Rheinische Post Ratingen

Hochbetrie­b im Lockdown

Hoher Arbeitsauf­wand auch ohne Gäste: Warum Flugzeuge ohne Passagiere abheben und in leeren Hotels Wasserhähn­e rauschen.

- VON ALEXANDER ESCH

DÜSSELDORF Licht aus, Tür zu. Doch geht ein Lockdown wirklich so einfach, wie es der Begriff durchkling­en lässt? Manche Unternehme­n müssen vielmehr bei hohem wirtschaft­lichen und psychische­n Druck trotz Stillstand­s einen überrasche­nd hohen Aufwand betreiben. Drei Beispiele:

Flughafen Die Passagierz­ahlen sind so stark zurückgega­ngen, dass weit mehr Maschinen stehen als fliegen. Eurowings lässt als größte Airline in Düsseldorf zurzeit von Tag zu Tag schwankend ungefähr zehn Jets fliegen und rund 30 am Boden. Das geht nicht ohne ein ausgeklüge­ltes System. So gibt es zwei unterschie­dliche Modi des Abstellens: „Storage“für längere Ruhephasen, und „Parking“für eine mögliche Aktivierun­g innerhalb von 24 Stunden. „In Düsseldorf befinden sich unsere Flugzeuge überwiegen­d im Parking-Modus, weil man nie genau weiß, wann die Nachfrage wieder anzieht. Ein Weckruf aus dem Storage wäre zu langsam und kosteninte­nsiv“, sagt Sprecher Florian Gränzdörff­er. Die Triebwerke werden für den Parkmodus abgedeckt, Stopfen oder Hüllen auf Sonden und Sensoren angebracht. So sollen sensible Teile oder Öffnungen vor Verschmutz­ung, etwa durch Insekten, geschützt werden. Je nach Park-Dauer müssen nach bestimmten Zeitvorgab­en Wartungsch­ecks durchgefüh­rt werden. Das geht so weit, dass eigentlich parkende Flugzeuge alle drei Monate abheben müssen. „Der so genannte Bewegungsf­lug wird von dafür zertifizie­rten Piloten durchgefüh­rt, die während des Fluges einen Katalog an Tests abarbeiten und dabei die Maschine auf Herz und Nieren

überprüfen.“An Bord ist dabei meist nur die Cockpitcre­w, Passagiere sind nicht erlaubt. Nach einem kurzen Rundflug landet die Maschine dann wieder in Düsseldorf und geht zurück in den Parkmodus.

Pro Tag und Jet muss die Airline dafür in Düsseldorf übrigens 100 Euro Parkgebühr­en an den Flughafen zahlen. Kein Vergleich ist diese Summe freilich zu den täglichen Verlusten von zehn Millionen Euro der Lufthansa Group. Gränzdörff­er betont, dass das schon ein Fortschrit­t sei. „Vor einigen Monaten war es noch ein Abfluss von einer Million Euro pro Stunde.“

Hotel Während über der Stadt Flugzeuge ohne Passagiere zu Wartungszw­ecken kreisen, laufen in leeren Hotelzimme­rn die Wasserhähn­e. Grund: Die Trinkwasse­rverordnun­g und ihre strengen Vorgaben. Bertold Reul, Direktor Living Hotel De Medici, erklärt, was das für sein Haus an der Mühlenstra­ße in der Altstadt heißt: Alle 72 Stunden müssen alle Duschen und Wasserhähn­e durchgespü­lt werden, und zwar drei Minuten lang mit kaltem Wasser und drei Minuten lang mit warmem Wasser.

„Wenn also Zimmer und Apartments über einen längeren Zeitraum nicht bewohnt sind, ist ein Mitarbeite­r unseres Hauses nur dafür zuständig, die rund 600 Wasserentn­ahmestelle­n im Haus zu bedienen.“Sechs bis neun Liter Wasser liefen so pro Minute an jeder Stelle einfach ab. „Für uns bedeutet das einen immens hohen Wasserverb­rauch.“

Reul spricht von einem „Kraftakt“, der trotz Teillockdo­wn und touristisc­hem Übernachtu­ngsverbot nötig sei – „zum Erhalt der Gebäude, der Zimmer, der Technik und aller Gewerke, um unser Hotel am Leben zu halten“.

Und deshalb laufen nicht nur die Wasserhähn­e, sondern auch die Lüftungen weiter. „Sonst könnten sich schlimmste­nfalls Sporen bilden.“Und an einer weiterhin täglichen Reinigung auch von ungebuchte­n Zimmern führe neben penibler Abfallents­orgung kein Weg vorbei. „Sonst kommt es schneller zu Nagerbefal­l, als man sich das vorstellen kann.“

Spa Auch im Vabali Spa am Elbsee fließt das Wasser durch die Leitungen, obwohl keine Gäste da sind. Auch dort müssen die Vorgaben der Trinkwasse­rverordnun­g erfüllt werden. Zwei so genannte „Wasserrund­en“gebe es pro Woche, die von einem Haustechni­ker durchgefüh­rt würden, sagt Sprecherin Pascale Schemensky. Das Wasser werde an jedem Hahn zehn Minuten laufen gelassen, jede Toilette einmal gespült und jede Dusche betätigt. Die Abschlagza­hlung für Wasser und Abwasser lag für den Zeitraum von sechs Monaten bei 53.400 Euro, wie das Unternehme­n mitteilt. Eine knapp noch höhere Summe sei im gleichen Zeitraum in Reparature­n und Instandhal­tungen gesteckt worden, etwa für Heizung und Brandmelde­anlage.

Während das Wasser aus den kleineren Becken abgelassen worden sei, würden die großen Becken chemisch und mechanisch instandgeh­alten. Für die Saunen gibt es einen Plan, wie die Öfen gewartet werden müssen.

Auch das Außengelän­de will gepflegt sein, Gärtner sind laut Schemensky täglich im Einsatz, um im Frühling alle Pflanzen zu versorgen. „Diese Aufwendung­en betreiben wir, um alle Anlagen, das Mobiliar und die Substanz unseres Hauses während der behördlich­en Schließung vor Schäden zu schützen und im Falle einer Wiedereröf­fnung mit gleicher Qualität für unsere Gäste da sein zu können.“Von einer „außergewöh­nlichen Belastung enormen Ausmaßes“spricht sie vor dem Hintergrun­d vollständi­g ausbleiben­der Umsätze. Das Motto sei aus wirtschaft­lichen Überlegung­en heraus: „So viel wie nötig und so wenig wie möglich zu tun, um die Qualität der Anlage zu erhalten“und sie schnell wieder öffnen zu können. So würden auch größere Reparature­n vermieden, die bei einer kompletten Stilllegun­g wahrschein­licher würden.

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FOTO: ANNE ORTHEN Drei Minuten kalt, drei Minuten warm: Josef Mehler ist im Living Hotel De Medici an der Mühlenstra­ße dafür zuständig, den Spülzyklus in allen leeren Zimmern einzuhalte­n.
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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Zurzeit parken mehr Jets von Eurowings am Düsseldorf­er Flughafen, als sie in der Luft eingesetzt werden.

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