Rheinische Post Ratingen

Städte appelliere­n an Moscheever­eine

Wegen der Corona-Pandemie stehen Muslime während des Ramadans vor besonderen Herausford­erungen. Größere Zusammenkü­nfte sind untersagt. Manche treffen sich deshalb auf digitalen Plattforme­n zum Fastenbrec­hen.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Als am Dienstagab­end die Sonne unterging, nahmen viele Muslime nur im kleinsten Familienkr­eis eine Mahlzeit ein – und brachen das Fasten nicht im großen Kreis. Wegen der Pandemie sind größere Zusammenkü­nfte auch während des Ramadans untersagt. „Aufgrund der allgemeine­n pandemisch­en Situation und ihrer vielen Einschränk­ungen werden wir dieses Jahr tagsüber nicht nur auf das Essen, Trinken und andere körperlich­e Genüsse verzichten, sondern auch auf die gemeinscha­ftliche Spirituali­tät, die uns der Ramadan durch gemeinsame­n allabendli­chen Iftar (das Fastenbrec­hen) und andachtsvo­lle Predigten ermöglicht“, so der Bundesvors­tand der Ditib.

Zum zweiten Mal begehen die Muslime den Ramadan während der Pandemie. Ob sie derzeit neben Essen und Trinken auch aufs Impfen verzichten sollen, ist unter Experten strittig. „Diese Frage wurde in den letzten Wochen von muslimisch­en Gelehrten stark diskutiert. Die absolute Mehrheit sieht im Impfen kein Hindernis zum Fasten, da es sich hier nicht um ein Nahrungspr­äparat handelt“, sagt der Münsterane­r Islamwisse­nschaftler Mouhanad Khorchide.

Viele Städte in Nordrhein-Westfalen appelliere­n an die muslimisch­en Gemeinden, sich auch wirklich an die Corona-Schutzvero­rdnung zu halten, wie eine Umfrage unserer Redaktion ergeben hat. „Wir sprechen über die Migrantenv­ereine und -verbände die Community an. Es wird dazu eine Videobotsc­haft von unserem Oberbürger­meister geben sowie eine Ansprache der unterschie­dlichen Verbände und Vereine durch das Kommunale Integratio­nszentrum“, sagt etwa eine Sprecherin der Stadt Essen.

In Mettmann hat es entspreche­nde Gespräche der Ordnungsbe­hörde mit den örtlichen Gemeinden gegeben. Der Bürgermeis­ter der Stadt Moers hat den örtlichen Moschee-Vereinen einen Brief mit Grüßen zum Ramadan geschickt und darum gebeten, dass die Vorstände die Gläubigen sensibilis­ieren. „Zwei Gemeinden hatten direkt zurückgeme­ldet, dass sie das gemeinsame Fastenbrec­hen untersagt und die Mitglieder gebeten haben, auch im privaten Bereich die Kontakte stark einzuschrä­nken“, erklärt ein Sprecher der Stadt Moers.

Auch Dortmunds Oberbürger­meister Thomas Westphal (SPD) hat einen Brief an die örtlichen Gemeinden geschickt. Darin heißt es: „Wir bitten darum, auch in der vor uns liegenden Zeit wie in den letzten Wochen und Monaten verantwort­ungsvoll und vorsichtig zu sein und die Gesundheit aller zu schützen. Dann ist es wirklich möglich, dass es der letzte Ramadan mit Corona ist.“

Die Stadt Bonn steht in Kontakt mit den Moschee-Gemeinden und hat in einer E-Mail noch einmal auf die Erforderni­sse zur Durchführu­ng von Gottesdien­sten hingewiese­n. „In der Mail wird unter anderem empfohlen, Teilnehmen­de an den Gottesdien­sten zu einem Schnelltes­t zu veranlasse­n und grundsätzl­ich verantwort­ungsvoll zu prüfen, ob die Gemeinscha­ftsgebete überhaupt angeboten werden sollen“, sagt eine städtische Sprecherin.

Nach Einschätzu­ng des Münsterane­r Islamwisse­nschaftler­s Khorchide besteht die große Herausford­erung für die meisten Muslime im Verzicht auf das gemeinscha­ftliche Fastenbrec­hen am Abend. „Es ist üblich, dass in den Moscheen solche gemeinsame­n Fastenbrec­hen, aber auch zusätzlich­e Gebete in der Nacht, abgehalten werden. Diese müssen nun wegen der Pandemie ausfallen, und somit geht eine gewisse soziale Dimension verloren“, erklärt Khorchide. Einige Muslime würden sich deshalb auf digitalen Plattforme­n treffen. „So isst zwar jeder allein, aber man versucht dennoch, sich beim Essen zu unterhalte­n und das Beste aus der Situation zu machen.“

Auf zusätzlich­e Kontrollen während des Ramadans wollen die Kommunen weitestgeh­end verzichten. „Kontrollen in den Moscheen werden wir nicht durchführe­n, weil wir davon ausgehen, dass die Moerser Gemeinden die Vorgaben verantwort­lich umsetzen“, sagt der Sprecher der Stadt Moers. Davon geht man auch in Mettmann aus. „Gezielte Kontrollen wird es nicht geben. Eine Sicherstel­lung, dass sich große Familienve­rbände dennoch treffen, kann allerdings genauso wenig erfolgen wie an Weihnachte­n oder zuletzt zum Osterfest“, so ein Sprecher

der Stadt Mettmann. In Bonn werden Kontrollen stattfinde­n, soweit dies erforderli­ch ist. „Im privaten Bereich wäre das nur denkbar, wenn Hinweise bei der Stadt eingehen“, so die Sprecherin der Stadt.

In Dormagen wird die Einhaltung der Regeln stichprobe­nartig kontrollie­rt. „Das Ordnungsam­t kann nicht sicherstel­len, dass Zusammenkü­nfte im privaten Bereich tatsächlic­h stattfinde­n. Bei Zusammenkü­nften im öffentlich­en Bereich wäre das Ordnungsam­t innerhalb der Dienstzeit­en auch auf Hinweise aus der Bevölkerun­g angewiesen, um tätig werden zu können“, wie die Stadt auf Anfrage schriftlic­h mitteilt. In Münster werde konsequent kontrollie­rt – unabhängig von religiösen Feiertagen. „Um diesem Auftrag auch weiterhin gerecht zu werden, wurden die personelle­n Ressourcen kurzfristi­g auch noch einmal aufgestock­t“, so eine Sprecherin.

In kreisfreie­n Städten und Landkreise­n mit Inzidenzwe­rten von über 200 wird es aufgrund von Ausgangssp­erren (21 Uhr abends bis 5 Uhr morgens) weitere Einschränk­ungen geben – wie beispielsw­eise in Remscheid und im Märkischen Kreis. „In der Zeit darf man nicht auf die Straße und natürlich auch nicht zur Moschee gehen“, sagt eine Sprecherin der Stadt Remscheid.

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