„Wir hoffen auf die Freibad-Saison“
In unserer Serie widmen wir uns Sportlern, die das Gros ihrer Karriere bei einem einzigen Verein Ratingens verbracht haben. Heute: Jens Platzhoff, Heiligenhauser SV.
HEILIGENHAUS Natürlich ist die aktuelle Situation auch für Jens Platzhoff schwer: „Das Schwimmen fehlt schon extrem. Das ist einfach der Bewegungsablauf, der mir am meisten Spaß macht – auch wenn es bloß ,Kacheln zählen’ ist“, sagt der 54-Jährige vom Heiligenhauser SV. In der Pandemie sind die Bäder noch zu, deshalb hat Platzhoff bei den ersten wärmeren Sonnenstrahlen wieder zum Fahrrad gegriffen und nutzt sonst zweimal wöchentlich das heimische Rudergerät. „Dass wir im April die Hallen wieder aufmachen dürfen, glaube ich nicht. Wir hoffen jetzt schon auf die Freibad-Saison“, sagt Platzhoff.
Er wurde am 27. Mai 1966 in Velbert geboren. „Das war damals so, wenn man in Heiligenhaus gewohnt hat. Da bin ich dann aber großgeworden“, sagt Platzhoff, der zunächst im Turnverein Heiligenhaus aktiv war, bevor ihn eine Nachbarin zum Schwimmen mitnahm. „Am Turnen hatte ich nicht so die Riesenfreude entwickelt, und so bin ich 1974 das erste Mal in den Heiligenhauser SV eingetreten.“
Dort waren aber die Bedingungen und Perspektiven irgendwann nicht mehr die besten für jemanden, der ehrgeizig ist: „Wir hatten da als Anfänger nur eine halbe Stunde Training pro Woche. Das reichte mir nicht. Ich bin dann erst nach Velbert gewechselt, wo wir viermal die Woche ins Wasser konnten, und später nach Neviges, weil da ein Trainer war, zu dem alle wollten. Ab 1981 war ich dadurch jeden Tag im Wasser“, erinnert sich Platzhoff, der dankbar ist, einige gute Trainer in seiner aktiven Zeit gehabt zu haben.
In Neviges schwamm er mit der Mannschaft bis in die Zweite Bundesliga, nahm als Einzelsportler zudem an NRW-, Westdeutschen und Deutschen Meisterschaften teil. „1983 war ich bei der Deutschen Meisterschaft in Hannover, als dort der große Stern von Michael Groß aufgegangen ist“, erzählt der Heiligenhauser über den späteren Olympiasieger, der in jenem Jahr zu „Europas Sportler des Jahres“gewählt wurde. „Ich bin da nur unter ferner liefen mitgeschwommen“, sagt Platzhoff und ergänzt als Anekdote: „Vor zwei Jahren bin ich noch einmal im selben Bad in Hannover gewesen, bei der Deutschen Meisterschaft der Masters. Auch da ging es für mich nur gegen die Pflichtzeit, aber es war schön, dass die Erinnerung zurückkam.“Sein bestes Ergebnis errang er 1996, als er Achter bei der Weltmeisterschaft der Masters in Casablanca wurde.
Die Welt hat er für seinen Sport nicht bereist. „Natürlich gibt es auch Veranstaltungen, die in Australien oder Amerika stattfinden. Aber ich habe immer versucht, Ziele in der Nähe zu erreichen. Als Schwimmer wird man nicht groß gesponsert, auch im Profibereich nicht“, betont Platzhoff, dessen Heimatverbundenheit sich auch in seiner
Rückkehr zum Heiligenhauser SV spiegelte: Nachdem er die Lehre zum Werkzeugbauer beendet hatte, ging es zurück zum Heim-Klub. „Zu Spitzenzeiten bin ich vor und nach der Schule schwimmen gewesen. Ich habe dann aber ein Studium im Maschinenbau angefangen, und da fehlte einfach die Zeit für die Intensität, die wir in Neviges hatten. Das war schon in der Lehre schwierig.“
Beim Heiligenhauser SV hatte sich in der Zwischenzeit auch etwas geändert: „Ich konnte dann da sechsmal pro Woche schwimmen, es gab eine gute Trainerin und eine tolle Mannschaft mit einigen, die ich noch aus Schulzeiten kannte. Und meine Wurzeln liegen eben beim Heiligenhauser SV“, schildert Platzhoff, der inzwischen im öffentlichen Dienst arbeitet und zuständig für Qualitätsprüfungen der IT ist.
Was ihm an seinem Heimatverein gefällt: „Wir sind ein Breitensportverein, der nicht so sehr auf die Spitze, sondern auf Masse setzt. Damit müssen wir wirkliche Talente zwar zu anderen Vereinen wie Ratingen ziehen lassen, dafür haben wir immer viele Anmeldungen von Kindern, die Schwimmen lernen wollen. Da sind wir gut besucht.“
Wichtig ist dabei: „Ohne die Ehrenamtlichen, die Zeit für die Kinder und Erwachsenen haben, geht es nicht“, sagt Platzhoff und lobt da besonders die Familie Brandt im Heiligenhauser SV: „Das sind inzwischen acht Personen, die alle etwas im und für den Verein tun, als Trainer, Übungsleiter oder Kampfrichter. Annette Brandt ist unsere Haupt-Trainerin – und wenn man solche Engagements nicht hätte, wäre der Amateursport nicht möglich.“Das hat er selbst erlebt: „Meine Eltern haben mich immer unterstützt und mich überall hingefahren, egal, wo jedes Wochenende die Wettkämpfe waren. Mein ganzes Umfeld hat mir sehr geholfen“, sagt Platzhoff, selbst Vater einer Tochter.
Was ihn besorgt: „Seit 1974 haben Bad-Schließungen zugenommen. Für Schulen ist es schon schwierig, aber wenn es für Vereine noch schwerer wird, sieht man im Sommer mehr Badetote. Wasser ist ein tückisches Element, das auch für erfahrene Schwimmer nicht kontrollierbar sein kann. Das habe ich selbst am Atlantik erlebt, als ich von einer Unterströmung weg vom Strand gezogen wurde. Es ist nichts passiert, aber da merkt man, wie schnell und stark Wasser eigentlich ist.“
Umso wichtiger wäre es, dass auch Bäder bald – eventuell ab 5. April, wenn die Inzidenz unter 100 bleibt – wieder öffnen können, immerhin ist Schwimmen ein Sport, dessen Grundkenntnisse überlebenswichtig sein können, und diese müssen
„Wenn es für Vereine noch schwerer wird, sieht man im Sommer mehr Badetote“
Jens Platzhoff Heiligenhauser SV
eben auch qualitativ vermittelt werden. Um aus dem Schwimmen mehr als ein Hobby zu machen, muss man investieren, weiß Platzhoff: „Der innere Schweinehund ist ein Tier, das immer größer wird. Der Drang, sich zu quälen, muss dann schon vorhanden sein. Das geht nicht, ohne über Grenzen zu gehen. Gutes Training tut auch weh.“Es schadet aber nicht.