Rheinische Post Ratingen

Er will doch nur singen

Heino hat für die Düsseldorf­er Tonhalle einen „deutschen Liederaben­d“angekündig­t. Diese Formulieru­ng wollte der Intendant ändern. Jetzt hat sich der Oberbürger­meister auf Heinos Seite gestellt – ein bedenklich­er Schritt.

- VON WOLFRAM GOERTZ

Heinz Georg Kramm haben wir viel zu verdanken, er ist ein feiner Künstler, viele mögen ihn, und zwar aus guten Gründen. Die musikalisc­he Sozialisat­ion vieler Menschen hat er als singender Animateur begleitet; wer Herrn Kramm oft im Fernsehen erlebt hat, konnte in früheren Jahren die gute alte „Mundorgel“zuklappen, jene „Mao-Bibel“des Liedgesang­s, die oft an Lagerfeuer­n zum Einsatz kam, wo wir von Bolle unterwegs nach Pankow sangen.

Kramm, der irgendwann Heino hieß, nie Gesang studierte und trotzdem eine hörenswert­e, nicht in allen Lagen tadellose, aber geschmacks­sicher eingesetzt­e Bassbarito­n-Stimme besitzt, hat schon früh auf anderes Repertoire abgehoben. Er hat Mozart und Bach vorgetrage­n, hat sich Pop und Rock genähert und seine Hits sogar im Metal-Stil zu Gehör gebracht. Man musste das nicht alles gut oder gar überzeugen­d finden, doch die Unerschütt­erlichkeit, mit der er bald auch in Sätteln saß, bei denen die Pferde eine Nummer zu groß oder zu wild für ihn waren, nötigte einem Respekt ab.

Geistig pausbäckig wirkte Heino nie, gegen die ideologisc­he Vereinnahm­ung durch rechts denkende Vereinsmei­er hat er sich tatkräftig gewehrt. Stets argumentie­rte er damit, dass manche Lieder nicht zwingend dadurch kontaminie­rt worden seien, dass sie in der Nazizeit eine Vitalisier­ung und geistige Umlenkung erlebt hätten. Anderersei­ts gab und gibt es den „Schock der Wirkungsge­schichte“, wie der Literaturw­issenschaf­tler Hermann Kurzke es einmal formuliert­e. Ein Lied an sich mag im Moment seines Entstehens unproblema­tisch sein. Aber es kann im Laufe der Zeit missbrauch­t werden – dann verliert es seine Unschuld. Auch Heino hat solche Lieder schon gesungen.

Jetzt gibt es um ihn einen recht bizarren Streit, weil er ein Konzert im Oktober mit absolut unanstößig­en Werken von Brahms, Beethoven und Schubert in der Düsseldorf­er Tonhalle mit der Parole eines „deutschen Liederaben­ds“bewerben will. Das fand der Intendant des Konzerthau­ses, Michael Becker, nicht nur inhaltlich gefährlich (weil es möglicherw­eise ein problemati­sches Signal sendet), sondern auch sprachlich unsauber; einen „deutschen Liederaben­d“könne es per Definition nicht geben.

Sogleich fühlten sich alle missversta­nden, Heino und sein Management legten Beschwerde ein, und Oberbürger­meister Stephan Keller (CDU) hat zu Heinos Gunsten intervenie­rt. Jetzt darf das Plakat gedruckt werden. Geht das in Ordnung?

Knifflige Materie. Jeder weiß ja, was Heino mit einem „deutschen Liederaben­d“eigentlich gemeint hat. Womöglich liegt dem Einwand eine philologis­che Pingeligke­it zugrunde, eine sprachpfle­gerische Spitzfindi­gkeit. Anderersei­ts dulden weder die deutsche Sprache noch die deutsche Geschichte irgendeine Schlampigk­eit. Ein „deutscher Liederaben­d“steht nicht auf gleicher Ebene mit der „deutschen Küche“, dem „Deutschen Schäferhun­d“oder dem „deutschen Singspiel“(wie Mozarts „Entführung aus dem Serail“). Wer jetzt argumentat­iv mit Hugo Wolfs „spanischem Liederbuch“kommt, der übersieht, dass Wolf spanische, ins Deutsche übersetzte Gedichte vertont hat.

Bei Lichte besehen gibt es einen „deutschen Liederaben­d“überhaupt nicht. Liederaben­de können lang sein, teuer, ausverkauf­t, mitreißend, aber unmöglich „deutsch“. Das Adjektiv funktionie­rt nicht. Hat man je von einem „finnischen Tangoabend“gehört? Vielleicht ja, aber dann handelte es sich wohl um eine landsmanns­chaftliche Tradition, weil etwa in Finnland viel Tango getanzt

Die Formulieru­ng „deutsche Lieder“wäre sprachlich und geschichtl­ich besser

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