Scharfe Kritik am saarländischen Lockdown-Ende
SAARBRÜCKEN Das Saarland will die Corona-Maßnahmen nach Ostern in einem Modellprojekt weitreichend lockern: Vom 6. April an sollen unter anderem Kinos, Theater, Fitnessstudios und die Außengastronomie wieder öffnen. Voraussetzung sei ein negativer Schnelltest, der nicht älter als 24 Stunden sein dürfe, sagte Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am Donnerstag. „Wir wollen damit den Menschen eine Perspektive bieten, um gerade im Frühling wieder etwas mehr Lebensqualität genießen zu können.“
Bund und Länder hatten beschlossen, dass in ausgewählten Regionen zeitlich befristete Modellprojekte starten könnten – „mit strengen Schutzmaßnahmen und einem Testkonzept“, um Bereiche des öffentlichen Lebens zu öffnen. Die Zeitspanne des Projekts im Saarland war zunächst unklar.
Es gebe viele Bundesländer, die angekündigt hätten, solche Modellregionen ausweisen zu wollen. „Wir sind aber das einzige Bundesland, das das als Ganzes tut. Deswegen nennen wir unser Projekt auch das Saarland-Modell“, sagte Hans. Das Bundesland habe dafür beste Voraussetzungen: Zum einen sei die Sieben-Tage-Inzidenz mit derzeit um die 70 eine der niedrigsten im Bund.
Zum anderen verfüge das kleinste Flächenland Deutschlands über eine gute Infrastruktur für Tests. Es gebe mehr als 350 Orte, an denen Bürger mehrfach die Woche kostenfreie Schnelltests machen könnten. Zudem sei die Impfquote hoch. Bislang seien rund 150.000 Impfungen (davon 110.000 Erstimpfungen) vorgenommen worden. Mit einer Quote von 11,4 Prozent bei den Erstimpfungen liege das Land an der Spitze der Bundesländer, sagte Hans.
Kritik kam vom SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. „Der Kurs des Saarlandes ist fahrlässig. Die Modellregion im Saarland ist ein Experiment, das zu einer schnellen Verbreitung gefährlicherer Mutationen in Deutschland führen kann“, sagte er unserer Redaktion. Das Saarland habe von anderen Ländern „mehr Impfstoff gegen Mutanten bekommen und geht jetzt ins Risiko. Das macht keinen Sinn.“
Widerspruch zum Modell kam aus Mecklenburg-Vorpommern. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD): „Dafür habe ich kein Verständnis. Solidarität ist keine
Einbahnstraße.“Das Saarland erhalte 80.000 Zusatzdosen Impfstoff, weil es dort die südafrikanische Mutation gebe. „Das ist auf die Einwohnerzahl gerechnet eine große Menge“, so Schwesig. „Wie sollen andere Länder ihren Bürgern erklären, dass sie keine zusätzlichen Impfstoff erhalten und diese Öffnungsschritte nicht gehen können?“
Auch aus der Ärzteschaft gab es Kritik. „Versuche in Modellregionen können in dieser Situation keine Alternative zum Lockdown sein“, sagte die Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger Bund, Susanne Johna. „Die dritte Welle ist bereits im vollen Gange. Ich sehe es kritisch, wenn mit dem Saarland ein zwar kleines, aber doch ganzes Bundesland einen Modellversuch durchführen will.“Es bleibe unklar, wie verhindert werden soll, dass viele Menschen aus anderen Bundesländern einreisen, sagte Johna. „Wo es Modellversuche geben wird, brauchen wir eine enge Überprüfung der Ergebnisse. Es muss eindeutig geklärt sein, was positiv getestete Menschen tun müssen“, so Johna. „Kommunen, die sich als Modellregion beteiligen, müssen die Einhaltung der Quarantäne von positiv Getesteten auch überprüfen.“