Wenn die Schilddrüse die Augen nach vorne drückt
Eine Schilddrüsen-Überfunktion führt häufig zur endokrinen Orbitopathie.
Es beginnt immer langsam und schleichend: Die Augen werden größer, die Lider schwellen etwas an, der Blick wird starrer. Meist denken sich Betroffene dabei noch nichts Besonderes. Doch dann können die Veränderungen rasch – innerhalb von Wochen – voranschreiten: Die Augen treten aus der Augenhöhle hervor, sie erscheinen wie ständig weit aufgerissen, bisweilen ist sogar das Weiße oberhalb der Hornhaut zu sehen, die Lider schließen nachts nicht vollständig, die Bindehaut wird stark gerötet und geschwollen, auch die Lider schwellen an. Trockenheitserscheinungen wie Reiben und Brennen werden bemerkt, die Sehschärfe verschlechtert sich, beim Blick nach oben treten Doppelbilder auf.
Dann diagnostizieren Ärzte häufig eine endokrine Orbitopathie – eine Erkrankung der Augenhöhle. Sie tritt in der Regel nach oder zeitgleich mit einer Schilddrüsen-Überfunktion (Hyperthyreose) auf, selten auch bei einer Schilddrüsen-Unterfunktion. Meist stellen Betroffene am Anfang nicht das gesamte Spektrum, sondern nur einige der Symptome fest, wie die Vergrößerung der Lidspalte mit Trockenheitserscheinungen und mit Lidschwellungen. In 15 Prozent tritt die endokrine Orbitopathie auch einseitig oder zumindest einseitig betont auf. Schon der Arzt Carl von Basedow hat im Jahre 1840 den Zusammenhang zwischen den vergrößerten Augen und der Schilddrüsenüberfunktion als Merseburger Trias beschrieben: Schilddrüsenvergrößerung, Hervortreten der Augen und beschleunigter Herzschlag. Erst in den vergangenen 50 Jahren haben Fachleute die gemeinsame Ursache der Symptome erkannt: eine Entzündung, bei der der Körper eigenes Gewebe ohne äußere Ursache angreift. Es handelt sich also um eine Autoimmunerkrankung, ähnlich wie bei einer rheumatischen Entzündung.
Im Vordergrund der Therapie steht deshalb die Regulierung der Schilddrüsen-Fehlfunktion – zunächst durch Medikamente und vielfach auch durch eine Schilddrüsenoperation oder eine Radio-Jod-Therapie. Wenn sich die Symptome dann aber nicht bessern, empfehlen Fachärzte parallel eine antientzündliche Therapie: Eine sechswöchige Behandlung mit Cortison-Kurzinfusionen ist die wirksamste Therapie, die alternativ auch mit Cortison-Tabletten möglich ist.
Bei Störungen der Augenbeweglichkeit, die zum Doppeltsehen führen, ist eine gezielte Bestrahlung der Augenhöhle erfolgversprechend. Weitere Maßnahmen führt der Augenarzt durch: Gabe von Tränenersatzmitteln bei Trockenheit, Verordnung von Prismen bei Doppelbildern, Injektion von Botulinumtoxin A in die Lider bei sehr stark aufgerissenen Augen und bei nachts unvollständig geschlossenen Lidern. Wenn der akute Entzündungsschub in einigen Monaten – teilweise auch erst nach ein bis zwei Jahren – abgeklungen ist, bleiben häufig Dauerfolgen, die Fachärzte dann gezielt behandeln können: Das Hervortreten der Augen (Exophthalmus) kann durch eine Entlastungs-Operation gebessert, Doppelbilder durch eine Augenoperation beseitigt, Fehlstellungen oder massive Fetteinlagerungen der Lider durch Lid-Chirurgie verbessert werden.
Der Augenarzt verfügt hierbei über eine große Palette verschiedener operativer Möglichkeiten. Voraussetzung ist aber stets, dass die Schilddrüsenfehlfunktion gut eingestellt ist und die Entzündung abgeklungen ist oder zumindest nicht weiter fortschreitet.
In seltenen Fällen – etwa zwei Prozent – kann es zu einem derartig schwerwiegenden Verlauf kommen, dass die massive Verdickung der Augenmuskeln und des Fettgewebes innerhalb der Augenhöhle den Sehnerv in „die Zange nimmt“. Diese Druckschädigung kann zu einer möglicherweise nicht reparablen Sehminderung führen. In dieser Notfallsituation ist ein relativ rasches operatives Eingreifen erforderlich.
Wie dringlich ist die Behandlung einer endokrinen Orbitopathie?
PROF. DR. JOACHIM ESSER Bei der Behandlung von Augenveränderungen handelt es sich um einen Wettlauf gegen die Zeit: Je früher man die Entzündung stoppen kann, desto besser ist die Chance, dass sich die Veränderungen wieder zurückbilden. Dies klappt aber meist nur, wenn es gleichzeitig zu einer Normalisierung der Schilddrüsen-Überfunktion kommt. Zunächst wird man immer versuchen, dies durch Medikamente zu erreichen. Sollte dies nicht gelingen, sind eine Operation oder eine Radio-Jod-Ttherapie sinnvoll.
Wie gut sind die Chancen einer Wiederherstellung?
ESSER Am besten sind die Chancen durch die antientzündliche Behandlung (Cortison) bei Schwellungen und Rötungen von Lidern und Bindehaut; ebenso bei weit aufgerissenen Augen. Die Bestrahlung der Augenhöhle ist nur bei Bewegungseinschränkungen der Augen hilfreich und kann Doppelbilder vermindern. Das Hervortreten der Augen aus der Augenhöhle hat leider eine etwas schlechtere Prognose. Hat sich die Situation aber stabilisiert, bieten operative Möglichkeiten eine sehr gute Chance einer Wiederherstellung.
Welche Leistungen bietet die Praxis Laube an?
ESSER Wiederherstellende Lid-Chirurgie und auch Augenmuskel-Operationen können meist ambulant durchgeführt werden. Eingriffe zur Rückverlagerung der Augäpfel in die Augenhöhle erfordern einen stationären Aufenthalt: Sie werden in der Regel von HNO-Ärzten oder von Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen durchgeführt. So können die Augen um mehrere Millimeter zurückverlagert und Asymmetrien beseitigt werden.
Zentrum für Augenheilkunde Prof. Dr. Thomas Laube und Kollegen, Schadowstraße 80, 40212 Düsseldorf,
Telefon 0211 177230