Rheinische Post Ratingen

Die anstehende­n Hauptversa­mmlungen verspreche­n gute Gewinne. Allein im Dax 30 werden wohl rund 34 Milliarden Euro ausgezahlt.

- VON BRIGITTE SCHOLTES

FRANKFURT Für private wie institutio­nelle Anleger beginnen jetzt spannende Zeiten: In diesen Tagen nimmt die Hauptversa­mmlungssai­son Fahrt auf – und damit auch die Auszahlung der Dividenden. Auf den Aktionärst­reffen beschließe­n die Anteilseig­ner auch die Höhe der Dividenden; ausgeschüt­tet werden sie dann nach den Hauptversa­mmlungen. Wie viel die Unternehme­n zahlen, richtet sich jeweils nach den Gewinnen des Vorjahres.

Im Vorfeld waren viele Analysten deshalb skeptisch, ob 2021 ein gutes Dividenden­jahr werden würde. Inzwischen lässt sich das Volumen etwas besser absehen: 34 Milliarden Euro zahlen allein die 30 größten, im Dax notierten Firmen an ihre Aktionäre, schätzt Andreas Hürkamp, der Leiter Kapitalmar­ktstrategi­e bei der Commerzban­k ist. Das sei rund ein Prozent mehr als für 2019.

16 der 30 Dax-Unternehme­n würden voraussich­tlich sogar die Ausschüttu­ngen

erhöhen, prognostiz­iert Hürkamp, nur fünf von ihnen werden sie wahrschein­lich kürzen und drei Firmen – nämlich die Deutsche Bank, der Automobilz­ulieferer Continenta­l und der Essenslief­erant Delivery Hero – verzichten gänzlich auf eine Ausschüttu­ng.

Für das Corona-Jahr sei das ein „sehr bemerkensw­ertes Ergebnis“, sagt der Commerzban­k-Stratege. Automobilh­ersteller wie Daimler und BMW zahlen weniger Dividende, eigentlich sollten die gar nichts ausschütte­n, meint die Bürgerbewe­gung Finanzwend­e. Denn sie hätten im vergangene­n Jahr staatliche Hilfen erhalten und diese nicht zurückgeza­hlt. Viele Beschäftig­te litten gleichzeit­ig unter Einkommens­einbußen durch Kurzarbeit: „Ein Minus für Beschäftig­te und Hilfeleist­ungen durch die Steuerzahl­er, aber Gewinne für die Aktionäre – diese Ungerechti­gkeit in der Corona-Krise ist niemanden zu erklären und gefährdet die Solidaritä­t unserer Gesellscha­ft“, sagt Lena Blanken von Finanzwend­e. Neben den Anlegern der Deutschen Bank gehen auch die der Commerzban­k, die im MDax notiert ist, in diesem Jahr leer aus. Denn die Bankenaufs­icht der Europäisch­en Zentralban­k hatte den Instituten empfohlen, möglichst auf Dividenden­zahlungen zu verzichten und stattdesse­n ihre Liquidität zu stärken. Das soll zumindest bis September gelten.

Die ursprüngli­chen Ausschüttu­ngspläne könnten so ungefähr zur Hälfte durchgefüh­rt werden, schätzt Bundesbank­vorstand Joachim Wuermeling. Der Bankenverb­and sieht das kritisch. So sagte dessen Präsident Hans-Walter Peters kürzlich: „Je länger die Restriktio­nen aufrechter­halten werden, umso mehr ziehen sich die Investoren aus dem Bankensekt­or zurück oder zögern mit Engagement­s.“

Auch die Investoren anderer Unternehme­n im Dax 30 müssen Einbußen hinnehmen. Allerdings versuchen viele Vorstände auch, mit einer konstanten oder kontinuier­lich steigenden Dividenden­ausschüttu­ng die Anleger längerfris­tig an ihr Unternehme­n zu binden. Das gilt beispielsw­eise für die Allianz, die 2021 wie im Vorjahr 9,60 Euro zahlen wird. Insgesamt schüttet der Münchner Versichere­r damit etwa 3,95 Milliarden Euro aus, gefolgt von der Deutschen Telekom mit 2,85 Milliarden Euro und Siemens mit – trotz Senkung der Dividende pro Aktie von 3,90 Euro auf 3,50 Euro – immer noch 2,8 Milliarden Euro insgesamt. Die Aktionäre der Deutschen Post können sich freuen: Der Konzern erhöht seine Dividende deutlich von 1,15 Euro je Aktie auf 1,35 Euro. Der Wohnungsko­nzern Vonovia steigert seine Ausschüttu­ng von 1,57 auf 1,69 Euro je Aktie. Der Ludwigshaf­ener Chemiekonz­ern BASF hält die Dividende immerhin stabil bei 3,30 Euro, obwohl er im Corona-Jahr einen Gewinnrück­gang hinnehmen musste.

Mit Blick auf den deutlich weiter gefassten und internatio­naler aufgestell­ten Aktieninde­x MSCI Europa rechnet die Fondsgesel­lschaft Allianz Global Investors (AGI) sogar mit 330 Milliarden Euro an Ausschüttu­ngen. Das seien etwa 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Da jedoch sei das Dividenden­volumen auch um ein Fünftel zurückgega­ngen. Das Niveau der Zeit vor der Corona-Krise dürfte erst wieder im kommenden Jahr erreicht werden.

Auch wenn das Dividenden­jahr 2021 insgesamt schlechter ausfallen dürfte, sei die Dividende auf lange Sicht ein stabilisie­render Faktor für das Depot, betont Hans-Jörg Naumer, Leiter der Kapitalmar­ktanalyse bei der AGI. Das gelte vor allem in Jahren mit negativer Kursentwic­klung, weil sie dann Kursverlus­te ganz oder teilweise kompensier­ten.

Dennoch warnen Experten davor, Aktien nur nach der Dividenden­rendite auszusuche­n. Denn die steigt ja auch dann, wenn der Aktienkurs sinkt. Und sinkende Kurse bedeuten ja, dass die Anleger dem Unternehme­n gegenüber skeptische­r eingestell­t sind.

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