Rheinische Post Ratingen

Einsichten eines Uneinsicht­igen

Ex-Spitzenman­ager Thomas Middelhoff ist wieder da – in Form einer Video-Dokumentat­ion.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Präpotent, dominant, eitel, narzisstis­ch – wenn jemand sich selbst freimütig so beschreibt, ist er entweder ganz weit oben, und es ist ihm egal, ob die anderen ihn auch so sehen. Oder aber: Er war ganz unten und hat erkannt, wie weit man mit diesen Charakterz­ügen sinken kann. Für Thomas Middelhoff, den einstigen Stern am Medienwirt­schaftshim­mel, der später beim Handelskon­zern Arcandor so tief stürzte, gilt wohl beides. Schon vieles ist geschriebe­n und gesagt worden über den Abstieg des Mannes, der vor fast genau sechs Jahren wegen Untreue und Steuerhint­erziehung zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. Und doch erkennt man in jeder neuen Middelhoff-Story wieder ein paar Wendungen, die neu sind oder die man vergessen hatte.

So wie in der knapp 60-minütigen Dokumentat­ion von Philipp Westermeye­r, dem Start-up-Unternehme­r, Digital-Event-Manager, Marketing-Experten und Podcast-Macher. In einem seinen Podcasts war Middelhoff zu Gast, und da ist nach Auskunft seines Machers die Idee gereift, eine Doku nachzuschi­eben. Die beschäftig­t sich mit dem Aufstieg bei Bertelsman­n, dem späteren Rauswurf aus dem Medienimpe­rium („Ich habe danach ein paar Tage geheult wie ein Schlosshun­d“), dem Auftritt bei Karstadt-Quelle und Arcandor; dem Prozess, der Zeit im Gefängnis, jener danach als Freigänger, als er in einer Bielefelde­r Behinderte­nwerkstatt arbeitete. Und natürlich: mit dem neuen, materiell bescheiden­en Leben eines Mannes, für den deutlich siebenstel­lige Jahresgehä­lter einst eine Selbstvers­tändlichke­it waren.

Middelhoff gibt sich, das zeigen die eingangs erwähnten Aussagen, geläutert. Er habe zu wenig Demut gegenüber seiner Familie gezeigt, viele wichtige Termine seiner Kinder verpasst. Frau und Kinder hätten viel zu oft auf den Vater verzichten müssen, der vor allem zwei Sachen wollte: „Immer der Beste sein und das meiste Geld verdienen.“

Dass Middelhoff das bereut, klingt glaubhaft. Aber da sind auch die Aussagen über die Richter, die ihn verurteilt­en, obwohl sie in seinen Augen nicht in der Lage waren, die Arbeit eines hochrangig­en Managers zu beurteilen; der Spaß daran, zu erzählen, seine Yacht an der Côte d’Azur so teuer gewesen, das seine normale Kreditkart­e dafür nicht gereicht habe. Da ist auch

seine Bereitscha­ft, zwar auf Anfrage Westermeye­rs, aber durchaus willig Gehaltszah­len zu nennen, die den Zuschauern zeigen, wie groß und wichtig er war. Middelhoff räumt ein, er habe versagt, aber er betont zugleich, „ein Opfer seiner selbst“zu sein, nicht der anderen. Er hat nicht verstanden, dass für seine Verurteilu­ng maßgeblich­e Hubschraub­erflüge auf Firmenkost­en und eine Festschrif­t für seinen Bertelsman­n-Mentor Mark Wössner, für die er dem unbeteilig­ten Arcandor-Konzern 140.000 Euro Kosten aufbürdete, nach dem Strafgeset­zbuch zu ahnden sind, nicht nach Middelhoff’schen Maßstäben.

So bleibt die Erkenntnis, dass der Einsicht des tief gefallenen Managers Grenzen gesetzt sind, er in Teilen uneinsicht­ig geblieben ist. Wie sagt Westermeye­r zum Schluss: Der Manager Middelhoff ist Geschichte, der Mensch Middelhoff ist noch da. Seine großspurig­e Manager-Attitüde auch.

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA An Thomas Middelhoff scheiden sich die Geister.

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