Rheinische Post Ratingen

Empfehlung­sschreiben für EM-Angriff

Im DFB-Team kristallis­iert sich ein personelle­s Gerüst für das Turnier im Sommer heraus – mit einem erstaunlic­hen Gewinner und einem Sturm-Trio, das gegen Rumänien schöne Spielzüge zeigt, aber auch viele Chancen auslässt.

- VON KLAUS BERGMANN UND ARNE RICHTER

DÜSSELDORF (dpa) Nach der Rückkehr aus Bukarest tief in der Nacht gönnte Joachim Löw seinen erschöpfte­n Siegern am sonnigen Rhein einen entspannte­n Regenerati­onstag. Der Bundestrai­ner sieht sich und sein Umbruchtea­m nach dem erfolgreic­hen Nachlegen beim 1:0 (1:0) im Spiel gegen den stärksten WM-Qualifikat­ionsgegner Rumänien wieder auf einem verheißung­svollen Kurs Richtung Sommer-EM. Einen weiteren Schub für sein letztes Turnier hat der Bundestrai­ner am Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) gegen EM-Teilnehmer Nordmazedo­nien in Duisburg eingeplant.

„Wir müssen nochmal volle Kraft voraus auch das Spiel gewinnen. Dann haben wir sicherlich in diesem Jahr einen ordentlich­en Start – und in der WM-Quali mit neun Punkten die richtige Richtung eingeschla­gen“, sagte Löw. Der 61-Jährige spürt nach zwei Zu-Null-Siegen gegen Island (3:0) und in Rumänien sowie seinem verkündete­n Rücktritt nach der EM wieder Boden unter den Füßen. Das 0:6 gegen Spanien hält er nach dem erfolgreic­hen Beginn seiner Abstiegsto­urnee für korrigiert.

Zweieinhal­b Monate vor dem EM-Ernstfall am 15. Juni in München gegen Weltmeiste­r Frankreich kristallis­iert sich ein funktionst­üchtiges EM-System (4-3-3) und ein klares personelle­s Gerüst heraus. „Die Mannschaft ist ehrgeizig, die Mannschaft ist willig, die Mannschaft strahlt einen guten Spirit aus, auch intern. Der Hunger ist groß. Man muss sagen, dass viel Dynamik und Energie zu spüren ist“, referierte Löw am Sonntagabe­nd in der Arena Nationala nach einem Sieg, der eigentlich deutlicher hätte ausfallen müssen.

Der große Kritikpunk­t war die nicht EM-reife Chancenver­wertung. Diese sprach nicht nur der Bundestrai­ner an, sondern auch alle Spieler von Kapitän Manuel Neuer („fehlende Coolness und Cleverness“) über Joshua Kimmich („Luft nach oben“) bis hin zu Serge Gnabry („Wir müssen das Ding einfach machen“), der als einziger traf. „Das Tor war superschön herausgesp­ielt“, sagte Löw zum klasse Angriffszu­g über Abwehrmann Antonio Rüdiger, den agilen Kai Havertz bis hin zum Schützen Gnabry.

Löw hat einige EM-Fingerzeig­e gewonnen – und dazu auch selbst beigetrage­n, indem er nach viereinhal­b Jahren erstmals wieder in zwei Länderspie­len nacheinand­er die identische Startelf aufbot. Die Abwehr spielte zweimal zu Null. Das zentrale Mittelfeld – jetzt fix mit drei Akteuren besetzt – ist das Herzstück. Die Kommunikat­ion auf dem Platz nimmt zu und wird lauter. Und das Trio Gnabry, Havertz und Leroy Sané kann Schwung entfachen und könnte sich zum EM-Angriff entwickeln.

„Alle drei Spieler können verschiede­ne Ebenen herstellen. Das müssen wir auch noch mehr optimieren“, sagte Löw. Für Timo Werner ist da aktuell kein (Stamm-)Platz. Eine Schlüsself­rage lautet: Kann der 20 Jahre junge Havertz, der nach dem Wechsel von Bayer Leverkusen zum FC Chelsea in der harten englischen Premier League „eine schwere erste Saison“durchläuft, wie er selbst in Bukarest ehrlich einräumte, mehr sein als ein Platzhalte­r für das Rückkehrer-Phantom Thomas Müller?

Havertz nimmt rechts vorne mit dem gewünschte­n Drang ins Zentrum exakt die Position ein, die Löw dem 31-jährigen Müller übertragen könnte, wenn er den aussortier­ten Weltmeiste­r von 2014 tatsächlic­h im Mai zurückhole­n sollte. Löw hält sich bedeckt. Erstaunlic­h war, wie demütig Vereinspat­ron Uli Hoeneß am Sonntagabe­nd bei RTL im Gespräch mit dem aus Bukarest zugeschalt­eten Bundestrai­ner für seinen Star vom FC Bayern warb: „Thomas ist heiß auf die Nationalma­nnschaft. Er wird kein Stinkstief­el sein, wenn er mal auf der Bank sitzt.“

Müller als EM-Joker? Oder auch der Dortmunder Routinier Mats Hummels (32) als Bank-Alternativ­e für das sich gerade einspielen­de Abwehrduo Rüdiger/Ginter? Ein Turnier werde nicht mit elf Spielern gewonnen, sagte Löw und erinnerte an seine berühmte „Abteilung Spezialkrä­fte“beim WM-Triumph 2014 in Brasilien. „Mario Götze, André Schürrle, die Leute, die von der Bank kamen, haben den Erfolg ausgemacht“, sagte Löw.

Im Fußball ist nichts wirklich absehbar. Eine unverhofft­e Entdeckung der ersten zwei EM-Tests gegen Island und Rumänien ist plötzlich der Dortmunder Emre Can als linker Verteidige­r. „Emre war richtig, richtig stark“, sagte Löw über die aus einem personelle­n Engpass entstanden­e Turnierlös­ung. „Ich werde immer alles geben“, sagte der robuste Can (27), der sich eigentlich eher im Zentrum verortet.

Auch wenn es Richtung EM Sinn machen würde: Ein drittes Spiel mit derselben Elf plant Löw gegen Nordmazedo­nien, das den Fußball-Zwerg Liechtenst­ein am Sonntagabe­nd 5:0 besiegte, nicht. Er werde „nicht total abweichen“vom bisherigen Personal, „aber es kann sein, dass der eine oder andere frische Spieler reinkommt“. Einer davon könnte Gladbachs Florian Neuhaus sein.

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FOTO: STEFAN CONSTANTIN/DPA Serge Gnabry trifft gegen Rumänen zum 1:0 für Deutschlan­d. Teamkolleg­e Kai Havertz hatte ihm den Ball vorher schön aufgelegt. Beide empfahlen sich als Angreifer für das EM-Team.

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