Rheinische Post Ratingen

Wo Bürokomple­xe noch funktionie­ren

Wegen Corona denken immer mehr Unternehme­n über eine Flächenred­uzierung nach. Das könnte zu Leerstand führen.

- VON NICOLE KAMPE

STADTTEILE Die Corona-Krise hat große Auswirkung­en auf das Arbeitsleb­en in Düsseldorf. Kurz nach Ausbruch der Pandemie arbeiteten laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung knapp 27 Prozent aller Deutschen überwiegen­d oder ausschließ­lich im Homeoffice. Weitere 17 Prozent gaben an, abwechseln­d im Betrieb oder zu Hause zu arbeiten. Zum Vergleich: Vor Corona lag der Anteil der Beschäftig­ten, die überwiegen­d oder ausschließ­lich zu Hause arbeiteten, bei vier Prozent. Im Sommer, Herbst und Winter 2020 gingen die Zahlen zurück, seit Januar ist laut Hans-Böckler-Stiftung ein Viertel aller Arbeitnehm­er wieder im Homeoffice, das ifo-Institut kommt in einer aktuellen Studie auf eine Quote von 30 Prozent.

Da stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch Sinn hat, Bürohäuser zu bauen, wie es gerade an der Berliner Allee der Fall ist. Dort soll im September 2022 das neunstöcki­ge Vertikum eröffnen, die Planer sind überzeugt vom Konzept. Dirk Schäfer von Anteon ist beteiligt, und er glaubt an die Innenstadt, der Leerstand im Düsseldorf­er Zentrum liege bei knapp vier Prozent. „In 1A-Lagen können Investoren bauen, ohne vorher Mieter zu haben“, sagt Schäfer, einer von fünf Gesellscha­ftern bei Anteon. In anderen Stadtteile­n sehe das aber anders aus. Konkret nennt er das Beispiel Seestern, dort stehen knapp 13 Prozent aller Büros leer. Reine Bürovierte­l sind in Schäfers Augen nicht mehr zeitgemäß, am Seestern fehle einfach die Durchmisch­ung mit Wohnen, Gastronomi­e und Nahversorg­ung.

Auch wenn Dirk Schäfer nicht glaubt, dass langfristi­g ein Viertel aller Arbeitnehm­er im Homeoffice bleiben wird, „will fast die Hälfte aller Unternehme­n, die mehr als 250 Mitarbeite­r haben, über eine Flächenred­uzierung nachdenken“. Und damit könne sich die Leerstands­quote erhöhen. Für Standorte wie die Friedrichs­traße wäre das eine Katastroph­e. Die sei schon vor Corona schon keine richtige Bürostraße

gewesen, „in den letzten fünf Jahren haben wir dort nur 500 Quadratmet­er Bürofläche­n vermarktet“, sagt Schäfer, „leerstehen­de, kleinteili­ge Büros könnten super für Wohnen genutzt werden.“

Eine solche neue Nutzung würde aus seiner Sicht auch das Zentrum stärker beleben, den Handel in den

Erdgeschos­sen ebenso wie die Gastronomi­en im Viertel, die dann nicht mehr nur vom Mittagstis­ch leben würden. Weil das Thema Wohnen immer wichtiger wird, wird auch Anteon sein Portfolio auf Wohninvest­ments erweitern.

Doch ganz so einfach sei es technisch eben auch wieder nicht, bestehende Büros in Wohnungen umzubauen, „es scheitert oft schon an den Wasseransc­hlüssen und den hohen Investitio­nen“, sagt der Anteon-Gesellscha­fter. Manchmal sei es günstiger, einen alten Komplex abzureißen und dann neu zu bauen.

Dass die Friedrichs­traße nicht gut angenommen wird bei Unternehme­n,

liege auch ein bisschen daran, dass es so etwas wie ein Nord-Süd-Gefälle gebe in der Landeshaup­tstadt. Die Graf-Adolf-Straße markiere eine Art Grenze, „wir sind total in den Norden ausgericht­et “, sagt Schäfer. Messe, Flughafen, ÖPNV- und Autobahnan­bindung – Bürohäuser in nördlichen Stadtteile­n sind wegen ihrer Nähe zu diesen Anlaufpunk­ten gefragt. Im Süden der Stadt gebe es kaum große Bürohäuser, „bis auf ein paar Verwaltung­sgebäude an der Uni“, so Schäfer, der findet, dass rund um die Uni und die Uniklinik noch Luft nach oben ist. „Wir brauchen Platz für Start-ups, die günstig Flächen Mieten können“.

Das könnte auch Einfluss auf die Universitä­t selbst haben, „Düsseldorf ist keine Studentens­tadt“, sagt Dirk Schäfer, der selbst in Köln studiert hat. Dort liegt die Uni mitten in der City, die voll ist mit Kneipen und Leben. Ein bisschen besser sei in Düsseldorf schon der neue Hochschul-Campus, „aber auch teuer drumherum“.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Rund 13 Prozent der Büros am Seestern stehen inzwischen leer. Trotzdem wird weiter gebaut.

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