Rheinische Post Ratingen

Pf leger und Patienten im Corona-Dialog mit Merkel

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Was bedeutet Corona in der Pflege wirklich? Angst, Einsamkeit, Masken und überarbeit­etes Personal, aber auch Zusammenha­lt, Kreativitä­t und gegenseiti­ge Wertschätz­ung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) traf sich am Donnerstag virtuell mit Pflegekräf­ten und Pflegebedü­rftigen zum Bürgerdial­og.

Merkel hatte Pflegekräf­te bereits zu Beginn der Pandemie als systemrele­vant eingestuft – was ihr bei der Veranstalt­ung bestätigt wird. Pflegebedü­rftige berichten der Regierungs­chefin von ihrer Einsamkeit und Abgeschnit­tenheit während der Pandemie – und dass ihr einziger Zugang zum Leben „da draußen“die Pflegekräf­te waren. „Wir waren Prellbock für alles“, beschreibt eine Altenpfleg­erin die erste Corona-Welle und bittet um mehr Anerkennun­g.

Ein Pfleger sagt, das einstige System von Bundeswehr- und Zivildiens­t sei gar nicht verkehrt gewesen, weil über den Weg viele Leute für Pflegeberu­fe gewonnen werden konnten. Die Kanzlerin betont, sie könne sich einen Rechtsansp­ruch für junge Bürger auf ein Freiwillig­es Soziales Jahr vorstellen, um mehr Nachwuchs für die Pflege zu gewinnen. Wer es machen wolle, solle es auch machen können. Und die 66 Jahre alte Regierungs­chefin mahnt zu mehr Miteinande­r – gerade mit Blick auf die jüngere Generation. Sie rief die Jugend auf, in der Pandemie ein Herz für die zu haben, die das aufgebaut hätten, was sie heute genießen könnten – „dass wir in einem ganz guten Land leben“.

Eine Seniorin, die im Wohnheim zu Hause ist, erzählt, wie abgehängt sie sich fühlt. „Wir wollen nicht immer als Schlusslic­ht dastehen“, bemerkt sie mit Blick auf die allgemeine Debatte. „Wir gehen durch eine schwere Zeit“, bekräftigt Merkel. Wie in der Familie komme auch die Gesellscha­ft am besten durch eine solche Zeit, wenn sie zusammenha­lte. „Es liegen noch schwere Wintermona­te vor uns“, sagt die Kanzlerin. Aber die positive Nachricht sei die Aussicht auf einen Impfstoff. Man könne nur die Daumen drücken, dass die Wissenscha­ft ordentlich arbeite: „Im Frühjahr könnte man schon mehr wissen.“Darauf freue sie sich auch, erklärt daraufhin eine Rentnerin. Aber sie habe die Zeit im Frühjahr als „Gefängnis ohne Gitter“empfunden und Angst davor, dass es wieder so kommen könne. „Die Einsamkeit war das Schlimmste“, sagt sie.

Merkel betont, sie hoffe, dass der Einsatz von Schnelltes­ts mehr Sicherheit bringe und die Menschen ihre Angehörige­n wieder regelmäßig sehen könnten. Doch sie macht auch klar, dass die Pandemie einen schweren Winter bringen werde. Die Teilnehmer des Gesprächs am Donnerstag waren von Wohlfahrts­verbänden ausgewählt worden. Am Ende bleibt der Kanzlerin nur, allen Gesundheit zu wünschen. Wie es genau an Weihnachte­n weitergeht – sie kann es noch nicht sagen.

„Es fühlte sich an wie Gefängnis ohne Gitter“Bewohnerin eines Pflegeheim­s

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