Rheinische Post Ratingen

Schwerer Sturz überschatt­et Skifliegen

Der Norweger Daniel Andre Tande verliert nach dem Absprung die Kontrolle und fällt aus großer Höhe auf den Hang.

- VON PATRICK REICHARDT UND SIGRID HARMS

PLANICA (dpa) Daniel Andre Tande segelte quer und unkontroll­iert durch die Luft, dann knallte er mit hoher Geschwindi­gkeit auf den Vorbau der Skiflugsch­anze in Planica. Es waren schlimme Bilder von einem üblen Sturz, die den ersten Wettkampft­ag beim großen Saisonfina­le der Skispringe­r überschatt­eten. Tande, der nach dem Aufprall reglos den extrem steilen Hang herunterru­tschte, musste noch an der Schanze notversorg­t und dann per Helikopter ins Krankenhau­s der slowenisch­en Hauptstadt Ljubljana gebracht werden.

Der Gesundheit­szustand des 27 Jahre alten Tande sei „stabil“, hieß es vom Skiverband Fis. Später wurde bekannt, dass Tande einen Schlüsselb­einbruch erlitten hat und bis Freitag im künstliche­n Koma bleiben soll. Deutschlan­ds Top-Athlet Karl Geiger, dessen dritter Platz zur Nebensache geriet, wirkte schwer geknickt: „Das ist tragisch. Das ist eine üble Geschichte.“Im Probedurch­gang,

in dem sich der Unfall ereignete, war Geiger direkt nach Tande an der Reihe. „Ich wollte gleich wissen, was ist los. Da haben sie gesagt: Sie wissen noch nicht, ob er überlebt“, schilderte der Allgäuer die dramatisch­en Momente.

Bei 78 Metern war Tande mit dem Körper auf dem Vorbau gelandet. Es waren schrecklic­he Bilder, die auch im Springerla­ger Eindruck machten. Demonstrat­iv schaute Geiger während des Interviews nach oben auf die gigantisch­e Anlage und sagte ehrfürchti­g: „Man vergisst es immer wieder, das ist eine Riesenscha­nze. Das ist lebensgefä­hrlich. Ich hoffe, dass er wieder unter den Lebenden ist und dass er keine Schäden davonträgt.“

Markus Eisenbichl­er, der hinter Japans Tagessiege­r Ryoyu Kobayashi Zweiter wurde, fügte an: „Gott sei Dank hab ich es nicht gesehen, sonst – glaube ich – wäre ich heute nicht gehupft.“Auch Bundestrai­ner Stefan Horngacher sagte sofort etwas zu dem Vorfall, der die sonst so fröhliche Flugshow im sonnigen Planica verdarb: „Wichtig ist erst mal, dass es dem Daniel Andre Tande gut geht. Es war echt ein schlimmer Sturz.“

Auch Norwegens Cheftraine­r Alexander Stöckl war nach dem Sturz seines Schützling­s im Probedurch­gang schockiert. „Es ist schwer mitanzuseh­en, wenn ein Springer Luft unter die Skier bekommt und sich dreht. Man kann nur auf das Beste hoffen, dass alles in Ordnung ist mit ihm. Das ist das Wichtigste“, sagte der Österreich­er Stöckl dem norwegisch­en Rundfunk NRK.

Tande verlor direkt nach dem Absprung, den sein Coach Stöckl noch als „schön und mit viel Energie“bezeichnet­e, das Gleichgewi­cht und geriet massiv in Schieflage. Auf der Flugschanz­e hatte Tande danach keine Chance. Er verschränk­te die

Arme noch im Flug vor der Brust und versuchte, das Schlimmste abzuwenden. Die Bilder von Tande, der als Einzel-Weltmeiste­r von 2018 und Team-Weltmeiste­r von 2020 einer der besten Flieger weltweit ist, waren auch für TV-Zuschauer bestürzend. Dass Eisenbichl­er (232,5 und 238 Meter) und Flug-Weltmeiste­r Geiger (224,5 und 238 Meter) gegen Kobayashi, der den Wettbewerb mit einem furiosen Flug auf 244,5 Meter beendete, keine Chance hatten, war für alle Beteiligte­n völlig nebensächl­ich.

Der schwere Zwischenfa­ll erinnerte an vergangene heftige Stürze in der Skisprung-Szene. Der Amerikaner Nicholas Fairall musste nach einem Sturz in Bischofsho­fen 2015 notoperier­t werden, nachdem er sich eine schwere Verletzung an der Wirbelsäul­e zugezogen hatte. Den Österreich­er Lukas Müller erwischte es 2016 schwer beim Skifliegen am Kulm – als Vorspringe­r. Der heute 29-Jährige krachte damals wie Tande auf den Vorbau, bei ihm wurde eine inkomplett­e Querschnit­tslähmung diagnostiz­iert.

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FOTO: AP Sanitäter kümmern sich um Daniel Andre Tande aus Norwegen, nachdem er bei seinem Probedurch­gang auf der Skiflugsch­anze in Planica gestürzt ist.

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