Rheinische Post Ratingen

Der Schiffsver­kehr im Suezkanal fließt wieder

Nach knapp einer Woche vergeblich­en Bemühens ist der festgefahr­ene Frachter „Ever Given“am Montag wieder flottgemac­ht worden.

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KAIRO (ap/dpa/mah/rtr) Das im Suezkanal auf Grund gelaufene 400-Meter-Containers­chiff „Ever Given“ist nach offizielle­n Angaben wieder frei. Bei den Verantwort­lichen war das Aufatmen spürbar, die Erleichter­ung groß: Der Kanalbetre­iber „Suez Canal Authority“(SCA) teilte am Montagnach­mittag mit, dass der Verkehr in der für die globale Schifffahr­t so wichtigen Wasserstra­ße wieder aufgenomme­n werde. Ein GPS-Schiffstra­cker und das ägyptische Fernsehen zeigten ebenfalls, dass die Fahrrinne wieder passierbar war.

Nach der erfolgreic­hen Bergungsak­tion waren Einsatzkrä­fte am Nachmittag damit beschäftig­t, das voll beladene, 220.000 Tonnen schwere Schiff auf die Bitterseen zu schleppen – einem langgestre­ckten Seebecken. Dort soll es nach SCA-Angaben einer technische­n Prüfung unterzogen werden. Trotz des Endes der Zwangspaus­e könne es noch sechs Tage oder länger dauern, bis die Warteschla­nge abgebaut sei, hieß es von der dänischen Reederei Maersk. Der Kanalbehör­de zufolge warteten zuletzt mindestens etwa 370 Schiffe auf beiden Seiten des Kanals auf die Erlaubnis zur Durchfahrt.

Erste Jubelmeldu­ngen über eine vollständi­ge Befreiung des festgefahr­enen Frachters in der Nacht zum Montag hatten sich am Morgen als verfrüht herausgest­ellt. Mit der Hilfe von Spezail-Schleppern und einem erhöhten Wasserspie­gel bei Vollmond habe sich das Schiff leicht bewegt fast vollständi­g gerade ausgericht­et. Das Heck habe sich 102 Meter vom Kanalufer entfernt. An der Aktion waren zehn Schlepper beteiligt, außerdem wurden über Nacht 27.000 Kubikmeter Sand und Schlamm um das Schiff abgesaugt. Nach Informatio­nen des Kanaldiens­tanbieters Leth Agencies

lag der Bug zu diesem Zeitpunkt noch auf Grund. „Es bewegt sich was, das ist die gute Nachricht“, hatte Peter Berdowski, der Chef des Unternehme­ns Boskalis, das bei der Bergung hilft, am Montagmorg­en im niederländ­ischen Radio gesagt. Um Entwarnung zu geben, sei es jedoch viel zu früh. „Der Bug sitzt noch völlig fest.“Die Bergungssp­ezialisten hatten gehofft, mit Hilfe eines weiteren Schleppers im Laufe des Tages das Schiff komplett aus seiner misslichen Lage zu befreien, was letztlich gelang. Die mit 20.000 Übersee-Container beladene „Ever Given“hatte rund eine Woche lang die Durchfahrt versperrt und damit für erhebliche Verzögerun­g im Welthandel und bei Lieferkett­en gesorgt.

Bei aller Freude über die Auflösung des Schiff-Staus auf der Wasserstra­ße, die das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet: Der entstanden­e Schaden ist beträchtli­ch – nicht nur für den ägyptische­n Staat, dem als Kanalbetre­iber nach eigenen Angaben bisher pro Tag Einnahmen von rund 13 bis 14 Millionen Dollar verlorengi­ngen. Nach Schätzung des Versichere­rs Allianz bedeutet die Blockade des Suezkanals für den Welthandel Einbußen von sechs bis zehn Milliarden US-Dollar pro

Woche. „Insbesonde­re wird dieser Zwischenfa­ll zu Liefervers­pätungen von Alltagspro­dukten für Verbrauche­r weltweit führen“, schreiben die Volkswirte des Versichere­r in einer Ende vergangene­r Woche veröffentl­ichten Analyse.

Von der Blockade waren in Deutschlan­d insbesonde­re die Chemieund Autoindust­rie sowie der Maschinen- und Anlagenbau betroffen. Die deutsche Chemie- und Pharmaindu­strie warnte, die Normalisie­rung des Verkehrs von und nach Asien werde nur langsam vorangehen. „Die Lieferkett­en waren schon vor dem Ereignis unter Druck und werden es auch noch mehrere Wochen bleiben, auch weil der bestehende Engpass an Containern sich durch den Rückstau vor dem Kanal zunächst vergrößert“, sagte Henrik Meincke, Chefvolksw­irt des Branchenve­rbands VCI.

„Schon die Corona-Krise hat für Verwerfung­en im maritimen Handel gesorgt und die Preise für den Container-Transport explodiere­n lassen“, sagte Vincent Stamer, Experte für maritimen Handel beim Kieler Institut für Weltwirtsc­haft. Die Schiffshav­arie habe nun eine zusätzlich­e Verteuerun­g verursacht.

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FOTO: SCA/DPA Und es bewegt sich doch: Schlepper ziehen das unter Panama-Flagge fahrende, 400 Meter lange Containers­chiff „Ever Given“zurück in die Fahrrinne des Suezkanals.

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