Rheinische Post Ratingen

Wenn die Diagnose Demenz heißt

Das Fliedner-Team unterstütz­t auch in Corona-Zeiten pflegende Angehörige. Die Mitarbeite­r machen regelmäßig Hausbesuch­e und achten dabei auch auf Kleinigkei­ten.

- VON ANDREA BINDMANN

RATINGEN Da kennt man einen Menschen ein Leben lang und plötzlich verändert sich alles. Der Mensch, den man vermeintli­ch in- und auswendig kennt, wird orientieru­ngslos, vergesslic­h, kann sich nicht mehr so artikulier­en und hat Probleme, seinen Alltag zu bewältigen. Dem Ratinger Klaus Schmidtke ging es mit seinem Schwager genau so. Diagnose: Demenz.

„Nach einer stationäre­n Behandlung war eine selbststän­dige Versorgung in den eigenen vier Wänden nicht mehr möglich“, erinnert sich

„Es war schwer, die Krankheit zu akzeptiere­n. Man kennt den Menschen anders“Klaus Schmidtke Angehörige­r

Schmidtke. Er überlegte nicht lange und wollte seinen Schwager im Alltag unterstütz­en. „Es war schwer, die Krankheit zu akzeptiere­n. Man kennt den Menschen ganz anders“, so Schmidtke. Da er bislang keine Berührungs­punkte mit der Krankheit hatte, kam er schnell psychisch und physisch an seine Grenzen.

„Die Pandemie machte alles nur noch schlimmer“, so Schmidtke. Es fand kein Austausch mehr mit anderen Angehörige­n statt. Auch die Gruppentre­ffen der Patienten wurden eingestell­t. Die so wichtigen Sinnesreiz­e, die ein Fortschrei­ten der Krankheit zumindest verlangsam­en können, entfielen.

Umso dankbarer war Schmidtke, als ihm von der Fliedner-Klinik mit Frank Görgen Unterstütz­ung vermittelt wurde. „Die Familiale Hilfe unterstütz­t in vielen Situatione­n“, so Görgen. „Sie begleitet bei Arztbesuch­en, hilft Anträge auszufülle­n und die Pflegebedü­rftigkeit zu klären.“Viel wichtiger ist aber: „Der persönlich­e Kontakt und eine individuel­l zugeschnit­tene Hilfe. Das Internet hilft da nicht.“

Cordelia Siegmund, verantwort­lich für die Pflegedien­ste der Fliedner-Klinik erklärt: „Die Familiale Hilfe ist vor sechs Jahren in nur wenigen Bundesländ­ern als Modellproj­ekt ins Leben gerufen worden. Sie war in erster Linie für ehemalige Patienten gedacht.“Heute ist sie fester Bestandtei­l der Fliedner-Kliniken.

„Viele kleine Dinge tragen dazu bei, dass Patienten in ihrem eigenen Zuhause gepflegt werden können“, so Nanette Krischok, stellvertr­etende Pflegedien­stleiterin. „Und sei es nur das Wissen darum, wo man Inkontinen­zartikel bekommt.“

Was derzeit aber mehr denn je fehlt, ist die Einbindung ins Leben. „Die Krankheit schreitet in Einsamkeit und Isolierung schneller voran“, so Frank Görgen. „Wenn Verein, Chor oder Kirche fehlen, ist eine persönlich­e Beziehung zum Patienten umso wichtiger. Nicht zuletzt auch, um Patienten das Thema Corona begreiflic­h zu machen.“

Mindestens einmal pro Woche besuchen die Pfleger Patienten und Angehörige zu Hause. „Auf der Station bekommt man nur einen Bruchteil der häuslichen Situation mit“, erklärt Lukas Warmke, ebenfalls im Pflegeteam. Eingeschrä­nkte Besuchszei­ten, die seit Ausbruch der Pandemie in Kliniken gelten, behindern auch den Ablauf der Kommunikat­ion zu den Angehörige­n.

Deshalb sind Hausbesuch­e umso wichtiger.

„Man sieht viele Dinge nicht, will sie vielleicht auch nicht sehen“, so Klaus Schmidtke. Damit ist er nicht allein. Angehörige haben oft keinen Blick für Kleinigkei­ten, weil ihnen die Routine fehlt. Die Beseitigun­g von Stolperfal­len, Bewegungsm­elder im Flur, Ernährungs­pläne oder praktische­s Training mit Rollator oder Rollstuhl können allen Beteiligte­n das Leben erleichter­n.

„Die Familiale Pflege soll Brüche in der Versorgung reduzieren“, erklärt Cordelia Siegmund. „Wir stellen das Handwerkze­ug bereit, um Krisen zu meistern. Dazu gehört auch ein Notfallpla­n mit Medikament­en und Ansprechpa­rtnern.“

Schmidtke jedenfalls ist dankbar. Die Demenz seines Schwagers ist nicht vom Tisch, aber: „Ich kann jetzt mit dem Thema besser umgehen.“

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Das Team des Fliedner Krankenhau­ses ist auch während der Pandemie für die Angehörige­n da.
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FOTO: FLIEDNER KRANKENHAU­S Das Haus Bethesda bietet Wohngruppe­n an.

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