Deutsche Bahn erleidet Rekordverlust
Weil die Passagierzahlen durch die Corona-Krise eingebrochen sind, wächst das Minus auf 5,7 Milliarden Euro. Richard Lutz ist Chef der Deutschen Bahn
BERLIN (dpa/rtr) Die Deutsche Bahn ist während der Corona-Krise so tief in die Verlustzone gefahren wie noch nie in ihrer Geschichte. Auch wegen des Einbruchs der Passagierzahlen türmte sich unter dem Strich ein Minus von 5,7 Milliarden Euro auf – und damit noch mehr als zuletzt erwartet, bestätigte der Staatskonzern am Donnerstag. Der Betriebsverlust (Ebit) lag bei 2,9 Milliarden Euro. Der Umsatz sackte um zehn Prozent auf knapp unter 40 Milliarden Euro ab. Auch in diesem Jahr wird der Konzern tief in den roten Zahlen bleiben.
Parallel schnellten die Schulden des Unternehmens innerhalb eines Jahres um fünf Milliarden Euro nach oben und haben Konzernkreisen zufolge inzwischen die Marke von 30 Milliarden Euro überschritten. Bahnchef Richard Lutz gab sich dennoch zuversichtlich. Das Unternehmen werde sich erholen, die Passagiere zurückkommen: „Wir sind der Impfstoff gegen den Klimawandel.“
Zwar erwartet die Bahn dieses Jahr eine leichte Besserung. „Dennoch sind erneut beträchtliche Verluste zu erwarten“, erklärte das Unternehmen. Konzernkreisen zufolge wird mit einem Betriebsverlust von 2,5 Milliarden Euro gerechnet. Im kommenden Jahr will die Bahn zurück in die Gewinnzone.
Hauptgrund für die Höhe des Verlustes von 2020 ist, dass die Bahn ihr Angebot trotz drastisch gesunkener Passagierzahlen im Lockdown weitgehend aufrechterhalten hat. Dies war auch der Wunsch der Bundesregierung. Im Fernverkehr fuhren Konzernkreisen zufolge nur noch 81 Millionen Menschen mit IC und ICE. 2019 waren es mit gut 150 Millionen fast doppelt so viele. Im Nahverkehr war der Rückgang geringer.
Profitiert von der Corona-Krise hat teilweise allerdings die internationale Bahn-Spedition Schenker. Auch wegen des guten Geschäfts mit der Luftfracht konnte sie einen Betriebsgewinn von mehr als 700 Millionen Euro erzielen, mehr als jemals zuvor.
Vorsitzender Richard Lutz ist seit April 2010 Mitglied des Vorstands der Deutschen Bahn AG und seit März 2017 dessen Vorsitzender. Er trat die Nachfolge von Rüdiger Grube an.
Vertrag Der Aufsichtsrat des bundeseigenen Unternehmens hatte Lutz’ Vertrag, der in einem Jahr ausgelaufen wäre, erst in dieser Woche bis mindestens März 2027 verlängert.
Aber bereits vor der Corona-Krise war die Bahn in massiven Schwierigkeiten und konnte ihre Investitionen aus eigenen Mitteln nicht mehr finanzieren. Im Schienen-Güterverkehr hat der einstige Fast-Monopolist mehr als die Hälfte der Marktanteile verloren. Der Verkauf der Auslandstochter Arriva, in der der Nahverkehr in Europa gebündelt ist, scheiterte. Die Bahn musste auf Arriva nun 1,4 Milliarden Euro abschreiben.
Die Bahn setzt daher auf eine Stützung durch den Eigentümer: So waren im Klimapaket elf Milliarden Euro bis 2030 als Eigenkapitalspritze in Aussicht gestellt worden. Dies wurde angesichts des Widerstands der EU gestutzt und soll nun zudem allein in die Schienennetzsparte fließen. Aber bis jetzt sind diese Mittel ebenso wenig freigegeben wie eine zusätzliche Corona-Hilfe von fünf Milliarden Euro. Die Schienen-Konkurrenten des Staatsunternehmens
beklagen bei der EU-Kommission Wettbewerbsverzerrung.
Trotz der jüngsten Diskussionen rund um den Osterurlaub stellt sich die Deutsche Bahn unterdessen über die Feiertage wieder auf vollere Züge ein: „Wir rechnen derzeit über Ostern mit einer durchschnittlichen Auslastung von 25 bis 30 Prozent“, sagte Personenverkehrsvorstand Berthold Huber. Das entspreche etwa 35 bis 40 Prozent des Niveaus, das die Bahn zu normalen Osterzeiten verzeichnet. Der Konzern will der höheren Nachfrage über die Feiertage mit einer Ausweitung des Angebots begegnen. Aus den bisherigen Einfachzügen sollten wieder Doppelzüge werden, sagte Huber. An den besonders verkehrsintensiven Ostertagen sollen zudem Sonderzüge zum Einsatz kommen, „sodass wir wie an Weihnachten immer ausreichend Platz in den Zügen anbieten können“.
„Wir sind der Impfstoff gegen den Klimawandel“Richard Lutz
Chef der Deutschen Bahn