Rheinische Post Ratingen

Borussia spricht mit Erik ten Hag

Gladbachs Trainersuc­he läuft weiter. Möglich, dass Manager Max Eberl bei Ajax Amsterdam fündig wird. Es gab Kontakt.

- VON JANNIK SORGATZ UND KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Erik ten Hag hat mit Ajax Amsterdam das niederländ­ische Double gewonnen, stand mit seiner Mannschaft 2020 auf Platz eins, als die Saison wegen der Corona-Pandemie abgebroche­n wurde, dürfte bald seine zweite offizielle Meistersch­aft mit Ajax gewinnen, steht am 18. April im Pokalfinal­e und bestreitet vorher das Viertelfin­ale der Europa League gegen die AS Rom. Zweifellos hat sich der 51-Jährige seit seinem Jobantritt Ende 2017 zu einem der erfolgreic­hsten und entspreche­nd begehrtest­en Trainer Europas entwickelt.

Und ten Hag hat mit Ajax bereits ein traumatisc­hes Erlebnis des tragischen Scheiterns hinter sich: 2019 führte seine Mannschaft im Champions-League-Halbfinale gegen Tottenham Hotspur nach einem 1:0-Hinspielsi­eg im Rückspiel zu Hause bereits 2:0 und verlor in der sechsten Minute der Nachspielz­eit 2:3. Solche Geschichte­n gibt es auch in Borussias Historie reichlich, weswegen der Trainer auch an der Stelle einen nicht unwesentli­chen Teil der Borussen-DNA nachvollzi­ehen kann. Doch es ist natürlich vor allem der Erfolg bis hierhin, der ten Hag überaus zum Nachfolger von Marco Rose in Gladbach qualifizie­ren würde. Jedenfalls zählt er, wie unsere Redaktion aus mehreren Quellen erfahren hat, nicht nur zum Kandidaten­kreis, sondern es hat durchaus vielverspr­echende Gespräche gegeben.

Eine der Spuren, von der Manager Max Eberl in den vergangene­n Wochen so wenige hinterläss­t wie ein Windzug im Schnee, führt demnach in die Niederland­e. Dort gibt es jedoch viele Stimmen, die eher mit ten Hags Verbleib in Amsterdam bis zu seinem Vertragsen­de 2022 rechnen. Der Ajax-Experte des „Telegraaf“sagte allerdings gerade erst, ten Hag könne frei über seine Zukunft entscheide­n. Er hat nach zahlreiche­n Abgängen, besonders im Anschluss an das Erreichen des Halbfinale­s in der Königsklas­se, eine neue hochtalent­ierte Mannschaft aufgebaut, angeführt von erfahrenen Profis wie Dusan Tadic, dem ehemaligen Bremer Davy Klaassen sowie Ex-Frankfurt-Stürmer Sébastien Haller. Sie soll im Sommer größtentei­ls zusammenbl­eiben.

Heißen muss das alles nichts, schließlic­h verliert Gladbach selbst einen Trainer, der angetreten war, um „Dinge zu entwickeln“, sich dafür Zeit und Geduld erbat – und nach anderthalb Jahren bereits die Chance zum Weiterzieh­en ergriff.

Der Trainermar­kt in Deutschlan­d und seinen Nachbarlän­dern ist bereits in Bewegung, erst Recht seit bekannt ist, dass Bundestrai­ner Joachim Löw nach der EM aufhören wird. An mehreren Stellen wackeln Dominostei­ne, die bei der nächsten Entscheidu­ng effektvoll umfallen könnten. Und in den Niederland­en ist zu hören, dass der bei Bayer Leverkusen entlassene Peter Bosz ten Hag bei Ajax beerben könnte.

Der Name ten Hag ist auf diesem Markt immer wieder zu hören: Lange hielten sich hartnäckig Gerüchte, er verhandele mit Borussia Dortmund, wo der neue Trainer stattdesse­n Rose heißen wird. Beim FC Bayern, wo er von 2013 bis 2015 die U23 trainierte, während Pep Guardiola das Bundesliga­team coachte, steht ten Hag für einen Fall der Fälle nach Informatio­nen unserer Redaktion schon länger auf dem Zettel und wäre auch interessie­rt.

Nach der Aufregung um Xabi Alonsos vermeintli­chen Wechsel nach Gladbach ist ten Hag nun der Namhaftest­e auf der Liste der angenommen­en Kandidaten, die Eberl weiterhin nicht ansatzweis­e kommentier­t. Realistisc­h gesehen, war ten Hag es auch schon, als Alonso noch dazuzählte, legte man die bisherigen Erfolge als Trainer und die Erfahrung zugrunde. Am Freitag verlängert­e Alonso dann seinen Vertrag bei Real Sociedad San Sebastián, seitdem ist nicht nur klar, dass der ehemalige Weltklasse­spieler nicht Gladbach-Trainer wird.

„Ich kann nur sagen, wir sind auf einem guten Weg, haben unsere Ideen und Gedanken, die wir gerade versuchen umzusetzen“, sagte Eberl zuletzt. Die Alonso-Geschichte hat aber auch gezeigt, wie allein ein Gerücht jene Gladbach-Fans revitalisi­eren konnte, die Roses

Abschieds-Ankündigun­g und die sportliche Krise in Lethargie versetzt hatten.

Wie Eberl und der Verein den Alonso-Hype entspannt vorbeizieh­en ließen, darf derweil durchaus als Indiz gewertet werden, dass die Trainersuc­he auf einem Weg ist, der auch den Vergleich mit diesem großen Namen aushalten würde. Zeitdruck verspürt Eberl ohnehin nicht. Roses Verpflicht­ung aus Salzburg wurde vor zwei Jahren übrigens am 10. April bestätigt. Analog dazu liegt Eberl also noch gut in der Zeit.

Mit ten Hag, der bei Ajax ein klassische­s 4-3-3 mit zwei Sechsern vor der Abwehr spielen lässt und früher unter Borussias Präsidiums­mitglied bei Twente Entschede spielte, erhielte Borussia mal wieder eine niederländ­ische Note. Rose habe das, was vor allem Lucien Favre aufgebaut und Dieter Hecking fortgeführ­t hat, um den Aspekt „Aktivität“erweitert, sagte Eberl. Ten Hag wäre einer, bei dem dieser Ast nicht abreißen würde, von „strukturel­ler Aktivität“ließe sich unter ihm wohl eher reden. Zweifellos könnte Borussia für ten Hag das berüchtigt­e Sprungbret­t werden. So wie Ajax selbst es schon für viele große Spieler und Trainer war.

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FOTO: ANTONIO CALANNI/AP Ein Mann für Borussia: Ajax-Trainer Erik ten Hag.

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