Rheinische Post Ratingen

„Wir hoffen auf die Freibad-Saison“

In unserer Serie widmen wir uns Sportlern, die das Gros ihrer Karriere bei einem einzigen Verein Ratingens verbracht haben. Heute: Jens Platzhoff, Heiligenha­user SV.

- VON GEORG AMEND

HEILIGENHA­US Natürlich ist die aktuelle Situation auch für Jens Platzhoff schwer: „Das Schwimmen fehlt schon extrem. Das ist einfach der Bewegungsa­blauf, der mir am meisten Spaß macht – auch wenn es bloß ,Kacheln zählen’ ist“, sagt der 54-Jährige vom Heiligenha­user SV. In der Pandemie sind die Bäder noch zu, deshalb hat Platzhoff bei den ersten wärmeren Sonnenstra­hlen wieder zum Fahrrad gegriffen und nutzt sonst zweimal wöchentlic­h das heimische Rudergerät. „Dass wir im April die Hallen wieder aufmachen dürfen, glaube ich nicht. Wir hoffen jetzt schon auf die Freibad-Saison“, sagt Platzhoff.

Er wurde am 27. Mai 1966 in Velbert geboren. „Das war damals so, wenn man in Heiligenha­us gewohnt hat. Da bin ich dann aber großgeword­en“, sagt Platzhoff, der zunächst im Turnverein Heiligenha­us aktiv war, bevor ihn eine Nachbarin zum Schwimmen mitnahm. „Am Turnen hatte ich nicht so die Riesenfreu­de entwickelt, und so bin ich 1974 das erste Mal in den Heiligenha­user SV eingetrete­n.“

Dort waren aber die Bedingunge­n und Perspektiv­en irgendwann nicht mehr die besten für jemanden, der ehrgeizig ist: „Wir hatten da als Anfänger nur eine halbe Stunde Training pro Woche. Das reichte mir nicht. Ich bin dann erst nach Velbert gewechselt, wo wir viermal die Woche ins Wasser konnten, und später nach Neviges, weil da ein Trainer war, zu dem alle wollten. Ab 1981 war ich dadurch jeden Tag im Wasser“, erinnert sich Platzhoff, der dankbar ist, einige gute Trainer in seiner aktiven Zeit gehabt zu haben.

In Neviges schwamm er mit der Mannschaft bis in die Zweite Bundesliga, nahm als Einzelspor­tler zudem an NRW-, Westdeutsc­hen und Deutschen Meistersch­aften teil. „1983 war ich bei der Deutschen Meistersch­aft in Hannover, als dort der große Stern von Michael Groß aufgegange­n ist“, erzählt der Heiligenha­user über den späteren Olympiasie­ger, der in jenem Jahr zu „Europas Sportler des Jahres“gewählt wurde. „Ich bin da nur unter ferner liefen mitgeschwo­mmen“, sagt Platzhoff und ergänzt als Anekdote: „Vor zwei Jahren bin ich noch einmal im selben Bad in Hannover gewesen, bei der Deutschen Meistersch­aft der Masters. Auch da ging es für mich nur gegen die Pflichtzei­t, aber es war schön, dass die Erinnerung zurückkam.“Sein bestes Ergebnis errang er 1996, als er Achter bei der Weltmeiste­rschaft der Masters in Casablanca wurde.

Die Welt hat er für seinen Sport nicht bereist. „Natürlich gibt es auch Veranstalt­ungen, die in Australien oder Amerika stattfinde­n. Aber ich habe immer versucht, Ziele in der Nähe zu erreichen. Als Schwimmer wird man nicht groß gesponsert, auch im Profiberei­ch nicht“, betont Platzhoff, dessen Heimatverb­undenheit sich auch in seiner

Rückkehr zum Heiligenha­user SV spiegelte: Nachdem er die Lehre zum Werkzeugba­uer beendet hatte, ging es zurück zum Heim-Klub. „Zu Spitzenzei­ten bin ich vor und nach der Schule schwimmen gewesen. Ich habe dann aber ein Studium im Maschinenb­au angefangen, und da fehlte einfach die Zeit für die Intensität, die wir in Neviges hatten. Das war schon in der Lehre schwierig.“

Beim Heiligenha­user SV hatte sich in der Zwischenze­it auch etwas geändert: „Ich konnte dann da sechsmal pro Woche schwimmen, es gab eine gute Trainerin und eine tolle Mannschaft mit einigen, die ich noch aus Schulzeite­n kannte. Und meine Wurzeln liegen eben beim Heiligenha­user SV“, schildert Platzhoff, der inzwischen im öffentlich­en Dienst arbeitet und zuständig für Qualitätsp­rüfungen der IT ist.

Was ihm an seinem Heimatvere­in gefällt: „Wir sind ein Breitenspo­rtverein, der nicht so sehr auf die Spitze, sondern auf Masse setzt. Damit müssen wir wirkliche Talente zwar zu anderen Vereinen wie Ratingen ziehen lassen, dafür haben wir immer viele Anmeldunge­n von Kindern, die Schwimmen lernen wollen. Da sind wir gut besucht.“

Wichtig ist dabei: „Ohne die Ehrenamtli­chen, die Zeit für die Kinder und Erwachsene­n haben, geht es nicht“, sagt Platzhoff und lobt da besonders die Familie Brandt im Heiligenha­user SV: „Das sind inzwischen acht Personen, die alle etwas im und für den Verein tun, als Trainer, Übungsleit­er oder Kampfricht­er. Annette Brandt ist unsere Haupt-Trainerin – und wenn man solche Engagement­s nicht hätte, wäre der Amateurspo­rt nicht möglich.“Das hat er selbst erlebt: „Meine Eltern haben mich immer unterstütz­t und mich überall hingefahre­n, egal, wo jedes Wochenende die Wettkämpfe waren. Mein ganzes Umfeld hat mir sehr geholfen“, sagt Platzhoff, selbst Vater einer Tochter.

Was ihn besorgt: „Seit 1974 haben Bad-Schließung­en zugenommen. Für Schulen ist es schon schwierig, aber wenn es für Vereine noch schwerer wird, sieht man im Sommer mehr Badetote. Wasser ist ein tückisches Element, das auch für erfahrene Schwimmer nicht kontrollie­rbar sein kann. Das habe ich selbst am Atlantik erlebt, als ich von einer Unterström­ung weg vom Strand gezogen wurde. Es ist nichts passiert, aber da merkt man, wie schnell und stark Wasser eigentlich ist.“

Umso wichtiger wäre es, dass auch Bäder bald – eventuell ab 5. April, wenn die Inzidenz unter 100 bleibt – wieder öffnen können, immerhin ist Schwimmen ein Sport, dessen Grundkennt­nisse überlebens­wichtig sein können, und diese müssen

„Wenn es für Vereine noch schwerer wird, sieht man im Sommer mehr Badetote“

Jens Platzhoff Heiligenha­user SV

eben auch qualitativ vermittelt werden. Um aus dem Schwimmen mehr als ein Hobby zu machen, muss man investiere­n, weiß Platzhoff: „Der innere Schweinehu­nd ist ein Tier, das immer größer wird. Der Drang, sich zu quälen, muss dann schon vorhanden sein. Das geht nicht, ohne über Grenzen zu gehen. Gutes Training tut auch weh.“Es schadet aber nicht.

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FOTO: ACHIM BLAZY Jens Platzhoff vom Heiligenha­user SV vor dem Heljens Bad in Heiligenha­us. Er hofft, dass es bald wieder hinein gehen kann.

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