Rheinische Post Ratingen

Mister Wirecard lässt Politiker abblitzen

Der inhaftiert­e Ex-Chef Markus Braun verweigert vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags jede Aussage.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Mister Wirecard schreitet zügig, begleitet von seinem Anwalt, an der wartenden Journalist­enschar vorbei in den Sitzungssa­al 2600 im Paul-Löbe-Haus des Bundestags. Die Mitglieder des Wirecard-Untersuchu­ngsausschu­sses warten schon ungeduldig – auf Markus Braun, den früheren Chef des im Sommer abgestürzt­en Zahlungsdi­enstleiste­rs, der Gegenstand des größten Betrugsfal­ls der Nachkriegs­geschichte ist.

„Markus Braun war Wirecard“, heißt es kurz vor der Anhörung des Zeugen, der seit dem Auffliegen des Skandals im Sommer inhaftiert ist. Die Abgeordnet­en wollen von ihm wissen, was er zum Verschwind­en von fast zwei Milliarden Euro aus der Wirecard-Bilanz zu sagen hat, zu möglichen Fehlern der Finanzaufs­icht und zu Verbindung­en zur Politik. Doch Braun lässt die Abgeordnet­en abblitzen: Er verliest eine Erklärung – und sagt auf alle Fragen in immer wieder neu formuliert­en Satzvarian­ten vor allem eines: nichts.

Der Österreich­er, gegen den die Münchner Staatsanwa­ltschaft wegen gewerbsmäß­igem Bandenbetr­ugs, Bilanzfäls­chung und Marktmanip­ulation ermittelt, beruft sich auf ein „umfassende­s Aussagever­weigerungs­recht“. Schon im Vorfeld hatten Brauns Anwälte versucht, diesem Auftritt die Brisanz zu nehmen. Sie hatten beantragt, den in Augsburg einsitzend­en Zeugen wegen der Corona-Krise nur per Video zu vernehmen. Der Bundesgeri­chtshof hatte aber das persönlich­e Erscheinen verlangt.

Nun sitzt Braun im schwarzen Rollkragen­pullover also leibhaftig vor den Abgeordnet­en, doch der Ertrag der Sitzung ist nicht größer, als er per Video gewesen wäre. Die Parlamenta­rier wollen ihm das nicht durchgehen lassen und beraten über ein Zwangsgeld. Als letztes Mittel könne man sogar Beugehaft beantragen, sagt FDP-Politiker Florian Toncar. Doch das sind im Verhältnis zur riesigen Dimension des Skandals und seiner Folgen

für Braun wohl ohnehin nur Peanuts. Die Abgeordnet­en wollen von Braun vor allem wissen, was er zu einem Treffen mit Finanz-Staatssekr­etär Jürg Kukies am 5. November 2019 zu sagen hat, denn dieser Tag müsste ihm eigentlich gut im Gedächtnis geblieben sein: Es war sein 50. Geburtstag.

Zu Beginn verliest Braun nur eine kurze Erklärung. Er werde sich zunächst vor der Staatsanwa­ltschaft äußern. Er habe zu „keiner Zeit Feststellu­ngen getroffen oder Hinweise darauf erhalten, dass sich Behörden, Aufsichtss­tellen oder Politiker nicht korrekt, pflichtwid­rig oder in irgendeine­r Form unlauter verhalten

hätten“. Das gelte auch für den Aufsichtsr­at und die Wirtschaft­sprüfer, die offenbar massiv getäuscht wurden. Gut möglich, dass sich Braun davon im Strafverfa­hren eine Gegenleist­ung erhofft, wenn die Betroffene­n dort aussagen. Hier und heute macht er das Gegenteil: Er schweigt zur Sache.

 ?? FOTO: FABRIZIO BENSCH/DPA ?? Der ehemalige Vorstandsv­orsitzende von Wirecard, Markus Braun, blickt im Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s in die Runde.
FOTO: FABRIZIO BENSCH/DPA Der ehemalige Vorstandsv­orsitzende von Wirecard, Markus Braun, blickt im Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s in die Runde.

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