Rheinische Post Ratingen

Zwischen Baum und Borke

SPD und FDP müssen zwei Rollen gleichzeit­ig spielen: Regierung und Opposition.

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Sozialdemo­krat oder Liberaler in Nordrhein-Westfalen zu sein, ist zurzeit nicht ganz einfach. Die SPD im Bund hat die Corona-Beschlüsse zum „Lockdown light“als Regierungs­partei mit ausgearbei­tet. In Nordrhein-Westfalen aber muss sie als Opposition­spartei die Schwachpun­kte dieser Maßnahmen offenlegen und eben gerade das angreifen, was sie in Berlin vertritt.

Umgekehrt verhält es sich bei der

FDP. Als Opposition­spartei im Bund greift sie die Corona-Regeln frontal an. FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte die Bürger gar auf, gegen die Verordnung­en zu klagen. In Nordrhein-Westfalen hingegen, wo die Liberalen

mitregiere­n und wo sie die in Corona-Zeiten noch wichtigere­n Schlüsselr­essorts Schule, Familie und Wirtschaft innehaben, müssen sie die Beschlüsse aus Berlin vor den Bürgern vertreten.

Das führt im Landtag zu interessan­ten Balanceakt­en. FDP-Vizeminist­erpräsiden­t und Familienmi­nister Joachim Stamp sprach jüngst von „staatspoli­tischer Verantwort­ung, um ein bundeseinh­eitliches Vorgehen zu ermögliche­n“. Eigentlich aber sehe er die Schließung von Gastronomi­e und Sport kritisch, fügte er eilig hinzu. Noch weiter ging FDP-Fraktionsc­hef Christof Rasche. In seiner Partei hielten viele das Vorgehen für überzogen und kontraprod­uktiv, bekannte der FDP-Politiker. Wer Rasches Rede im Landesparl­ament am Freitag verfolgte, konnte phasenweis­e den Eindruck gewinnen, die Opposition sei gerade am Zuge.

Zumal sich die FDP in einem weiteren Punkt mit der SPD in NRW sehr einig ist. Beide Parteien fordern mit Nachdruck, die Parlamente stärker in die Corona-Politik einzubezie­hen und die Regeln mit einer klaren zeitlichen Befristung zu versehen.

So viel Gemeinsamk­eit zwischen einer Regierungs- und einer Opposition­spartei lässt aufhorchen, eineinhalb Jahre vor der nächsten Landtagswa­hl in NRW.

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