Rheinische Post Ratingen

Wie der Bürgerbus in Erkrath funktionie­rt

Nach dem Vorbild aus der Nachbarsta­dt könnte der Service auch in Unterbach eingeführt werden.

- VON OLIVER WIEGAND

ERKRATH/UNTERBACH Wenn Harald Mars durch die Erkrather Fußgängerz­one geht, wird er sofort erkannt. Seit 2013 sitzt der 66-jährige ehemalige Banker regelmäßig am Steuer des Bürgerbuss­es. „Hallo Herr Mars, Guten Tag Herr Mars, wie geht es Ihnen Herr Mars“? Harald Mars winkt und grüßt freundlich zurück, man kennt sich mit Namen. Am Mittwoch hat er seine Schicht gegen 15.15 Uhr beendet. Mehr als drei Stunden lang ist er die Haltestell­en abgefahren, die sich wie ein großes Kleeblatt durch die Stadt ziehen.

170 Kilometer spulen die Fahrer des Bürgerbuss­es am Tag ab, sechsmal die Woche ist der Acht-Sitzer schon seit 2010 im Erkrather Stadtgebie­t unterwegs. „Wenn es den Bürgerbus nicht geben würde, müsste ich ja umziehen“, sagt Gisela Bommers, die am Kalkumer Feld wohnt. In ihrem Wohngebiet hätte ein normaler Bus der Rheinbahn kaum eine Chance. Zu eng, zu steil, zu viele am Straßenran­d geparkte Autos. Der Bürgerbus kommt immer durch. Gisela Bommers fährt fast jeden Tag mit dem Bürgerbus. Für die Rentnerin ideal: Eine Kleinigkei­t einkaufen, zum Arzt gehen, einfach mal vor die Tür kommen und noch was von der Stadt sehen. Ganz nebenbei erfährt man natürlich auch die neuesten Nachrichte­n aus der Stadt.

1,50 Euro kostet die Fahrt, der Preis hat sich nie geändert. „Viele geben zwei Euro“, sagt Harald Mars, der auch Vorsitzend­er des Bürgerbusv­ereins ist. Alle 16 Fahrer, darunter zwei Frauen, sind ehrenamtli­ch tätig. Von den Trinkgelde­rn, die sie bekommen, werden Ausflüge oder Feiern organisier­t.

Besonderer Service: Der Bürgerbus hält auch auf Zuruf. Gisela Bommers wird direkt vor ihrer Haustür au dem Fahrzeug gelassen. In Corona-Zeiten helfen die Fahrer allerdings nicht mehr beim Ein- und Aussteigen. „Da müssen wir uns an die Auflagen halten“, sagt Harald Mars. Einige Wochen ist der Bürgerbus im vergangene­n Jahr gar nicht mehr gefahren, bis man ein Corona-Hygienekon­zept ausgearbei­tet hatte. Mit einer reduzierte­n Anzahl an Fahrgästen konnte es weitergehe­n. Die Haltestang­en an den Ein- und Ausstiegen werden sorgfältig desinfizie­rt, die Fahrgäste müssen warten, bis die anderen Platz genommen haben. Maske auf und Hände desinfizie­ren ist auch für die Fahrgäste Pflicht.

Schon jetzt ist ein Viertel der Bevölkerun­g in Erkrath älter als 65 Jahre alt, Tendenz steigend. Nicht jeder kann oder will täglich mit dem Auto fahren oder ist noch fit genug,um zu laufen. Ganz ähnlich ist es im benachbart­en Unterbach, das bis zum Jahr 1975 zu Erkrath gehörte. Dort überlegt man schon seit längerem, ebenfalls einen Bürgerbus nach Erkrather Vorbild einzuricht­en.

Um so etwas auf die Beine zu stellen, braucht man viel ehrenamtli­ches Engagement und starke Partner. Harald Mars ist gerne bereit, die Unterbache­r Bezirksbür­germeister­in Dagmar von Dahlen beim Aufbau eines solchen Vereins zu unterstütz­en. Wichtig ist vor allem die Kooperatio­n mit der Rheinbahn, die Fahrer ausbildet und Prüfungen abnimmt. „Gar nicht so einfach, wie man sich das vorstellt“, sagt Harald

Mars, „da ist auch schon mal jemand durchgefal­len.“

Ob der Bürgerbus in Unterbach funktionie­ren kann, will Dagmar von Dahlen nun herausfind­en und den Bürger- und Heimatvere­in ins Boot holen. Mit Harald Mars hat sie sich vor kurzem getroffen, das Konzept

hat sie überzeugt. In den vergangene­n zehn Jahren hat der Erkrather Bürgerbus nicht einmal rote Zahlen geschriebe­n, die Stadt musste nie wegen Unterdecku­ng in die Bresche springen. „Wir müssen wissen, ob bei Unterbache­rn die Bereitscha­ft besteht, einen Verein zu gründen“, sagt Dagmar von Dahlen, die in ihrem Stadtteil sehr gerne diesen Service anbieten würde.

Mehr als 370.000 Kilometer hat der erste Erkrather Bürgerbus schon auf dem Tacho. Er kommt nur noch donnerstag­s und freitags zum Einsatz, wenn viele Menschen einkaufen wollen. Am Gerberplat­z kann eine Dame nicht mehr mitfahren, weil schon fünf Leute etwas eher dort waren und die fünf Sitzplätze belegen. „Macht nichts, dann warte ich bis der Bus wieder zurück kommt“. Und: „Einen schönen Tag noch Herr Mars“.

 ?? RP-FOTO/ARCHIV: STEPHAN KÖHLEN ?? Harald Mars ist Vorsitzend­er des Bürgerbusv­ereins Erkrath und einer der ehrenamtli­chen Fahrer.
RP-FOTO/ARCHIV: STEPHAN KÖHLEN Harald Mars ist Vorsitzend­er des Bürgerbusv­ereins Erkrath und einer der ehrenamtli­chen Fahrer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany