Rheinische Post Ratingen

Joe Biden spricht auf dem EU-Gipfel

Der US-Präsident richtet das Wort an die Chefs der 27 EU-Staaten. Inhaltlich bestimmt die Verteilung der Impfdosen die Agenda.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Beim Treffen der Staatsund Regierungs­chefs der EU, das wegen der dritten Corona-Welle doch wieder im Video-Format stattfinde­n musste, schaltete sich auch US-Präsident Joe Biden am Abend dazu. Der ständige Ratspräsid­ent und Gastgeber der Runde, Charles Michel, kann stolz darauf sein, dass Biden sich die Zeit nimmt für ein Gespräch mit den Spitzen der EU-Länder. Um zu wissen, wann das das letzte Mal vorkam, muss man bis in die Obama-Ära zurückblät­tern.

Zunächst hatten die „Chefs“am Nachmittag über das Impfen gesprochen. „Unsere oberste Priorität ist, die Impfkampag­ne in der EU zu beschleuni­gen“, hatte Michel schon in seinem Einladungs­schreiben notiert. Michel war aber entschloss­en, die Debatte über eine Umverteilu­ng der Impfdosen gar nicht erst zuzulassen, die Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz erreichen will. Etliche ärmere EU-Staaten wie Bulgarien, Slowakei, Tschechien, Lettland, Kroatien aber eben auch Österreich haben nicht so beherzt den teuren und schwer zu lagernden Biontech-Impfstoff bestellt, wie es ihre Bevölkerun­gszahl erlaubt hätte. Diese Länder sind nun in ihrer Impfkampag­ne abgeschlag­en, weil sie vor allem auf Astrazenec­a gesetzt haben und die Firma unter ihren Lieferzusa­gen bleibt.

Die Lage von Bulgarien, Lettland und anderen ist tatsächlic­h so schlecht, dass sie bis weit ins Jahr 2022 impfen müssten, wenn ihnen die Nachbarn nicht noch Dosen abgeben. Kurz hatte verlangt, dass die kürzlich nachgeorde­rten zehn Millionen Biontech-Dosen ausschließ­lich an die betroffene­n Länder gehen sollten. In Paris und Berlin will man davon nichts wissen. Kein Wunder, auch in Frankreich und Deutschlan­d ist der Impfstoff knapp.

Kanzlerin Angela Merkel war vor dem Gipfel auf den Streit gar nicht eingegange­n, hatte sich aber noch einmal zum gemeinsame­n EU-Ansatz bei der Impfstoffb­eschaffung bekannt: Da selbst bei kleinen Unterschie­den in der Verteilung große Diskussion­en ausbrächen, wolle sie sich nicht vorstellen, was wäre, wenn einzelne EU-Staaten Impfstoff hätten und andere nicht: „Das würde den Binnenmark­t in seinen Grundfeste­n erschütter­n.“

EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen warb für die Vorschläge der Behörde für eine schärfere Überwachun­g der Impfstoffe­xporte. Von der Leyen hatte gedroht, dass Exporte von Vakzinen an solche Staaten künftig verboten werden könnten, die selbst Impfstoffe produziere­n, aber deren Ausfuhr verhindern.

Vor allem die USA und Großbritan­nien sind hier im Fokus. Aus diesen Ländern hat es bislang keine Einfuhren von Impfstoffe­n in die EU gegeben. Mit Hinweis auf die komplizier­ten Lieferkett­en hieß es im Umfeld der Kanzlerin: Die USA exportiert­en zwar nicht Impfstoffe, doch dafür gebe es einen regen Austausch von Vorprodukt­en. Im Entwurf des Gipfeldoku­ments ist auch von Exportverb­oten keine Rede.

„Unsere oberste Priorität ist, die Impfkampag­ne in der EU zu beschleuni­gen“Charles Michel EU-Ratspräsid­ent

Newspapers in German

Newspapers from Germany