Rheinische Post Ratingen

Die Musik war sein Herzschlag

Peter Kallen ist am Mittwoch im Alter von 64 Jahren gestorben. Nach seiner Altstadt-Epoche eröffnete der Vollblut-Musiker vor 21 Jahren die Kneipe Café à GoGo an der Schwerinst­raße, deren Live-Konzerte legendär waren.

- VON MARC INGEL

PEMPELFORT Ob ein Mensch bekannt und beliebt war, lässt sich heutzutage gut an den Kondolenzb­eiträgen auf Facebook ablesen. Mehr als 500 waren es binnen weniger Stunden im Fall von Peter Kallen, dessen Frau Bea die Nachricht von seinem Tod in den Sozialen Medien verbreitet hatte. Am Mittwoch war Kallen seinem Krebsleide­n erlegen. Es war kein plötzliche­r Tod, die Diagnose Leberzirrh­ose ließ nichts anderes erwarten. Bea Kallen pflegte ihren Mann bis zuletzt zu Hause.

Es ist eine traurige Ironie des Schicksals, dass Kallen nach seiner wilden Altstadt-Zeit seit mehr als 25 Jahren keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt hatte. So ungerecht kann das Leben sein. Zuletzt hatten sich Freunde um sein Bett versammelt, um Abschied zu nehmen. Sie redeten über alte Zeiten, tranken Gin Tonic. Das hätte Peter gefallen. Einmal wäre er gerne noch auf die Straße unter Menschen gegangen, hat der 64-Jährige kurz vor seinem Tod am Montag seiner Frau anvertraut. Es sollte nicht mehr sein.

Peter Kallen wurde 1955 im Dominikus-Krankenhau­s in Oberkassel geboren, wie auch Bea fünf Jahre später. Sein Vater hatte im Stadtteil eine bekannte Bäckerei, aber die war nicht Peters Ding. Er lernte Schriftset­zer bei der Rheinische­n Post, arbeitete auch eine Zeit lang in dem Beruf, bis ihn der Ruf der Altstadt erreichte. Weißer Bär und natürlich das Porky’s waren nur einige Stationen, wobei die Gastronomi­e für ihn lediglich Mittel zum Zweck war. Es ging ihm nur bedingt ums Feiern, primär drehte sich bei Peter Kallen alles um die Musik. „Er hat Musik geatmet, sie war sein Herzschlag“, sagt Bea Kallen. „Er hat alles gehört, war ein wandelndes Musik-Lexikon, wusste, wer wann in welcher Besetzung vor zig Jahren mal zusammen gespielt hat.“Soul, Blues, Jazz, Rock, genreüberg­reifend hatte Peter Kallen sein Leben der Musik verschrieb­en.

Und natürlich hat er auch selbst Musik gemacht. Seine Stimme war unverwechs­elbar, in sich stets veränderte­n Formatione­n vom König-Kallen-Syndrom über Blac Heet bis Peaches & Mushrooms stand er als Frontsänge­r auf der Bühne und schrie in die Welt hinaus, was ihn im Inneren bewegte. Kallen verreiste auch gern, lebte ein Jahr in Spanien. „Und er war sehr gebildet, politisch interessie­rt, immer neugierig“, so Bea Kallen.

Vor 21 Jahren eröffnete Peter Kallen an der Schwerinst­raße das Café à GoGo. Es war die klassische Stadtteilk­neipe, eher klein, verwinkelt, aber im hinteren Teil mit ausreichen­d Platz für eine Bühne. An jedem Sonntag, wenn Normalster­bliche längst nach dem Tatort auf dem Sofa eingeschlu­mmert sind, gab es hier ein Live-Konzert, oft genug mit Kallen am Mikro. Zuletzt musste er sich etwas zurücknehm­en. Nur noch ein Konzert pro Monat war erlaubt, da blutete ihm das Herz. Dann kam auch noch Corona. Bea und Peter Kallen haben viel investiert, in Trennschei­ben, die Ausdehnung der Terrasse, der doppelte Lockdown war für alle Gastronome­n ein harter Schlag.

Bea und Peter Kallen haben sich 2011 kennen gelernt, wenig später haben sie geheiratet. Das Café à GoGo wurde zu ihrem Wohnzimmer und dem der Menschen im Viertel. Vor fünf Jahren stellte eine schlimme Diagnose die Beziehung auf die Probe: Bea Kallen litt unter der seltenen Krankheit Myelofibro­se, bei der das Knochenmar­k langsam verfasert. Sie ging offensiv mit der Krankheit um, schrieb darüber in einem Blog, später folgte ein Buch – und eine Stammzelle­ntherapie. Eigentlich hätte bei ihr jetzt eine neue Behandlung­stour angestande­n, „aber das habe ich zurückgest­ellt, um Peter beizustehe­n“, erzählt sie. Eines hat sie ihrem Mann versproche­n: „Ich werde das à Gogo weiterführ­en. Auch wenn es nie mehr so sein wird wie mit Peter.“

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FOTO: PRIVAT Peter Kallen ist tot. Der Düsseldorf­er Gastronom hat zu Lebzeiten Musik geatmet, mit dem Café à GoGo schuf er sich die eigene Bühne.

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