach Antikörper­n, die gegen das Spike-Protein von Sars-CoV-2 gerichtet sind. Dieses Protein nutzt das Virus, um an fremde Zellen im Körper anzudocken und sich einzuschle­usen. Außerdem wurde der sogenannte Titer bestimmt, der ein Maß für die Menge der gebildeten Antikörper im Blut ist. Der Test sei, so teilten die Wissenscha­ftler mit, mit einer Sensitivit­ät von 92,5 Prozent und einer Spezifität von 100 Prozent sehr genau. Das Elisa-Verfahren gilt als ein modernes und automatisi­ertes System, um Antikörper-Titer zu ermitteln.

Dieser Titer ist in diesem Zusammenha­ng ein sehr wichtiger Faktor. Wie funktionie­rt das Verfahren, ihn zu bestimmen? Hierbei wird eine Blutprobe so lange verdünnt, bis man gerade noch Antiköper nachweisen kann. Diese Verdünnung­sstufe des Plasmas wird als Titer bezeichnet. Man bestimmt ihn auch, um zu prüfen, ob nach einer Impfung ein ausreichen­der Impfschutz besteht – in dem Sinne, dass der Körper eine ausreichen­de Menge an Antikörper­n gegen die Impfsubsta­nz gebildet hat. Je höher die Zahl, desto wahrschein­licher ist es, dass ausreichen­d Antikörper für einen Infektions­schutz vorhanden sind. Für eine Plasmather­apie, bei der Erkrankte mit dem Plasma von Genesenen behandelt werden, wird beispielsw­eise ein Titer von 1:320 gefordert.

Diese Grenze haben nach den New Yorker Ergebnisse­n mehr als die Hälfte der Getesteten erreicht: Bei 22,49 Prozent wurde ein Titer von 1:320, bei 31,79 Prozent ein Titer von 1:960 und bei 38,60 Prozent sogar ein Titer von 1:2880 erreicht. Da die Probanden über mehrere Monate beobachtet wurden, lässt sich sagen: Zwar sank bei vielen der Titer nach einiger Zeit ab, trotzdem könne man von einer „robusten Immunantwo­rt“sprechen, die mindestens für ein halbes Jahr gelte. Längerfris­tige Aussagen können naturgemäß noch nicht getroffen werden.

Forscher überlegen derzeit allerdings, dass ein möglicher Impfstoff gegen Sars-CoV-2 deutlich höhere Antikörper-Spiegel auslösen könne als die normale Infektion. Der Grund ist, dass die Corona-Infektion in der Regel im Nasen-Rachenraum ausgelöst wird, wo die Immunantwo­rt eher schwächer ausfällt. Der Impfstoff würde aber in den Muskel gespritzt, wo die Immunantwo­rt in der Regel viel höher ist.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Ein Schnelltes­t für den Nachweis von Covid-19-Antikörper­n.

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