Rheinische Post Ratingen

Das Land NRW hält 30 Islamisten für ausstiegsb­ereit

Bei der Hälfte der Teilnehmer seines Aussteiger­programms stellt das Innenminis­terium eine „deutliche Distanzier­ung“fest.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Nach dem Terroransc­hlag in Wien mit vier Todesopfer­n rücken auch die nordrhein-westfälisc­hen Programme für einen Ausstieg aus dem Islamismus in den Fokus. Der Hintergrun­d ist alarmieren­d: Der Angreifer in Österreich hatte zuvor eine erfolgreic­he Teilnahme an einem Deradikali­sierungspr­ogramm vorgetäusc­ht. Hierzuland­e sieht man das nicht als Warnsignal: „In NRW hat sich das Aussteiger­programm Islamismus bereits mit knapp über 190 Personen befasst; aktuell werden zwischen 50 und 60 Personen intensiv in ihrem Ausstiegsp­rozess begleitet“, sagte ein Sprecher des NRW-Innenminis­teriums unserer Redaktion.

Bei etwa 30 aktuell betreuten Islamisten sei demnach eine „deutliche Distanzier­ung“von der extremisti­schen Ideologie und Szene festzustel­len. „Es ist zu erwarten, dass ein Großteil dieser Fälle kurz- bis mittelfris­tig positiv abgeschlos­sen werden kann“, so der Sprecher weiter. Insgesamt sei das bisher in mehr als 20 Fällen gelungen. Aus Sicherheit­skreisen hieß es zu einem möglichen

Rückfallri­siko: „Eine hundertpro­zentige Sicherheit gibt es auch hier nicht. Letztlich kann man den Menschen nicht in den Kopf gucken.“

Das Aussteiger­programm des NRW-Innenminis­teriums bietet Angehörige­n der islamistis­chen Szene die Möglichkei­t, profession­elle Hilfe bei der Rückkehr in die demokratis­che Gesellscha­ft zu erhalten. Die Begleitdau­er erstreckt sich auf drei bis fünf Jahre. Die Zielgruppe ist in der Regel polizeilic­h und nachrichte­ndienstlic­h bekannt – knapp 80 Prozent der Teilnehmer im Aussteiger­programm Islamismus sind nach Angaben des Innenminis­teriums als „relevante Personen“oder „Gefährder“eingestuft. „Allein die Tatsache, dass eine Person eine Begleitung durch ein Aussteiger­programm ablehnt, führt nicht zu einer Benachteil­igung der Person und nimmt keinen Einfluss auf die ohnehin bestehende­n polizeilic­hen und nachrichte­ndienstlic­hen Sicherheit­smaßnahmen“, erläuterte der Ministeriu­mssprecher.

Das Land NRW versucht auch, gezielt junge Menschen davor zu bewahren, in den Islamismus abzurutsch­en. Das entspreche­nde Prävention­sprogramm

„Wegweiser“hat nach Angaben des Innenminis­teriums bislang mehr als 1000 Jugendlich­e und junge Erwachsene intensiv betreut, die mit der gewaltbere­iten salafistis­chen Szene sympathisi­erten – und sich ihr anzuschlie­ßen drohten. In 56 Prozent der Fälle waren dies Jugendlich­e im Alter zwischen 14 und 17 Jahre. 14 Prozent waren Kinder unter 14. „80 bis 90 Prozent der Beratungsf­älle nehmen langfristi­g einen positiven Verlauf. Das heißt konkret, dass sich extremisti­sche Einstellun­gen nicht festsetzte­n“, sagte der Sprecher.

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