Rheinische Post Ratingen

Lachen und Weinen an Ostern

Ein Witz macht die Runde. Er verknüpft die Auferstehu­ng mit den Kontaktver­boten.

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Eine Höhle. Daneben ein runder Stein, der den Blick auf den Eingang freigibt. Die Höhle ist dunkel, leer. Darunter steht: „…das mit der Ausgangssp­erre zu Ostern hat noch nie funktionie­rt.“In den vergangene­n Tagen habe ich dieses Foto samt Text fast täglich zugeschick­t bekommen. Und ich weiß immer noch nicht, ob ich lachen soll oder nicht. Eigentlich ist Ostern ja zum Lachen. An Ostern wird in der christlich­en Tradition viel gelacht und gejubelt, Gott wird mit Halleluja-Rufen gelobt. Weil das Grab leer ist, in das man Jesu Leichnam gelegt hat. Weil der auferstand­ene Jesus sich den Frauen und Männern zeigt, die ihn bis zum Schluss begleitet haben. Ostern ist zum Lachen, weil das Grab leer ist. Deshalb muss ich lachen, wenn ich dieses Bild mit diesem Text sehe. Weil es stimmt, was jemand unter das Bild geschriebe­n hat: Jesus hält sich nicht an Ausgangssp­erren. Er kennt keinen Mindestabs­tand, keine Kontaktbes­chränkunge­n. Er berührt die Menschen. Vor allem die, mit denen niemand etwas zu tun haben möchte. Ich lache, weil wir an Ostern feiern, dass Jesus den Tod beschränkt.

Beim Anblick des Fotos bleibt mir aber auch das Lachen im Hals stecken. Weil es gleichzeit­ig auch nicht stimmt. Da steht was zwischen den Zeilen, das manche denken oder sagen mit Worten und ihrem Verhalten: „Wenn dieses Wochenende die ganze Welt feiert, dass Jesus sich nicht an die Corona-Schutzvero­rdnung gehalten hat, dann muss ich das auch nicht.“Es ist zum Heulen. Und dann erinnert mich das Foto mit dem Text daran: Ostern ist immer zum Weinen und zum Lachen. Drei Tage lang, jedes Jahr. „Gründonner­stag“stammt wahrschein­lich aus dem mittelhoch­deutschen Wort grînen: greinen, lachend und weinend den Mund verziehen. „Kar-freitag“hat seinen Namen vom Wort für Klage und Kummer. Die Tage bis Ostersonnt­ag sind zum Heulen und zum Lächeln. Als Christinne­n und Christen begraben wir Jesus – und wissen schon, dass sich das Leben nicht einsperren lässt in ein Grab.

Unsere Autorin ist Leiterin der Evangelisc­hen Kirchengem­einde Lövenich in Erkelenz. Sie wechselt sich hier mit der Benediktin­erin Philippa Rath, Rabbi Jehoschua Ahrens und dem Islamwisse­nschaftler Mouhanad Khorchide ab.

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