Einsichten eines Uneinsichtigen
Ex-Spitzenmanager Thomas Middelhoff ist wieder da – in Form einer Video-Dokumentation.
DÜSSELDORF Präpotent, dominant, eitel, narzisstisch – wenn jemand sich selbst freimütig so beschreibt, ist er entweder ganz weit oben, und es ist ihm egal, ob die anderen ihn auch so sehen. Oder aber: Er war ganz unten und hat erkannt, wie weit man mit diesen Charakterzügen sinken kann. Für Thomas Middelhoff, den einstigen Stern am Medienwirtschaftshimmel, der später beim Handelskonzern Arcandor so tief stürzte, gilt wohl beides. Schon vieles ist geschrieben und gesagt worden über den Abstieg des Mannes, der vor fast genau sechs Jahren wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. Und doch erkennt man in jeder neuen Middelhoff-Story wieder ein paar Wendungen, die neu sind oder die man vergessen hatte.
So wie in der knapp 60-minütigen Dokumentation von Philipp Westermeyer, dem Start-up-Unternehmer, Digital-Event-Manager, Marketing-Experten und Podcast-Macher. In einem seinen Podcasts war Middelhoff zu Gast, und da ist nach Auskunft seines Machers die Idee gereift, eine Doku nachzuschieben. Die beschäftigt sich mit dem Aufstieg bei Bertelsmann, dem späteren Rauswurf aus dem Medienimperium („Ich habe danach ein paar Tage geheult wie ein Schlosshund“), dem Auftritt bei Karstadt-Quelle und Arcandor; dem Prozess, der Zeit im Gefängnis, jener danach als Freigänger, als er in einer Bielefelder Behindertenwerkstatt arbeitete. Und natürlich: mit dem neuen, materiell bescheidenen Leben eines Mannes, für den deutlich siebenstellige Jahresgehälter einst eine Selbstverständlichkeit waren.
Middelhoff gibt sich, das zeigen die eingangs erwähnten Aussagen, geläutert. Er habe zu wenig Demut gegenüber seiner Familie gezeigt, viele wichtige Termine seiner Kinder verpasst. Frau und Kinder hätten viel zu oft auf den Vater verzichten müssen, der vor allem zwei Sachen wollte: „Immer der Beste sein und das meiste Geld verdienen.“
Dass Middelhoff das bereut, klingt glaubhaft. Aber da sind auch die Aussagen über die Richter, die ihn verurteilten, obwohl sie in seinen Augen nicht in der Lage waren, die Arbeit eines hochrangigen Managers zu beurteilen; der Spaß daran, zu erzählen, seine Yacht an der Côte d’Azur so teuer gewesen, das seine normale Kreditkarte dafür nicht gereicht habe. Da ist auch
seine Bereitschaft, zwar auf Anfrage Westermeyers, aber durchaus willig Gehaltszahlen zu nennen, die den Zuschauern zeigen, wie groß und wichtig er war. Middelhoff räumt ein, er habe versagt, aber er betont zugleich, „ein Opfer seiner selbst“zu sein, nicht der anderen. Er hat nicht verstanden, dass für seine Verurteilung maßgebliche Hubschrauberflüge auf Firmenkosten und eine Festschrift für seinen Bertelsmann-Mentor Mark Wössner, für die er dem unbeteiligten Arcandor-Konzern 140.000 Euro Kosten aufbürdete, nach dem Strafgesetzbuch zu ahnden sind, nicht nach Middelhoff’schen Maßstäben.
So bleibt die Erkenntnis, dass der Einsicht des tief gefallenen Managers Grenzen gesetzt sind, er in Teilen uneinsichtig geblieben ist. Wie sagt Westermeyer zum Schluss: Der Manager Middelhoff ist Geschichte, der Mensch Middelhoff ist noch da. Seine großspurige Manager-Attitüde auch.