Rheinische Post Ratingen

Corona-Patient dankt seinen Rettern

Sechs Wochen lag Wilhelm Tellmann im Koma. Sechs Wochen auf Messers Schneide. Tellmann ist der erste Ratinger Corona-Patient, der auf der Intensivst­ation beatmet werden musste. Inzwischen hat er sich erholt. Es geht ihm gut.

- VON ANDREA BINDMANN

RATINGEN Wilhelm Tellmann dreht eine Runde durch seinen Garten und lässt den Blick über die Felder schweifen, die er sein Leben lang bestellt hat. Noch vor wenigen Wochen bangten Familie und Ärzte um das Leben des 80-Jährigen. Wilhelm Tellmann ist der erste Ratinger Corona-Patient, der beatmet werden musste.

Auf dem Rückweg aus dem Österreich-Urlaub hatten die Tellmanns schon so eine Ahnung. „Ich hatte dort schon Fieber und war beim Arzt“, erinnert sich der Landwirt. Der Arzt verschrieb Tabletten, Tellmanns setzten sich ins Auto und traten den Heimweg an. Das Fieber blieb. „Drei oder vier Tage war die Lage unveränder­t“, so Tellmann. Am Abend des 14. März bemerkte das Paar schließlic­h: Geruchsund Geschmacks­nerven funktionie­rten nicht mehr. Egal, ob Kaffee oder Mandarine – nichts schmeckte mehr. Dann folgte eine denkwürdig­e Nacht. „Mein Mann hatte in den frühen Morgenstun­den akute Atemnot und 40 Grad Fieber“, erinnert sich Elfriede Tellmann. Sie rief den Notarzt. Wilhelm Tellmann kam ins Marien-Krankenhau­s. „Es war so schlimm, dass die Notärztin nicht einmal sagen konnte, ob mein Mann den Weg bis auf die Intensivst­ation überlebt.“Wilhelm Tellmann wurde sofort künstlich beatmet. Ein Status, der 38 Tage lang anhalten sollte.

„Eine furchtbare Zeit“, erinnert sich Elfriede Tellmann. „Ich durfte ja nicht zu Besuch ins Krankenhau­s kommen.“Auch bei ihr wurde Corona diagnostiz­iert. Die Ratingerin musste in Quarantäne. Was blieb, war der tägliche telefonisc­he Kontakt

mit dem Krankenhau­s. Bis heute ist sie dankbar dafür, dass sie dreimal täglich über den Zustand ihres Mannes unterricht­et wurde.

Irgendwann waren 38 lange Tage vorbei, und Wilhelm Tellmann erwachte aus dem Koma. Zunächst aber sehr schwach. „Ich konnte nichts mehr. Ich dachte, ich komme nie wieder auf die Beine“, erinnert er sich. „Um mit meiner Frau zu sprechen, musste mir jemand das Handy ans Ohr halten.“Sprechen, laufen, essen – alles musste der Ratinger neu lernen. Er wurde dabei vom Krankenhau­spersonal liebevoll und geduldig begleitet. Ein Foto seiner Familie wurde von den Mitarbeite­rn des Krankenhau­ses stets dorthin gebracht, wo Tellmann sich aufhielt. Das gab ihm Kraft.

An einen Tag erinnert er sich besonders: „Das Personal brachte mich im Rollstuhl in den Park.“Was er für einen kurzen Genesungsa­usflug hielt, war von langer Hand vorbereite­t. Im Park wartete die ganze Familie, auch seine Frau. Es war ihr 49. Hochzeitst­ag.

Schritt für Schritt erholte sich Wilhelm

Tellmann und durfte schließlic­h das Krankenhau­s verlassen. Unterstütz­t von einem Pflegedien­st ging das Training in den eigenen vier Wänden weiter. Heute kann er wieder eigenständ­ig den ersten Stock seines Hauses erreichen und Runden durch seinen Garten drehen. Nur ein Krankenbet­t im Wohnzimmer erinnert an die schwere Zeit. Er sagt: „Ich habe keine Langzeitsc­häden an Herz und Lunge zurückbeha­lten. Mir geht es gut.“

Doch Wilhelm Tellmann liegt noch etwas auf der Seele. Auch

wenn er sich an viele Stunden im Krankenhau­s nicht erinnern kann, weiß er, wie intensiv sich das Team um ihn gekümmert hat. „Dr. Markus Freistühle­r stand in Dauerkonta­kt zu meiner Hausärztin, hat sich in anderen Krankenhäu­sern schlau gemacht. Es wusste ja noch niemand, was das Virus im Körper anrichtet.“Tellmann ist dankbar für die vielen Stunden, die das Pflegepers­onal an seiner Seite stand und ihm jeden Wunsch von den Augen ablas. Dankbar für die schnelle Reaktion der Notärztin, die Hilfe des Pflegedien­stes und nicht zuletzt dafür, dass seine Familie stets an seine Kämpfernat­ur geglaubt hat. Seinen persönlich­en Dank überbringe­n kann er nicht. Das Virus hat Ratingen und das Krankenhau­s noch fest im Griff. Eines Tages, so hofft er, wird auch das möglich sein. Und ein weiterer Urlaub, um die verlorene Zeit aufzuholen.

 ?? RP-FOTO: ACHIM BLAZY ?? Wilhelm Tellmann infizierte sich im März mit dem Corona-Virus. Sechs lange Wochen lag er im Koma. Heute ist er froh, dass er – mit Ehefrau Elfriede an seiner Seite – wieder in die Zukunft blicken kann.
RP-FOTO: ACHIM BLAZY Wilhelm Tellmann infizierte sich im März mit dem Corona-Virus. Sechs lange Wochen lag er im Koma. Heute ist er froh, dass er – mit Ehefrau Elfriede an seiner Seite – wieder in die Zukunft blicken kann.

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