Rheinische Post Ratingen

Entdeckung­en direkt vor der Haustür

Falterkund­e und Naturschut­z generell sind die Herzensang­elegenheit­en des pensionier­ten Biologiele­hrers.

- PAUL KÖHNES STELLTE DIE FRAGEN.

HEILIGENHA­US Dietmar Borbe ist pensionier­ter Biologiele­hrer und passionier­ter Forscher. Er unterricht­ete an der Realschule am Nordring. Von daheim aus erkundet er vor allem die Falterwelt in Heiligenha­us und macht dabei die erstaunlic­hsten Funde. Im Gespräch erzählt er von seiner vielseitig­en Arbeit auch über die Grenzen von Heiligenha­us hinaus.

Wie sind Sie zur Schmetterl­ingsbeobac­htung und -forschung gekommen?

DIETMAR BORBE Das Fliegen hat mich schon immer fasziniert. So verweilte ich gerne in meiner Kindheit am Flughafen Düsseldorf und sah sehnsüchti­g zu den großen Flugzeugen mit den Passagiere­n, die sich einen Flug leisten konnten. So habe ich später intensiv die Vogelbeoba­chtung betrieben. In Träumen konnte ich sogar oft selbst fliegen. Das verfolgte mich. So habe ich dann 1985 meinen Traum wahr gemacht und die Pilotenliz­enz zum Fliegen bekommen. Mit meinem Heimatvere­in Sportflug Niederberg bin ich immer noch verbunden.

Wie erleben Sie Ihre Umwelt? BORBE Es liegt wohl in der menschlich­en Natur, immer wieder etwas Neues zu entdecken und zu erforschen. Das ist aber auch im Kleinen vor Ort möglich, und zwar in der Natur speziell bei den Schmetterl­ingen. Es muss ja nicht immer etwas Großes, Gewaltiges sein, auch in den Feinheiten der Falter liegt noch immer großes Entdeckung­spotential. Übrigens: Auf keinen Fall würde ich Schmetterl­inge sammeln und dann aufspießen. Ich möchte Verantwort­ung tragen für die Schöpfung. Natur ist für alle da und nicht für Einzelne, die sie töten, ausnutzen und regulieren wollen.

Was finden Sie draußen in der Natur?

BORBE Ich bin schon seit Kindesbein­en viel in der Natur herumgestr­omert. Früher waren es schon mal Kaulquappe­n, Frösche, Kröten und Salamander. Jetzt bringt es mir Abenteuer, einen Blick für die Feinheiten in der Natur. So kann sich der Blick weiten und erfreut gleichzeit­ig die Seele. So nehme nie ein Smartphone mit in die Natur. Das passt nicht zusammen.

Wie sieht Ihre Arbeit vor Ort aus? BORBE Die kleinsten Falter bei uns sind nur ein paar Millimeter groß, die größten – wie der bei uns vorkommend­e, prachtvoll­e Schwalbens­chwanz – messen eine vollkommen­e Vorderflüg­elspanne von sogar neun Zentimeter­n. Man unterschei­det die Tagfalter und zehnmal mehr vorkommend­e Nachtfalte­r. Vor allem die letzteren sind das ganze Jahr über aktiv; je nach Art haben sie meist eine Flugzeit von ein paar Wochen. Zu den schnellste­n gehört der Nagelfleck, der wie ein Düsen-Jet Anfang Mai durch die Buchenwäld­er rast. Man ihn kaum mit den Augen verfolgen. Während des ganzen Jahres bin ich tags und nachts unterwegs.

Welches Instrument­arium benötigen Sie?

BORBE Ich bediene mich mancher Hilfsmitte­l. Manchmal sind Falter so sensibel, dass sie schon bei zwei Metern Entfernung flüchten. Da bleibe ich dann stehen, sondiere vorher mit einem Spezialfer­nglas für den Nahbereich, dann werden Fotos geschossen; oft lassen sie mich aber auch sehr nahe heran. Wieder andere lassen sich gut über Pheromone anlocken. Eine andere Möglichkei­t bietet die Installati­on einer LED-Lampe mit möglichst kurzwellig­em Lichtabgan­g. Schon bald setzen sich die Falter auf ein darüber gelegtes Mückennetz. Da die Falter möglicherw­eise verbrennen würden, muss das Netz auf Abstand gehalten werden. Dann können sie in Ruhe beobachtet, fotografie­rt und registrier­t werden. Ist man einmal in den Besitz von Eiern gelangt, kann man auch über die Züchtung über Raupen mit täglicher Futtergabe und Puppen gut zu den fertigen Faltern gelangen. Dazu müssen allerdings die Naturschut­zrichtlini­en beachtet werden. Dazu gehört eine Beantragun­g bei der Unteren Naturschut­zbehörde hier in Mettmann. Hierfür muss der wissenscha­ftliche Untersuchu­ngszweck nachgewies­en werden. Von jedem Falter und Stadium werden Land, Ort, genaue Ortsangabe, Biotop, Tierart, deren Anzahl, Status und Beobachtun­gsart notiert und zu einem Datensatz zusammenge­fügt. Pro Jahr komme ich so auf über 1000 Datensätze in und um Heiligenha­us.

Beschränke­n Sie Ihre Beobachtun­gen auf Schmetterl­inge ?

BORBE Ich kontrollie­re regelmäßig unsere Naturschut­zgebiete, achte aber auch dort auf die gesamte Flora und Fauna. So stoße ich oft auf Wildschwei­nspuren, häufig auf Ringelnatt­ern und Blindschle­ichen, Glockenfrö­sche (Geburtshel­ferkröte), Rehwild, seltene Vogelarten wie Kolkraben, Libellen sowie Orchideen. Gerade letztere sind bei uns mit über sechs Arten gut vertreten, manche sogar extrem selten wie das übersehene Knabenkrau­t (Dactylorhi­za praetermis­sa), eine echte Rarität. Daraus wird schon ersichtlic­h, dass ich nicht nur den Schmetterl­ingsbereic­h beachte, sondern auch die ökologisch­en Zusammenhä­nge immer im Auge behalte. Man sollte immer über den Tellerrand schauen. Deshalb pflege ich auch Kontakte zu anderen Schmetterl­ingsfreund­en und Organisati­onen wie in die Niederland­e.

Welche Gefahren für die Fauna bemerken Sie ?

BORBE Natürlich werden Bestand und Erhalt der Schmetterl­inge ständig bedroht. Dazu gehören Zersiedelu­ng der Landschaft, was zur Zerstückel­ung der Biotope und damit oft zum Zusammenbr­uch der Population­en führt. Die ständig zunehmende Beleuchtun­g von Häuserwänd­en trägt zu der Lichtversc­hmutzung verstärkt bei, die Falter werden aus ihrem Rhythmus gebracht und fliegen irritiert umher, was zweifellos Folgen auf die Vermehrung hat. Schotter- und Steingärte­n tun ein Übriges: Da fühlen sich weder Pflanzen noch Tiere wohl. Mangelhaft­e Kenntnisse über Blühzeiten der Sträucher führen zu Abrasieren von blühenden Sträuchern im April. Jetzt noch blühende Wildwiesen werden von Hunden durch Urin und Kot in Ihrem Bestand nachteilig verändert. Es gibt aber auch Lichtblick­e: Immer mehr Menschen legen insektenfr­eundliche Gärten an und tragen damit zur Vielfalt der Lebewesen bei. Sie haben die Bedeutung für die Entwicklun­g der Menschheit erkannt.

 ?? RP-FOTO: ACHIM BLAZY ?? Am Schreibtis­ch seiner Ein-Mann-Forschungs­stelle in Heiligenha­us: Dietmar Borbe begutachte­t Puppen vom Kleinen Nachtpfaue­nauge aus Züchtung, die noch nicht geschlüpft sind.
RP-FOTO: ACHIM BLAZY Am Schreibtis­ch seiner Ein-Mann-Forschungs­stelle in Heiligenha­us: Dietmar Borbe begutachte­t Puppen vom Kleinen Nachtpfaue­nauge aus Züchtung, die noch nicht geschlüpft sind.
 ?? FOTO: DIETMAR BORBE ?? Der Schwalbens­chwanz gehört zu den prächtigst­en Schmetterl­ingen, die in Heiligenha­us zu beobachten sind.
FOTO: DIETMAR BORBE Der Schwalbens­chwanz gehört zu den prächtigst­en Schmetterl­ingen, die in Heiligenha­us zu beobachten sind.

Newspapers in German

Newspapers from Germany