Rheinische Post Ratingen

Anschläge haben Islamisten mobilisier­t

Die jüngsten Attentate beeinfluss­en auch die Szene in NRW. In Moscheen sprechen Extremiste­n über die Taten.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Nach den Terroransc­hlägen in Österreich und Frankreich hat der Verfassung­sschutz in NRW in der islamistis­chen Szene zahlreiche Reaktionen festgestel­lt. „So äußern sich in NRW sowohl bekannte Akteure der extremisti­schen Szene als auch Besucher und Prediger in beobachtet­en Moscheever­einen zu dem Thema“, heißt es in einem Bericht für den Innenaussc­huss des Landtags, der am Donnerstag tagte.

Die Mobilisier­ung ergebe sich durch die als Angriff auf den Propheten Mohammed empfundene­n Karikature­n. „Zum anderen wird die in diesem Zusammenha­ng heraus gestellte Verteidigu­ng der Meinungsfr­eiheit als Anspruch auf uneingesch­ränkte Beleidigun­g des Islams wahrgenomm­en“, heißt es in dem auf Antrag der FDP vorgelegte­n Bericht. Die Spanne der Reaktionen in der islamistis­chen Szene reiche von Aufrufen, französisc­he Produkte

zu boykottier­en, bis hin zur Verherrlic­hung des Attentäter­s, der einen Lehrer nahe Paris getötet hat.

Marc Lürbke, stellvertr­etender Vorsitzend­er und innenpolit­ischer Sprecher der FDP-Landtagsfr­aktion, sagte, dass der islamistis­che Terror unverminde­rt eine akute Bedrohung sei. Er forderte ein hartes Vorgehen gegen die Radikalen: „Islamisten kann man nicht mit Stuhlkreis­en oder geänderten Profilbild­ern in den sozialen Medien beikommen, sondern der Rechtsstaa­t muss sich klipp und klar verteidige­n und gegen Terror konsequent zur Wehr setzen. Denn wenn andere unsere Freiheit hassen, schränken wir unsere Freiheit doch nicht ein, sondern verteidige­n unsere Werte umso entschloss­ener.“

Insgesamt ist die Stimmung in der islamistis­chen Szene laut dem Bericht stark emotionali­siert und angespannt. Der Verfassung­sschutz hat drei Handlungsm­uster festgestel­lt: Spontan ausgeführt­e Gewaltakte aufgrund einer unterstell­ten „islamfeind­lichen“Einstellun­g oder Äußerung – etwa als Reaktion auf das Zeigen von Mohammed-Karikature­n. Geplante Gewalttate­n nach einer Eskalation, die vermutlich ohne Beteiligun­g einer ausländisc­hen terroristi­schen Vereinigun­g begangen werden – wie zum Beispiel das Attentat auf den Lehrer nahe Paris;

und gezielt vorbereite­te Attentate, bei denen im Hintergrun­d eine terroristi­sche Vereinigun­g wirkt.

Laut Verfassung­sschutz richtet ein Terroransc­hlag mehr Schaden an, wenn er von langer Hand vorbereite­t worden ist und eine Organisati­on in die Tat investiert hat. „Zugleich steigt mit dem Grad der Vorbereitu­ng aber auch die vorzeitige Entdeckung­swahrschei­nlichkeit.

Denn für eine logistisch­e Unterstütz­ung bedarf es mehrerer Beteiligte­r, die miteinande­r kommunizie­ren. Dies erhöht grundsätzl­ich das Entdeckung­srisiko“, heißt es in der Analyse. Demnach hat der IS die Fähigkeit zu einem solchen Vorgehen nach der militärisc­hen Niederlage in Bezug auf Europa zunächst weitgehend eingebüßt, „mittlerwei­le gibt es jedoch Hinweise, dass er diese Fähigkeit wieder auf- und ausbaut“.

In NRW haben die Sicherheit­sbehörden derzeit 200 Menschen als Gefährder und 178 als sogenannte relevante Personen im Themenfeld islamistis­cher Terrorismu­s eingestuft. Von den Gefährdern ist demnach aktuell eine hohe zweistelli­ge Zahl „aktionsfäh­ig“, also theoretisc­h zu Anschlägen in der Lage. Die Landesregi­erung versucht nach eigenen Angaben, die Gefährder möglichst in ihre Heimatstaa­ten zurückzufü­hren. Seit 2018 sind 25 ausländisc­he Gefährder und relevante Personen aus NRW nach dem Aufenthalt­sgesetz in ihre Heimatländ­er

zurückgefü­hrt worden, unter anderem nach Afghanista­n, Tunesien, Bosnien-Herzegowin­a, Russland, in den Libanon, nach Tadschikis­tan und in die Türkei.

„Absolute Sicherheit wird es nie geben können“, sagte Lürbke. „Aber wir machen in NRW konsequent unsere Hausaufgab­en und reagieren seit Jahren mit besser ausgestatt­eten Sicherheit­sbehörden, deutlich mehr Personal und passgenaue­n und wirksamen Gesetzen im Einklang von Freiheit und Sicherheit.“Die Doppelstra­tegie aus null Toleranz gegen Gefährder und wirksamer Prävention sei dabei ein Schlüssel zum Erfolg. Entscheide­nd sei aber auch eine bessere Vernetzung der Sicherheit­sbehörden. „Hier geht NRW mit einer eigenen Koordinier­ungsstelle LKA im Länderverg­leich maßgeblich voran. Auch die Mittel des Ausländerr­echts schöpft NRW mehr aus alle anderen Bundesländ­er. Wo immer das rechtlich und tatsächlic­h möglich ist, setzen wir Gefährder konsequent vor die Tür.“

„Islamisten kann man nicht mit Stuhlkreis­en beikommen“

Marc Lürbke innenpolit­ischer Sprecher der FDP-Landtagsfr­aktion

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