Rheinische Post Ratingen

Mehr Mut zur Farbe

Graffiti können ganze Stadtteile aufwerten. Es müssten nur Flächen freigegebe­n werden. Gefragt sind Stadt wie Privatleut­e.

- VON NICOLE KAMPE

DÜSSELDORF Es gibt Orte in Düsseldorf, die sind dunkel, trist und grau. Meist Unterführu­ngen und Tunnel, aber auch Fassaden und Baustellen­zäune, die dringend ein bisschen Farbe vertragen könnten. Das ist Streetart, wie die Kunstform neudeutsch heißt, die in Zeiten von Corona und Abstand beliebter denn je ist. Ein schöner Zeitvertre­ib, wo Sport wegfällt, Kultur, Gastronomi­e, eigentlich alles, was Spaß macht.

„Wir haben tatsächlic­h mehr Dosen verkauft“, sagt Patrick van den Heuvel, der in einem Hinterhof an der Ackerstraß­e vor 20 Jahren Supreme Graffiti eröffnet hat, einen Laden, in dem es Sprühdosen zu kaufen gibt. Van den Heuvel sprayt selbst seit 25 Jahren, und er ist überzeugt, „dass mehr Flächen für diese Subkultur geschaffen werden sollten“. Aber er weiß auch: „Wenn es mehr legale Flächen gibt, heißt das noch lange nicht, dass die illegalen Graffiti weniger werden.“

Und da ist wohl auch der Knackpunkt: Denn gerade die Schmierere­ien machen es den ehrlichen, den guten Künstlern wohl so schwer, legale Flächen zu bekommen. Nach wie vor gibt es die Debatte, ob Graffiti nun wirklich Kunst sind oder nicht. Wenn aber Mauern und Wände bereitgest­ellt werden, dann kommen sie auch, die Sprayer, die guten, die talentiert­en, die, die Kunst machen wollen. Das haben wir zuletzt im Sonnenpark gesehen, wo gerade bei gutem Wetter die Farbe manchmal kaum trocken war, als schon der nächste sein Motiv sprühte.

Der Verein Verbunt fordert schon lange mehr Halls of Fame, bisher gibt es die nur an der Vennhauser Allee in Eller – eine zugige Unterführu­ng. Da ist die Lage im Sonnenpark schon schöner. Es müssen auch nicht immer wechselnde Motive sein, „man könnte Flächen auch einmalig freigeben“, sagt van den Heuvel, zum Beispiel Bauzäune. Zwischen Kö-Bogen I und II steht aktuell einer aus Holz, der schon mit hässlichen Schriftzüg­en bemalt wurde. Eine so prominente Stelle würde sicher unzählige gute Künstler anziehen, wenn denn das Sprayen erlaubt würde. Eine ähnliche Aktion hat es schon an der Gerresheim­er Glashütte gegeben, wo sogar ein Wettbewerb gestartet wurde. „Oft verhindern legale Graffiti, dass illegale gesprüht werden“, sagt van den Heuvel, der sich wünscht, dass auch mehr Privatleut­e Flächen bereitstel­len.

Ein Vorreiter in Sachen Wandgestal­tung ist Klaus Klinger von Farbfieber, der Dutzende Fassaden bemalt hat. Eines der bekanntest­en Werke ist „Das Tor zu Flingern“an der Ackerstraß­e. Aber auch in Bilk hat sich Klinger gemeinsam mit anderen Künstlern ausleben können, und die Bilder sind immer wieder einen Stopp wert. Selbst Werber machen sich die Methode inzwischen zu eigen, ganz aktuell zu sehen an der Ellerstraß­e. Das ist zwar umstritten, aber gut aussehen tut es, zumindest besser als die karge Fassade vorher.

Graffiti können sogar helfen,

S-Bahnstatio­nen aufzuwerte­n. Im Sommer 2020 hatte Tubuku den Tunnel an der Haltestell­e Eller-Süd bemalt, ausschließ­lich Motive mit Bezug auf den Stadtteil gewählt. In den letzten Jahren bekam die Station beim Test des Verkehrsve­rbunds Rhein-Ruhr durchweg schlechte Noten, vor allem bemängelte­n die Kontrolleu­re die Schmierere­ien. In diesem Jahr aber gab es ein „ordentlich“für die Haltestell­e, sicher liegt das auch am Erscheinun­gsbild des Tunnels. Vor Kurzem hat Verbunt nachgezoge­n und die Unterführu­ng am Bahnhof in Oberbilk bemalt. Der Bürgervere­in im Stadtteil ist hellauf begeistert.

Dass es immer noch unzählige Problemste­llen gibt in Düsseldorf, müsste nicht sein. Der Paulsmühle­ntunnel am Benrather S-Bahnhof gehört dazu, die Unterführu­ng am S-Bahnhof Rath könnte ganz dringend Farbe vertragen, der Fußgängert­unnel unter der Grafenberg­er Allee am Staufenpla­tz gehört ebenfalls in die Liste unansehnli­cher Orte. Die meisten der genannten Flächen sind im Besitz der Deutschen Bahn oder der Stadt, die bisher eher vorsichtig waren im Umgang mit öffentlich­er Kunst. Dabei könnte es so einfach sein, „eine Win-win-Situation“, findet Patrick van den Heuvel, der anregt, dass die Stadt Kurator sein und Flächen ausschreib­en könnte. „Wenn wir freie Hand haben, sind wir auch bereit, allein für die Kunst zu arbeiten“, sagt van den Heuvel. Eine schöne Idee, und solange alle Regeln eingehalte­n werden, sollte die Stadt über die Idee nachdenken.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Die Wände der Unterführu­ng in Oberbilk wurden mit Graffiti gestaltet. Zu lesen ist unter anderem der Schriftzug Düsseldorf.

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