Thyssenkrupp streicht 11.000 Jobs
Der Stahlkonzern rutscht tiefer in die Krise. Allein in NRW sollen 3500 Stellen wegfallen. Die IG Metall ist entsetzt. Das Land bietet Hilfe an, die Linkspartei fordert die Verstaatlichung.
ESSEN Deutschlands größter Stahlhersteller rutscht immer tiefer in die Krise und weitet seinen Stellenabbau massiv aus. Nun sollen 11.000 Arbeitsplätze wegfallen, wie Thyssenkrupp mitteilte. Besonders betroffen ist Nordrhein-Westfalen: Allein hier sollen 3500 Stellen gekappt werden. „Wir befinden uns mitten im größten Restrukturierungsprozess seit Bestehen von Thyssenkrupp“, sagte Personalvorstand Oliver Burkhard. Schlimmer noch: „Betriebsbedingte Kündigungen können wir ausdrücklich nicht ausschließen.“Das ist ein Tabubruch in dem Konzern, der seit Alfried Krupp auf den partnerschaftlichen Umgang mit den Arbeitnehmern setzt.
Thyssenkrupp hatte im Mai 2019 zunächst nur den Abbau von 6000 Stellen innerhalb von drei Jahren angekündigt. Doch das reicht angesichts der Misere nicht mehr aus. Daher hat Vorstandschefin Martina Merz den Aufsichtsrat jetzt mit weiteren Sparplänen überrascht. Nun sollen insgesamt 11.000 der 104.000 Stellen wegfallen; 7000 davon in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen stehen zwei Werke vor dem Aus: Das Federn-Werk in Olpe wird geschlossen – das ist bereits vereinbart. Für das Grobblech-Werk in Duisburg-Hüttenheim rückt das Aus näher, da alle Bieter abgesprungen sind.
Die IG Metall ist entsetzt. „Konzernweite Abbauprogramme lehnen wir ab“, sagte Jürgen Kerner, Hauptkassierer der Gewerkschaft und Vize-Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp, unserer Redaktion. „Kostenreduzierungen, die sich auf Personalabbau und Mitarbeiterbeiträge konzentrieren, lehnen wir ab. Ein solches Vorgehen ist kontraproduktiv für die Motivation in den einzelnen Geschäften von Thyssenkrupp.“
Konzernchefin Martina Merz mahnte dagegen, angesichts der schweren Krise dürfe es keine Tabus und Denkverbote mehr geben. „Wir werden die Schlagzahl beim Umbau weiter erhöhen“, kündigte sie an. Thyssenkrupp hat sich bis heute von seinen Fehlinvestitionen in Brasilien nicht erholt; zudem setzt die Stahl- und Corona-Krise dem Unternehmen zu. Im Geschäftsjahr 2019/20 machte Thyssenkrupp nun einen Verlust von 5,6 Milliarden Euro, vor allem in der Stahlsparte. Zeitweise waren konzernweit 30.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Geld aus dem staatlichen Rettungsfonds hat Thyssenkrupp noch nicht in Anspruch genommen, verhandelt aber mit Bund und Land darüber. An der Börse kamen die Botschaften aus Essen schlecht an. Die Aktie gab zeitweise um fast zehn Prozent auf 4,50 Euro nach.
Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart kündigte Hilfe an: „Thyssenkrupp Steel braucht einen starken Partner und einen Innovationspfad hin zu grünem Stahl. Auf diesem Weg wird die Politik das Unternehmen wirksam unterstützen“, sagte der FDP-Politiker. Zugleich forderte er das Unternehmen auf, energischer zu handeln. „Jetzt sind unternehmerischer Mut und Weitsicht gefragt: Was sich in den vergangenen Jahren an Herausforderungen angehäuft hat, muss wirtschaftlich tragfähig und nachhaltig gelöst werden.“Die Linkspartei forderte einen raschen Staatseinstieg: „Die nordrhein-westfälische Landesverfassung würde eine Verstaatlichung erlauben. Ein staatlicher Einstieg mit einer stimmberechtigten Beteiligung wäre das Mindeste“, sagte der Vorsitzende Bernd Riexinger.