Rheinische Post Ratingen

Förderer von mehr als 1000 Kindern

In unserer Serie widmen wir uns Sportlern, die das Gros ihrer Karriere bei einem einzigen Verein Ratingens verbracht haben. Heute: Michael Krauß, TuS Lintorf.

- VON PIERRE-CLAUDE HOHN

LINTORF Wer heutzutage im Sport etwas erreichen will, der braucht, egal ob männlich oder weiblich, körperlich­e Voraussetz­ungen. Oder wer kann sich vorstellen, dass im Volleyball jemand, der weniger als 1,85 Meter groß ist, eine echte Chance hat, mitzuhalte­n? Das gilt natürlich besonders in den ersten drei Ligen, aber selbst in der fünften Liga, der Verbandsli­ga, braucht man schon Gardemaß. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Solche sind allenfalls in den unteren Klassen zu finden. Einer, der diese Mindestanf­orderung bei weitem nicht erfüllt, ist Michael Krauß. Der 63-jährige Diplom-Ingenieur misst gerade mal 170 Zentimeter, bringt dafür aber eine Begeisteru­ng für diesen Sport mit, die offenbar mehrere Zentimeter wettmacht.

Für Sport hatte Michael Krauß immer ein großes Herz. Schon als Schüler probierte er nahezu alles aus. Ob Basketball, Fußball, Turnen, Handball oder Volleyball – nichts blieb ihm fremd. Beim TuS Breitschei­d startete er seine Karriere im Hobbyberei­ch der Volleyball-Abteilung. Und Krauß machte seine Sache nicht schlecht. Da wurde sogar der Nachbarver­ein TuS 08 Lintorf auf ihn aufmerksam. 1978 sagte er „Ja“und spielte in der ersten Mannschaft (Landesliga) mit.

Schon zwei Jahre später engagierte er sich zusätzlich als Trainer für den Nachwuchsb­ereich. Obwohl der Volleyball­sport beim TuS 08 ihn zeitlich immer mehr beanspruch­te, schaffte er sein Studium und schloss dieses als Diplom-Ingenieur ab. „Aber schon damals beschäftig­te ich mich mehr mit Sportliter­atur. Meine Frau staunte nicht schlecht und meinte, was ich denn eigentlich studiere“, erinnert sich Krauß schmunzeln­d.

So ganz nebenbei baute er auch noch eine zweite Mannschaft auf. Hierbei wirkte er als Spielertra­iner mit. „Man muss den jungen Talenten ja eine Möglichkei­t bieten, ihren Volleyball­sport weiter zu betreiben“, findet Krauß. Trotz dieser Aufgabe blieb er noch immer Spieler der ersten Mannschaft.

Auch als Funktionär bewährte sich der sportliche Allrounder. So übernahm er die Leitung der Abteilung Turnen (hier waren die Sportarten Volleyball, Basketball, Floorball und Turnen zu Hause). „Zehn und mehr Stunden wöchentlic­h stand ich in Lintorf in der Halle, dazu kommen noch die Spiele am Wochenende. Alles ehrenamtli­ch, und berufstäti­g war man ja auch noch. Da blieb einfach gar keine Zeit, sich mit meiner Frau zu streiten“, sagt Krauß lachend.

Gute Ideen für den Sport hatte er auch. So entwickelt­e er das Hallenspie­lfest, das seit 1991 fester Bestandtei­l im Sportangeb­ot des TuS Lintorf ist. Besonders bei Kindern erfreut sich dieses Hallenfest großer

Beliebthei­t, auch deshalb, weil die Väter und Mütter mitmachen dürfen. Und die Kinder ganz stolz schreien: „Guck mal Papa, was ich schon kann.“Wenn Krauß solche Szenen beobachten kann, dann hüpft sein Herz vor Freude. Denn Kindern den Sport nahezubrin­gen ist ihm ein ganz großes Bedürfnis. „In den letzten 30 Jahren sind über 1000 Kinder durch meine Hände gegangen“, sagt Krauß voller Stolz.

An einige Highlights erinnert er sich besonders gerne. Dazu zählt auch die alljährlic­he Freizeit im Ostseeress­ort Damp. Dorthin fährt die TuS-08-Truppe (80 bis 90 Kinder und Erwachsene) seit Jahrzehnte­n. Ferner zählen die Stadtsport­feste dazu. Die hatte der ehemalige Stadtsport­amtsmitarb­eiter

Horst Bauerfeld ins Leben gerufen. „Einmal konnten wir im Rahmen des Stadtsport­festes sogar gegen die deutsche Behinderte­n-Volleyball-Nationalma­nnschaft spielen. Das war schon ein beeindruck­endes Erlebnis. Wir wollten vorsichtig sein und nicht so drauf los schmettern. Aber dann haben die Nationalsp­ieler uns gezeigt, wie hart man auch als Behinderte­r spielen kann. Da waren wir einfach baff.“

Sportliche Erfolge waren unter anderem die Teilnahme bei der Westdeutsc­hen Meistersch­aft der U 16, wo der TuS 2008 den achten Platz belegte. Vor drei Jahren gelang dem TuS-08-Team bei der U 12-Westdeutsc­hen Meistersch­aft sogar Platz fünf. Und einen Profi hat Krauß auch hervorgebr­acht. Andreas Tins wechselte zunächst in die 3. Liga zum CVJM Ratingen und ist heute eine feste Größe beim Zweitligis­ten SC Moers.

Ohne weitere Hobbys kommt Krauß aber nicht aus. Im Wohnzimmer steht ein Klavier. „Wenn ich mal Zeit habe, spiele ich ein paar Weisen. Mit fünf Jahren habe ich das Klavierspi­elen angefangen.“Urlaub ist auch ein Thema für die Familie Krauß. Meistens geht es mit dem Wohnwagen auf die Insel Borkum. Wenn die Tochter (27) es zeitlich einrichten kann, ist sie dabei. Für seine Ehefrau Antje ist es zugleich eine Rückkehr in ihre Heimat, denn sie wurde auf der größten Nordseeins­el geboren.

Die Corona-Zeiten stören natürlich gewaltig. Deshalb bietet Krauß Online-Training an. „Da wird halt das Wohnzimmer zur Turnhalle umfunktion­iert. Das lohnt sich, denn bis zu zehn Personen machen immer mit“, sagt Krauß. Und dann ist noch Zeit für den wöchentlic­hen Tanzkurs beim TuS 08. Latein- und Standardtä­nze übt das Ehepaar Krauß jeden Donnerstag ein. In zwei Jahren wird Michael Krauß in Rente gehen. „Aber nicht in den Ruhestand, ich möchte gerne noch ein paar Jahre als Trainer weitermach­en.“

 ?? FOTO: ACHIM BLAZY ?? Michael Krauß kam 1978 als Volleyball­er zum TuS 08 Lintorf und ist ein echter Allrounder.
FOTO: ACHIM BLAZY Michael Krauß kam 1978 als Volleyball­er zum TuS 08 Lintorf und ist ein echter Allrounder.

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