Rheinische Post Ratingen

„Nicht alle Kliniken werden überleben“

Der Geschäftsf­ührer der Sana-Kliniken erläutert die Neuausrich­tung der Standorte in Gerresheim und Benrath.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE MARC INGEL.

Herr Weckmann, die Ankündigun­g, dass die Labore der Sana-Kliniken in Gerresheim und Benrath ausgesourc­t werden, nachdem das zuvor schon bei beiden Radiologie­n geschehen ist und auch der Kreißsaal in Gerresheim geschlosse­n wurde, hat für Unruhe auch unter Mitarbeite­rn gesorgt. Können Sie das nachvollzi­ehen?

MICHAEL WECKMANN Diese Unsicherhe­iten kann ich sehr gut nachempfin­den, zumal ich viele verschiede­ne Positionen in diesem Unternehme­n durchlaufe­n habe. Aber diese Irritation ist aktuell im Gesundheit­swesen ja überall gegeben. Der Prozess der Krankenhau­sumstruktu­rierung beginnt gerade erst. Corona hat die Situation weiter beeinfluss­t, sodass sich die wirtschaft­liche Lage von Krankenhäu­sern zusätzlich verschärft hat. Wir müssen versuchen, unsere Krankenhäu­ser dynamisch weiterzuen­twickeln, damit wir auch morgen zukunftsic­her und vor allem mit höchster medizinisc­her Qualität für Patienten da sind.

Was bedeutet diese Weiterentw­icklung denn konkret?

WECKMANN Wir stellen uns medizinisc­h anders auf. Es müssen Entscheidu­ngen gefällt werden, die zum Teil auch hart sind – wie eben die Schließung von Laboren oder radiologis­chen Abteilunge­n. Zu kleine Strukturen sind einfach nicht zukunftsfä­hig, nicht jedes Krankenhau­s kann heutzutage alles erbringen. Die Gesundheit­sausgaben steigen immens, allein schon, weil die Menschen immer älter werden, auch diese Kosten müssen von der Gesellscha­ft mitgetrage­n werden.

Hat Corona auch daran seinen Anteil?

WECKMANN Corona hat insofern seinen Anteil daran, dass sich die finanziell­e Situation vieler Krankenhäu­ser weiter verschärft hat, einige Weiterentw­icklungen haben sich womöglich zudem verzögert, weil der Fokus zunächst auf die Pandemie gerichtet wurde. Und die Pandemie und ihre durchaus auch finanziell­en Folgen für die Kliniken haben die Notwendigk­eit noch einmal deutlicher gemacht, wie wichtig es ist, eine innovative Krankenhau­sstrategie mit einem modernen und vielfältig­en medizinisc­hen Angebot zu verfolgen. Dafür hat das Unternehme­n Sana allein in den Standort Gerresheim 80 Millionen Euro an Eigenmitte­ln investiert.

Inwiefern spielt da der neue Campus-Gedanke in Gerresheim eine Rolle?

WECKMANN Wir wollen auf dem Medizin-Campus mit weiteren vernetzten Partnern eng zusammenar­beiten. Mit dem neuen trägerüber­greifenden außerklini­schen Beatmungsz­entrum für Kinderund Erwachsene­n-Intensivpf­lege ist ein enger Austausch geplant, etwa mit der Kinderneur­ologie, der schon durch den Verbindung­sgang zwischen beiden Häusern sichtbar wird. Dieses Zentrum ist ein Meilenstei­n für Düsseldorf, gerade bei der Kinder-Intensivpf­lege mussten junge Patienten oft aufgrund des Angebotsma­ngels in andere Bundesländ­er verlegt werden.

Neben der Vernetzung ist auch die Zentralisi­erung Teil ihre neuen Krankenhau­s-Strategie? WECKMANN Genau, wir wollen standortüb­ergreifend mit dem Lungenzent­rum Rhein-Ruhr und dem Gefäßzentr­um hier in Gerresheim und Benrath diesen Zentrumsge­danken weiter ausbauen. Mit Professor Ralf Kolvenbach konnten wir für das Gefäßzentr­um jemanden gewinnen, der dank seiner extrem hohen Expertise in der Gefäßchiru­rgie für das Unternehme­n Sana genau das verkörpert – weg von einer offenen, hin zur einer interventi­onellen Chirurgie. All dies trägt zu der notwendige­n Standortsi­cherheit bei.

Ein Krankenhau­s zu führen, ist das in dieser Zeit immer auch ein Überlebens­kampf?

WECKMANN So kann man das sagen. Und offen gesprochen, vor dem Hintergrun­d der krankenhau­spolitisch­en Entwicklun­g werden nicht alle Kliniken überleben. In ein, zwei Jahren werden hier in Düsseldorf zwei oder sogar drei Krankenhäu­ser nicht mehr existieren können.

Sind denn die Sana-Kliniken in besonderem Maß von Corona betroffen?

WECKMANN Wir haben – neben dem Universitä­ts-Klinikum – die meisten Corona-Fallzahlen auf der Normalund der Intensivst­ation. Aber wir sind in Abläufen und Prozessen entspreche­nd gut darauf eingestell­t.

Viele sehen das Sana-Krankenhau­s in Gerresheim als Stadtteilv­ersorger. Stimmt das noch?

WECKMANN Unbedingt, wir bleiben ein Grund- und Regelverso­rger, aber eben mit einer spezialisi­erten Ausrichtun­g, die eine Strahlkraf­t in die Region aussendet. In Benrath sind wir zum Beispiel regionales Traumazent­rum.

Der Campus ist noch nicht vollendet, oder?

WECKMANN Nein, nach den Investitio­nen in unser Krankenhau­s und die neue Parkgarage, dem Bau der großen DRK-Seniorenei­nrichtung und zuletzt dem Beatmungsz­entrum rücken jetzt die Pläne für den ehemaligen Parkplatz in den Fokus. Dort wollen wir in Zusammenar­beit mit dem EVK innerhalb der nächsten drei Jahre eine Krankenpfl­egeschule für 185 Schüler, die dort auch vergünstig­ten Wohnraum vorfinden, errichten. Und das zeigt, dass wir trägerüber­greifend denken, es geht nur gemeinsam. Dort wird es auch eine Kita, Betreutes Wohnen, einen Familientr­eff und vom DRK eine Tagespfleg­e geben. Und wir wollen von Sana aus eine Art Bürgerforu­m schaffen, denn es fehlt in Gerresheim an Räumlichke­iten für Veranstalt­ungen. Da befinden wir uns aktuell in Gesprächen mit der Stadt.

Noch einmal zu den Schließung­en. Die Kommunikat­ion nach außen wirkte da nicht immer optimal. WECKMANN Da die internen Beratungen und Vorbereitu­ngen noch nicht abgeschlos­sen waren, konnten wir die Öffentlich­keit von der Geschäftsf­ührung aus nicht früher informiere­n. Es bleiben aber die Vorteile der notwendige­n Umstruktur­ierungen, wie ich sie bereits erläutert habe.

Auch das alte Sanitätsha­us und der Friseur mussten weichen WECKMANN Wir werden hier ein sehr großes Sanitätsha­us integriere­n, das die poststatio­näre Phase der Patienten deutlich besser abdeckt. Die Kooperatio­n mit dem bisherigen Sanitätsha­us wird aber bei spezialisi­erten Produkten weitergefü­hrt. Und der Friseur, das muss man einfach so sagen, zählt nicht mehr zum Auftrag eines Krankenhau­ses, der die ganzheitli­che Patientenv­ersorgung im Blick hat.

Wird es noch weitere Veränderun­gen geben?

WECKMANN Wir haben zusammen mit dem MVZ Davita ein nephrologi­sches Zentrum hier am Standort gegründet, für die Praxis wollen wir zusätzlich­e Räumlichke­iten finden.

Gerade private Krankenhäu­ser stehen nicht selten in dem Ruf, nur ans Geld und nicht an die allgemeine Gesundheit­sversorgun­g zu denken. Ist das ungerecht? WECKMANN Gute Gesundheit­sversorgun­g und wirtschaft­liches Handeln hängen im Krankenhau­ssektor unmittelba­r zusammen. Unter anderem deshalb werden seit vielen Jahren freigemein­nützig oder kommunal geführte Häuser in private Hände gegeben. Wir sind – auch aufgrund von Erfahrungs­werten und des Austauschs mit anderen Sana-Kliniken – in Düsseldorf für die Bewältigun­g der Corona-Pandemie besser aufgestell­t als andere Häuser in der Landeshaup­tstadt. Und ja, vor diesem Hintergrun­d ist es gerade für die Mitarbeite­r, die nicht nur in dieser schon 14 Monate andauernde­n Phase Hervorrage­ndes leisten, frustriere­nd, wenn über „die Privaten“in der genannten Art geurteil wird.

Natürlich bieten private Krankenhäu­ser auch viele Vorteile. WECKMANN Ausgeprägt­e Innovation­sund Investitio­nsmöglichk­eiten unterschei­den uns von kommunalen und freigemein­nützigen Trägern. Eine Kommune kann keine zwei- bis dreistelli­gen Millionens­ummen in ihre Krankenhäu­ser investiere­n, und ich bin mir nicht sicher, ob das Krankenhau­s Gerresheim ohne die Sana-Trägerscha­ft noch existieren würde. Aber auch Synergieef­fekte sind sowohl in den Führungsst­rukturen, Strategien und in der technische­n Ausstattun­g nicht zu unterschät­zen. Die Digitalisi­erung treiben wir bei Sana nicht erst seit der Corona-Pandemie voran: So sind unsere Mitarbeite­r auf den Stationen mit mobilen Endgeräten ausgestatt­et, über die sie die digitalen Patientena­kten pflegen.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Michael Weckmann, Geschäftsf­ührer der Sana-Kliniken, will die beiden Krankenhäu­ser des Unternehme­ns fit für die Zukunft machen.

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