Anschläge haben Islamisten mobilisiert
Die jüngsten Attentate beeinflussen auch die Szene in NRW. In Moscheen sprechen Extremisten über die Taten.
DÜSSELDORF Nach den Terroranschlägen in Österreich und Frankreich hat der Verfassungsschutz in NRW in der islamistischen Szene zahlreiche Reaktionen festgestellt. „So äußern sich in NRW sowohl bekannte Akteure der extremistischen Szene als auch Besucher und Prediger in beobachteten Moscheevereinen zu dem Thema“, heißt es in einem Bericht für den Innenausschuss des Landtags, der am Donnerstag tagte.
Die Mobilisierung ergebe sich durch die als Angriff auf den Propheten Mohammed empfundenen Karikaturen. „Zum anderen wird die in diesem Zusammenhang heraus gestellte Verteidigung der Meinungsfreiheit als Anspruch auf uneingeschränkte Beleidigung des Islams wahrgenommen“, heißt es in dem auf Antrag der FDP vorgelegten Bericht. Die Spanne der Reaktionen in der islamistischen Szene reiche von Aufrufen, französische Produkte
zu boykottieren, bis hin zur Verherrlichung des Attentäters, der einen Lehrer nahe Paris getötet hat.
Marc Lürbke, stellvertretender Vorsitzender und innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, sagte, dass der islamistische Terror unvermindert eine akute Bedrohung sei. Er forderte ein hartes Vorgehen gegen die Radikalen: „Islamisten kann man nicht mit Stuhlkreisen oder geänderten Profilbildern in den sozialen Medien beikommen, sondern der Rechtsstaat muss sich klipp und klar verteidigen und gegen Terror konsequent zur Wehr setzen. Denn wenn andere unsere Freiheit hassen, schränken wir unsere Freiheit doch nicht ein, sondern verteidigen unsere Werte umso entschlossener.“
Insgesamt ist die Stimmung in der islamistischen Szene laut dem Bericht stark emotionalisiert und angespannt. Der Verfassungsschutz hat drei Handlungsmuster festgestellt: Spontan ausgeführte Gewaltakte aufgrund einer unterstellten „islamfeindlichen“Einstellung oder Äußerung – etwa als Reaktion auf das Zeigen von Mohammed-Karikaturen. Geplante Gewalttaten nach einer Eskalation, die vermutlich ohne Beteiligung einer ausländischen terroristischen Vereinigung begangen werden – wie zum Beispiel das Attentat auf den Lehrer nahe Paris;
und gezielt vorbereitete Attentate, bei denen im Hintergrund eine terroristische Vereinigung wirkt.
Laut Verfassungsschutz richtet ein Terroranschlag mehr Schaden an, wenn er von langer Hand vorbereitet worden ist und eine Organisation in die Tat investiert hat. „Zugleich steigt mit dem Grad der Vorbereitung aber auch die vorzeitige Entdeckungswahrscheinlichkeit.
Denn für eine logistische Unterstützung bedarf es mehrerer Beteiligter, die miteinander kommunizieren. Dies erhöht grundsätzlich das Entdeckungsrisiko“, heißt es in der Analyse. Demnach hat der IS die Fähigkeit zu einem solchen Vorgehen nach der militärischen Niederlage in Bezug auf Europa zunächst weitgehend eingebüßt, „mittlerweile gibt es jedoch Hinweise, dass er diese Fähigkeit wieder auf- und ausbaut“.
In NRW haben die Sicherheitsbehörden derzeit 200 Menschen als Gefährder und 178 als sogenannte relevante Personen im Themenfeld islamistischer Terrorismus eingestuft. Von den Gefährdern ist demnach aktuell eine hohe zweistellige Zahl „aktionsfähig“, also theoretisch zu Anschlägen in der Lage. Die Landesregierung versucht nach eigenen Angaben, die Gefährder möglichst in ihre Heimatstaaten zurückzuführen. Seit 2018 sind 25 ausländische Gefährder und relevante Personen aus NRW nach dem Aufenthaltsgesetz in ihre Heimatländer
zurückgeführt worden, unter anderem nach Afghanistan, Tunesien, Bosnien-Herzegowina, Russland, in den Libanon, nach Tadschikistan und in die Türkei.
„Absolute Sicherheit wird es nie geben können“, sagte Lürbke. „Aber wir machen in NRW konsequent unsere Hausaufgaben und reagieren seit Jahren mit besser ausgestatteten Sicherheitsbehörden, deutlich mehr Personal und passgenauen und wirksamen Gesetzen im Einklang von Freiheit und Sicherheit.“Die Doppelstrategie aus null Toleranz gegen Gefährder und wirksamer Prävention sei dabei ein Schlüssel zum Erfolg. Entscheidend sei aber auch eine bessere Vernetzung der Sicherheitsbehörden. „Hier geht NRW mit einer eigenen Koordinierungsstelle LKA im Ländervergleich maßgeblich voran. Auch die Mittel des Ausländerrechts schöpft NRW mehr aus alle anderen Bundesländer. Wo immer das rechtlich und tatsächlich möglich ist, setzen wir Gefährder konsequent vor die Tür.“
„Islamisten kann man nicht mit Stuhlkreisen beikommen“
Marc Lürbke innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion