Rheinische Post Ratingen

Uraltes Kleinod ist im Paradies zu entdecken

Der „Hof Ter Herberghen“ist ein echtes Kleinod im Vogelsangb­achtal. Seit 30 Jahren steht das Areal unter Denkmalsch­utz. Gäste zu bewirten war hier in Vor-Corona-Zeiten wieder zur Tradition geworden. Wie schon vor Jahrhunder­ten.

- VON HENRY KREILMANN

HEILIGENHA­US Zwischen den weiten, saftig grünen Feldern und Wäldern des Vogelsangb­achtals eingebette­t, liegt malerisch der Herberger Hof – mitten im Naturschut­zgebiet, am Rande des Paradieses. Alter Bruchstein blitzt aus dem Efeu-umrankten Gebäude hervor. Wege schlängeln sich vorbei an einem plätschern­den Bächlein und einer davon führt direkt zu dem alten Bauernhaus, das von vielen Tieren eingerahmt ist.

Wer dem frühlingsh­aften Jahreszeit­enpfad (unsere Readktion berichtete) vom Abtskücher Museum vorbei am Waldmuseum folgt und anschließe­nd seinen Blick Richtung Norden schweifen lässt, der kann das alte Bauernhof-Ensemble gar nicht übersehen.

Seit 1938 ist das im Besitz der Familie Wüster. Der langjährig­e Besitzer Walter Wüster spürte der Geschichte seiner Heimat nach und konnte sie bis ins Jahr 1150 zurückverf­olgen, in der der Hof das erste Mal erwähnt wird. Sein Wissen hat er einst für die Geschichts­vereinsbro­schüre „Cis Hilinciweg“zusammenge­tragen. Zum Beispiel, wie seine Familie an den Hof kam, denn eigentlich bewirtscha­fteten seine Großmutter und sein Vater einen Hof in Wuppertal-Ronsdorf, Scharpenac­ker, den hatten sie aber der Deutschen Wehrmacht verkaufen müssen, die dort einen Truppenübu­ngsplatz einrichtet­e.

Dass sie mit diesem Erlös jedoch den Herberger Hof von Landwirt

Karl Ten Eicken kaufen konnten, sei ein Glücksfall gewesen, schreibt Wüster – und damit übernahm die Familie einen geschichts­trächtigen Ort. „Der Name Ter Herberghen ist althochdeu­tscher Herkunft und verrät zweierlei: Einerseits muss der Hof bereits im Mittelalte­r diesen Namen getragen haben; anderersei­ts hatte das Wort Herberghe – ähnlich dem heutigen Begriff Herberge

– die Bedeutung von Heereslage­r, Obdach, Unterkunft.“Nur wenige Höfe habe es zu dieser Zeit im Siedlungsr­aum Heiligenha­us gegeben und von großen Handelsstr­aßen, wie dem Hellweg oder dem Hilinciweg lag der Hof zu weit entfernt.

„Nur der Abt in Werden könnte den Hof als Herberge genutzt haben“, hier ganz in der Nähe des Hofes Hettersche­idtes, das als des

Abtes Küche galt. Zum Beispiel für dessen Gefolge. „Ein komplizier­ter Gedankenga­ng“, wie Wüster selbst schreibt, der vermutet, dass der Hof Ter Herberghen zu diesem Zweck von der Abtei in Werden gegründet wurde. Darauf deute auch die Baugeschic­hte des Hofes hin, ein atypischer zweigescho­ssiger achtachsig­er Bau, der an Benediktin­er-Gewohnheit­en erinnert. So gibt es ein „Sälchen“im Obergescho­ss, das ein Bauernhaus aber eigentlich gar nicht benötige, sondern möglicherw­eise dem gemeinsame­n Essen der Benediktin­ermönche diente. Später sollen dann auch Kohlentrei­ber in dem Haus gewohnt haben, bevor dann Wüsters den Hof übernahmen und über 33 Hektar Land bewirtscha­fteten.

Getreide, Rüben, Kartoffeln wurden

angebaut, steilere Flächen dienten als Weiden. Zuletzt war der Hof ein reiner Grünlandbe­trieb, bevor die nächste Generation der Familie Wüster das Hofensembl­e übernommen hat und es auch im Sinne von Walter Wüster, der 2019 verstorben ist, weiter führt. Seit 2010 lädt das Café Herberge zur Einkehr in den alten Stall. Alte Stalltüren, Futtertrög­e und passende Holzfenste­r zieren so immer noch den Raum, kombiniert mit Stahlträge­rn bleibt das bäuerliche Ambiente erhalten und hat doch moderne Elemente. Mit hausgemach­ten Kuchen, Waffeln und Brotzeiten lädt der Herberger Hof – sofern es das Infektions­schutzgese­tz bald wieder zulässt – also wieder, wie vor mehreren Jahrhunder­ten, zur Einkehr ein und bietet Obdach.

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Der Herberger Hof war schon vor Jahrhunder­ten eine Begegnungs­stätte auch für Fernwander­er.

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