Traditionsbruch bei Thyssenkrupp
Böse Zungen buchstabierten den Namen Krupp einst so: „Kaum rentabel und praktisch pleite“. Tatsächlich zieht sich der Kampf um frisches Geld und Jobs wie ein roter Faden durch die Konzerngeschichte, Stahl ist ein konjunkturanfälliges und kapitalintensives Geschäft. Krupp-Patriarch Berthold Beitz holte erst die Banken, dann die Iraner und schließlich die Börsianer an Bord, um den chronischen Geldmangel zu beseitigen. Er konnte aber nicht mehr verhindern, dass nach der Fusion mit Thyssen größenwahnsinnige Vorstände ein Stahlwerk in den Sümpfen von Brasilien bauten und dort Milliarden Euro versenkten. Von dem Desaster hat Thyssenkrupp sich bis heute nicht erholt. Geschwächt durch den Aderlass, belastet durch Pensionsverpflichtungen, stand der Konzern schon krank da, als die Corona-Krise die globale Auto- und Stahlindustrie traf. Nun ist Thyssenkrupp auf der Intensivstation, und eine Notoperation jagt die nächste: Mit dem Verkauf der Aufzugsparte hat man sich zwar Luft verschafft. Doch anstatt in Zukunft zu investieren, muss der Konzern neue Löcher stopfen. Dass Martina Merz, die das Steuer des heruntergewirtschafteten Konzerns 2019 übernahm, nun zum Kahlschlag ausholt und betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließt, zeigt den Ernst der Lage. Das hat nicht einmal Gerhard Cromme, der Totengräber von Rheinhausen, gewagt.
Die Zerschlagung des Konzerns wäre für Nordrhein-Westfalen ein schwerer Schlag. Wenn Gewerkschaften und Merz das windig wirkende Übernahmeangebot von Liberty Steel abwenden wollen, müssen sie schnell machen. Der Staat kann und darf Thyssenkrupp nicht über einen Einstieg retten. Merz muss selbst Partner finden und den Konzern sinnvoll schrumpfen. Die Zeit für Thyssenkrupp läuft.
BERICHT THYSSENKRUPP STREICHT 11.000 STELLEN, TITELSEITE