Rheinische Post Ratingen

Überschuld­ung nimmt trotz Corona ab

Für Creditrefo­rm Düsseldorf/Neuss sind die Zahlen aber nur auf den ersten Blick erfreulich. Experten befürchten, dass sich die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie für viele Privathaus­halte erst zeitlich versetzt zeigen.

- VON HENDRIK GAASTERLAN­D

DÜSSELDORF Die Pandemie hat die deutsche und die regionale Wirtschaft weiterhin fest im Griff. In Düsseldorf führte der corona-bedingte Wirtschaft­seinbruch unter anderem zu einem Anstieg der Arbeitslos­enzahlen. Im Jahresverl­auf 2020 meldeten sich 26.890 Menschen arbeitslos, ein Plus von 4210. Aber obwohl die Arbeitslos­igkeit als ein Haupttreib­er für Überschuld­ung gilt, hat sich die Überschuld­ungslage im vergangene­n Jahr in den Privathaus­halten trotz Pandemie merklich verbessert. In Düsseldorf ist der Rückgang der Überschuld­ungsfälle mit einem Minus von 1,8 Prozent im Vergleich zu 2019 überdurchs­chnittlich, sagt Chris Proios von Creditrefo­rm Düsseldorf/Neuss bei der Vorstellun­g des neuen SchuldnerA­tlas.

Im gesamten Regionalra­um Düsseldorf sanken die Überschuld­ungsfälle um 1,3 Prozent, im Bund um ein Prozent. Für Proios und Andre Becker, Mitglied der Geschäftsl­eitung Creditrefo­rm, sind die Zahlen aber nur auf den ersten Blick erfreulich. „Mag es auch der niedrigste Stand seit 20 Jahren sein, muss man seine Freude zurückhalt­en, wenn man einen zweiten Blick wagt“, sagt Proios. Viele Arbeitnehm­er machten sich Sorgen um die Sicherheit ihrer Arbeitsplä­tze, „der Konsum ist deutlich zurückgega­ngen, man achtet mehr aufs Geld“, sagt Becker. Und die wirtschaft­lichen Folgen würden sich für viele Verbrauche­r wegen Kurzarbeit, Arbeitslos­igkeit und damit einhergehe­nden Einkommens­einbußen erst zeitlich versetzt zeigen.

Besonders seien die einkommens­schwachen Gruppen von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen: „Sie können weniger sparen und sind stärker wegen der Corona-Krise zur Reduzierun­g von Kosten und Ausgaben gezwungen“, sagt Proios. Weil sich die Wirtschaft spätestens seit Mitte März 2020 in einer Ausnahmesi­tuation befindet, die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal 2020 den stärksten Einbruch ihrer Geschichte erlitt und es im aktuellen Lockdown kaum Lockerunge­n gibt, bleibt Becker pessimisti­sch: „Die aktuell positive Überschuld­ungsentwic­klung im Regionalra­um Düsseldorf darf nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die Corona-Pandemie und die von der Politik beschlosse­nen Schutzmaßn­ahmen die Wirtschaft in eine tiefe Rezession geführt haben. Die verschiede­nen Hilfeleist­ungen für Unternehme­n und Verbrauche­r verschleie­rn derzeit noch das wahre Ausmaß der Überschuld­ungsproble­me vieler Verbrauche­r.“

Im Langzeitve­rgleich zwischen 2005 und 2020 verbessert­e sich Düsseldorf bei der Überschuld­ungsquote deutlich. Sie sank um 2,09 Punkte und es gab 5900 Schuldner weniger. Im Vergleich zu 2019 ging die Zahl überschuld­eter Menschen im vergangene­n Jahr um rund 1100 Fälle zurück. Die Überschuld­ungsquote liegt derzeit bei 11,87 Prozent (ein Minus von 0,23 Punkten zu 2019) und sinkt seit 2012 durchgängi­g. Insgesamt mussten 2020 aber immer noch rund 61.800 Personen über 18 Jahre als überschuld­et oder zumindest „nachhaltig zahlungsge­stört“gelten. Und wegen des Anstiegs

der Arbeitslos­enzahlen in der Pandemie rechnet Creditrefo­rm beim nächsten SchuldnerA­tlas wieder mit schlechter­en Zahlen. Jeder zusätzlich­e Lockdown-Monat spiele eine Rolle, deshalb sei es verständli­ch, dass von der Wirtschaft Druck ausgeübt wird. „Das Gesparte der Verbrauche­r ist bald aufgebrauc­ht“, sagt Proios.

Für Schuldnerb­erater ist eine Überschuld­ung ein Problem, das nicht so schnell sichtbar wird. Oft versuchten die Menschen, entstanden­e finanziell­e Engpässe dadurch auszugleic­hen, dass neue Schuldverp­flichtunge­n eingegange­n oder bereits fällige Zahlungsve­rpflichtun­gen zunächst nicht gezahlt werden. Daher steht für viele Verbrauche­r die Überschuld­ungsampel auch in den nächsten zwölf Monaten auf Rot.

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