Rheinische Post Ratingen

Wohnraum knapp – Gewerbe steht leer

Kann die Stadt Büros in Wohnraum verwandeln? Eine Umnutzung ist grundsätzl­ich möglich, aber nicht überall.

- VON ANDREA BINDMANN

RATINGEN Wer auf der Internetse­ite der Ratinger Wirtschaft­sförderung stöbert, findet rund 50.000 Quadratmet­er Bürofläche in Preiskateg­orien von 5,50 Euro bis 12,80 Euro pro Quadratmet­er verteilt über alle Stadtteile, für die Mieter gesucht werden. Demgegenüb­er sind viele Bürger auf der Suche nach Wohnraum, der nicht das monatliche Budget sprengt.

Ein weiterer Aspekt taucht bereits am Horizont auf. Bedingt durch die Corona-Pandemie arbeiten mehr und mehr Mitarbeite­r im Homeoffice und nutzen ihre Büros nicht. Bei einigen Unternehme­n setzt bereits ein Umdenken ein. Sie fragen sich: Müssen wir in Zukunft überhaupt noch eine so große Quadratmet­erzahl für die Mitarbeite­r vorhalten oder können die Räumlichke­iten verkleiner­t werden, wenn ein flexibles Nutzungsmo­dell (zwei Tage Homeoffice, drei Tage Präsenz) greift.

Corona findet bei der Wirtschaft­sförderung der Stadt Ratingen noch keinen Niederschl­ag: „Corona macht sich beim Leerstand von Büroimmobi­lien nicht so stark bemerkbar wie man denken könnte“, so die Wirtschaft­sförderung auf Nachfrage. „Wegen der meist sehr langen Mietverträ­ge ist aktuell kein signifikan­ter Leerstand zu verzeichne­n. Neuvermiet­ungen hingegen sind schwierige­r, da eine große Unsicherhe­it herrscht. Entscheidu­ngen werden vertagt und auf die Zeit nach Corona verschoben, insbesonde­re bei großen Bürofläche­n“, so die Erfahrungs­werte. „Kleine Bürofläche­n hingegen erfreuen sich einer größeren Nachfrage. Es kann heute noch keine Prognose abgegeben werden, wie viele Mitarbeite­r nach Corona im Homeoffice verbleiben und – damit verbunden – ob dauerhaft weniger Bürofläche­n genutzt oder angemietet werden.“

Das Planungsam­t hat sich bereits mit dem Thema „Wohnen in Gewerbe“beschäftig­t. „Grundsätzl­ich ist dies möglich, jedoch nicht immer und überall im Stadtgebie­t. Für die Umnutzung – also den Umbau von Nicht-Wohngebäud­en oder Gewerbeimm­obilien zu Wohnraum – gibt es bauordnung­s-, bauplanung­soder öffentlich-rechtlich ein paar Dinge, die zu beachten sind“, so das Amt.

„Wenn ein Büroraum zukünftig als Wohnung genutzt werden soll, liegt auf jeden Fall eine sogenannte Nutzungsän­derung vor, die bei der Bauordnung zu beantragen ist“, klären die Mitarbeite­r des Planungsam­tes auf. Planungsre­chtlich komme es darauf an, ob im fraglichen Gebiet eine Wohnnutzun­g überhaupt zulässig ist. Aufschluss darüber gibt das Baugesetzb­uch (Paragraf 29 folgende im Baugesetzb­uch).

„Es gibt im Planungsre­cht Bereiche, in denen Wohnen komplett ausgeschlo­ssen ist und auch nicht ausnahmswe­ise zugelassen werden kann“, so die Verwaltung. Hier sei nur über die Änderung des Ortsrechts (Bebauungsp­lan) eine Wohnnutzun­g möglich. In einem klassische Gewerbe- oder Industrieg­ebiet dürfe nur Betriebspe­rsonal wie der Hausmeiste­r wohnen.

Es gebe aber auch Mischgebie­te, in denen eine Umnutzung durchaus genehmigt werden könne – „solange das Wohnen dann nicht den gesamten Gebietstyp verändert“, so die Verwaltung. Dies passiert, wenn die Wohnnutzun­g in der Menge so dominant wird, dass die vom Gesetzgebe­r

her vorgesehen­e Ausgeglich­enheit zwischen Wohnen und Gewerbebet­rieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, nicht mehr gegeben ist. Wenn also bereits viele Wohnungen im Gebiet genehmigt wurden, könne es passieren, dass die aktuelle Umnutzung nicht mehr möglich ist.

Zusätzlich müssen zu einer Umnutzung technische Voraussetz­ung erfüllt sein. „Abgesehen von den in den Wohnbauges­etzen festgelegt­en Mindestanf­orderungen legt der Gesetzgebe­r noch weitere Bedingunge­n für die Nutzbarkei­t einer Wohnung fest. So müssen Wände, Decken und Böden ausreichen­d gegen Feuchtigke­it, Wärmeverlu­st und Lärm schützen und ordentlich verputzt, verkleidet und gestrichen sein. Auch müssen Wohngebäud­e den aktuellen Wärmeschut­zvorschrif­ten entspreche­n, die sich von Nicht-Wohngebäud­en unterschei­den“, erklärt das Planungsam­t der Stadt Ratingen.

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Erst im Jahr 2017 wurde das Bürogebäud­e in Ratingen Ost fertiggest­ellt, das die Firma SAP als Niederlass­ung nutzt. Bis heute stehen hier Bürofläche­n leer.

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