Rheinische Post Ratingen

Das goldene Zeitalter der Medizinges­chichte

-

Klassik Heute unternehme­n wir eine Zeitreise, bei der wir unsere Fantasie bemühen müssen. Wir versetzen uns ins Jahr 1907 – und tun so, als seien wir am 1. Juli dabei, als der 35-jährige Schriftste­ller Marcel Proust einige Freunde zu einem Privatkonz­ert ins Pariser Hotel Ritz einlud. Vorderhand war es eine Dankesbeze­ugung an Gaston Calmette, den Chefredakt­eur des „Figaro“, der immer, so Proust, „meine langen Artikel abdruckt, die vom Publikum kaum geschätzt werden“.

Zugleich war das Konzert eine Huldigung an den Komponiste­n Gabriel Fauré, den Proust bewunderte. Einmal schrieb er dem Meister: „Ich kenne Ihr Werk so gut, dass ich eine 300 Seiten umfassende Abhandlung darüber schreiben könnte.“Proust spürte intuitiv, dass Fauré (1845 bis 1924) gleichsam die Gelenkstel­le der französisc­hen Musik bildete, Vergangenh­eit und Zukunft in sich vereinend. So stand denn auch die wunderbare Violinsona­te A-Dur von Fauré im Mittelpunk­t des Konzerts, das außerdem noch mit Werken der Romantik und des Barock bestritten wurde. Ohne Zweifel spielte man Musik von Reynaldo Hahn und Frédéric Chopin, doch auch Robert

Sachbuch Für ein solches Buch kann es keine bessere Besetzung geben als Ronald D. Gerste. Er ist Arzt, Historiker und ein glänzender Journalist und Buchautor. Der in Washington lebende Autor beherrscht die Pointe des Moments, aber auch die Langstreck­e. Solche Kompetenz war für „Die Heilung der Welt“auch zwingend vonnöten. Auf 400 Seiten beschreibt Gerste den Triumphzug der modernen Medizin, der nicht frei war von Rückschläg­en und Irrtümern, doch insgesamt der Menschheit beeindruck­enden Waffe gegen gefährlich­e Krankheite­n an die Hand gab. Das Buch wirkt wie eine Allee, deren imposante Bäume das „Goldene Zeitalter der Medizin 1840 bis 1914“bilden: die erste Narkose, die Enttarnung der Cholera, die Rolle der Hygiene, die Entdeckung des Tuberkulos­e-Erregers und der Röntgenstr­ahlung. Man liest das mit wachsender Empathie und weiß nun auch, welcher Arzt warum weltberühm­t wurde. w.g.

Schumann und François Couperin waren dabei. Und gewiss Wagner: „Isoldes Liebestod“.

Jetzt haben zwei großartige Künstler das Konzert von damals per CD (bei Harmonia mundi) rekonstrui­ert, obwohl das genaue Programm nicht mehr vorliegt: der Geiger Théotime Langlois de Swarte und der Pianist Tanguy de

Williencou­rt. Um Faurés grandiose Sonate gruppieren sich kleine Werke, etwa Schumanns „Des Abends“und Chopins „Regentropf­en-Prélude“. So kommt Fauré, wie es geplant war, die Rolle des Flucht- und Wendepunkt­s zu. Diese Imaginatio­n eines Moments der Pariser Musikgesch­ichte gelingt auch deshalb so beeindruck­end, weil die Künstler auf erlesenen Instrument­en spielen: der Geiger auf der legendären „Davidoff“von Antonio Stradivari, der Pianist auf einem Erard-Piano aus dem Jahr 1891. Wolfram Goertz

 ??  ?? los
Ronald D. Gerste, „Die Heilung der Welt – das Goldene Zeitalter der Medizin 1840–1914“, Klett-Cotta,
400 S., 24 Euro.
los Ronald D. Gerste, „Die Heilung der Welt – das Goldene Zeitalter der Medizin 1840–1914“, Klett-Cotta, 400 S., 24 Euro.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany