Wenn die Diagnose Demenz heißt
Das Fliedner-Team unterstützt auch in Corona-Zeiten pflegende Angehörige. Die Mitarbeiter machen regelmäßig Hausbesuche und achten dabei auch auf Kleinigkeiten.
RATINGEN Da kennt man einen Menschen ein Leben lang und plötzlich verändert sich alles. Der Mensch, den man vermeintlich in- und auswendig kennt, wird orientierungslos, vergesslich, kann sich nicht mehr so artikulieren und hat Probleme, seinen Alltag zu bewältigen. Dem Ratinger Klaus Schmidtke ging es mit seinem Schwager genau so. Diagnose: Demenz.
„Nach einer stationären Behandlung war eine selbstständige Versorgung in den eigenen vier Wänden nicht mehr möglich“, erinnert sich
„Es war schwer, die Krankheit zu akzeptieren. Man kennt den Menschen anders“Klaus Schmidtke Angehöriger
Schmidtke. Er überlegte nicht lange und wollte seinen Schwager im Alltag unterstützen. „Es war schwer, die Krankheit zu akzeptieren. Man kennt den Menschen ganz anders“, so Schmidtke. Da er bislang keine Berührungspunkte mit der Krankheit hatte, kam er schnell psychisch und physisch an seine Grenzen.
„Die Pandemie machte alles nur noch schlimmer“, so Schmidtke. Es fand kein Austausch mehr mit anderen Angehörigen statt. Auch die Gruppentreffen der Patienten wurden eingestellt. Die so wichtigen Sinnesreize, die ein Fortschreiten der Krankheit zumindest verlangsamen können, entfielen.
Umso dankbarer war Schmidtke, als ihm von der Fliedner-Klinik mit Frank Görgen Unterstützung vermittelt wurde. „Die Familiale Hilfe unterstützt in vielen Situationen“, so Görgen. „Sie begleitet bei Arztbesuchen, hilft Anträge auszufüllen und die Pflegebedürftigkeit zu klären.“Viel wichtiger ist aber: „Der persönliche Kontakt und eine individuell zugeschnittene Hilfe. Das Internet hilft da nicht.“
Cordelia Siegmund, verantwortlich für die Pflegedienste der Fliedner-Klinik erklärt: „Die Familiale Hilfe ist vor sechs Jahren in nur wenigen Bundesländern als Modellprojekt ins Leben gerufen worden. Sie war in erster Linie für ehemalige Patienten gedacht.“Heute ist sie fester Bestandteil der Fliedner-Kliniken.
„Viele kleine Dinge tragen dazu bei, dass Patienten in ihrem eigenen Zuhause gepflegt werden können“, so Nanette Krischok, stellvertretende Pflegedienstleiterin. „Und sei es nur das Wissen darum, wo man Inkontinenzartikel bekommt.“
Was derzeit aber mehr denn je fehlt, ist die Einbindung ins Leben. „Die Krankheit schreitet in Einsamkeit und Isolierung schneller voran“, so Frank Görgen. „Wenn Verein, Chor oder Kirche fehlen, ist eine persönliche Beziehung zum Patienten umso wichtiger. Nicht zuletzt auch, um Patienten das Thema Corona begreiflich zu machen.“
Mindestens einmal pro Woche besuchen die Pfleger Patienten und Angehörige zu Hause. „Auf der Station bekommt man nur einen Bruchteil der häuslichen Situation mit“, erklärt Lukas Warmke, ebenfalls im Pflegeteam. Eingeschränkte Besuchszeiten, die seit Ausbruch der Pandemie in Kliniken gelten, behindern auch den Ablauf der Kommunikation zu den Angehörigen.
Deshalb sind Hausbesuche umso wichtiger.
„Man sieht viele Dinge nicht, will sie vielleicht auch nicht sehen“, so Klaus Schmidtke. Damit ist er nicht allein. Angehörige haben oft keinen Blick für Kleinigkeiten, weil ihnen die Routine fehlt. Die Beseitigung von Stolperfallen, Bewegungsmelder im Flur, Ernährungspläne oder praktisches Training mit Rollator oder Rollstuhl können allen Beteiligten das Leben erleichtern.
„Die Familiale Pflege soll Brüche in der Versorgung reduzieren“, erklärt Cordelia Siegmund. „Wir stellen das Handwerkzeug bereit, um Krisen zu meistern. Dazu gehört auch ein Notfallplan mit Medikamenten und Ansprechpartnern.“
Schmidtke jedenfalls ist dankbar. Die Demenz seines Schwagers ist nicht vom Tisch, aber: „Ich kann jetzt mit dem Thema besser umgehen.“